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Medien: Betreiber von Grenfell Tower wollten billige Verkleidung

Trümmer im ausgebrannten Grenfell-Tower. Laut Medienberichten pochte die Hausverwaltung bei der Sanierung des Hochhauses auf Kostensenkungen - worauf brennbare Aluminium-Platten verbaut wurden. (Archiv) KEYSTONE/EPA LONDON METROPOLITAN POLICE/HANDOUT sda-ats

(Keystone-SDA) Nach der Brandkatastrophe im Londoner Grenfell Tower gibt es neue schwere Vorwürfe gegen die Hausverwaltung: Laut Medienberichten hat das vom Bezirk Kensington und Chelsea beauftragte Gebäudemanagement KCTMO bei der Sanierung auf Kostensenkungen gepocht.

Die für die Fassadenverkleidung zuständige Baufirma wurde gebeten, den Sozialbau mit billigeren, aber weniger feuerfesten Platten zu verkleiden. Das berichteten die britische Zeitung “The Times” und der Rundfunksender BBC am Freitag.

In einer E-Mail an die beauftragte Firma Artelia UK habe die Hausverwaltung im Juli 2014 einen “guten Preis” für die Sanierung verlangt. Sie schlug demnach unter anderem vor, statt Zinkplatten leichter entflammbare Aluminiumplatten zu verwenden – und damit rund 293’000 Pfund (363’900 Franken) einzusparen. Kensington und Chelsea ist der reichste Bezirk Londons.

Am Freitag mussten der Bezirksvorsitzende und der Leiter der kommunalen Wohnungsgesellschaft ihren Hut nehmen. Auch KCTMO-Chef Robert Black kündigte seinen Rücktritt an. Er wolle sich darauf konzentrieren, die Ermittlungen zu den Hintergründen der Brandkatastrophe zu unterstützen, erklärte er.

Bei dem nächtlichen Brand im Londoner Grenfell Tower waren in der Nacht zum 14. Juni mindestens 79 Menschen ums Leben gekommen. Das Feuer im Hochhaus war nach Erkenntnissen der Ermittler durch einen defekten Kühlschrank ausgelöst worden. Die Flammen hatten sich dann rasend schnell über die Fassade ausgebreitet, die mit Platten aus Aluminium und dem Kunststoff Polyethylen verkleidet war.

Unverständnis wegen verschobener Sitzung

Der wegen seines Umgangs mit der Katastrophe bereits in der Kritik stehende Gemeinderat vertagte am Donnerstagabend seine erste Sitzung seit dem 14. Juni – nachdem ein Gericht den geplanten Ausschluss der Öffentlichkeit abgelehnt hatte. Dies sorgte nicht nur bei Londons Bürgermeister Sadiq Khan von der oppositionellen Labour-Partei für Unverständnis.

Auch Premierministerin Theresa May kritisierte die Entscheidung des von den Tories kontrollierten Gemeinderats. Sie hätte erwartet, dass der Gemeinderat die Entscheidung des Gerichts respektiert, erklärte sie.

Nach der Brandkatastrophe hatte die britische Regierung eine Überprüfung sämtlicher Sozialbauten im Land angeordnet. Bei den Sicherheitstests für die Fassaden fielen bislang alle 149 überprüften Hochhäuser beim Brandschutz durch.

Am Donnerstag beauftragte Regierungschefin May zudem den pensionierten Richter Martin Moore-Bick mit der Untersuchung der Tragödie.

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