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Medienandrang bei Prozessbeginn gegen mutmasslichen NS-Verbrecher

(Keystone-SDA) München – Unter grossem Medienandrang hat in München der Prozess gegen den mutmasslichen NS-Kriegsverbrecher John Demjanjuk begonnen. Der 89-jährige gebürtige Ukrainer muss sich wegen Beihilfe zum Mord an 27’900 Juden verantworten.
Zu Beginn der Verhandlung beklagten Journalisten aus aller Welt die schlechten Bedingungen für die Berichterstatter. Im Gericht gibt es lediglich 68 Plätze für Journalisten, mehr als 200 Medienvertreter haben sich jedoch akkreditiert.
Der Landgerichtspräsident betonte in einer Mitteilung, für das Verfahren werde der grösste Schwurgerichtssaal genutzt.
Demjanjuk soll im Vernichtungslager Sobibor im besetzten Polen 1943 als Wachmann geholfen haben, Nazi-Verfolgte in die Gaskammern zu treiben. Es dürfte einer der letzten NS-Verbrecher-Prozesse weltweit sein.
Da Demjanjuk bisher zu den Vorwürfen schweigt, wird ein langwieriger Indizienprozess erwartet. Die Ärzte haben festgelegt, dass wegen der angeschlagenen Gesundheit des Angeklagten pro Verhandlungstag nicht länger als zweimal 90 Minuten verhandelt werden darf. Weil Demjanjuk kaum Deutsch spricht, muss die Verhandlung komplett gedolmetscht werden.
Keiner der noch lebenden Zeugen kann sich konkret an Handlungen Demjanjuks bei der Ermordung von Juden erinnern. Im Prozess unter Vorsitz von Richter Ralph Alt treten 19 Nebenkläger auf, die ihre Angehörigen in Sobibor verloren haben.
Bereits 1988 war Demjanjuk in Israel als “Iwan der Schreckliche” aus dem nordöstlich von Warschau gelegenen Vernichtungslager Treblinka zum Tode verurteilt worden. Fünf Jahre sass er in der Todeszelle, bis 1993 das Urteil aufgehoben wurde – er war tatsächlich verwechselt worden. Nach insgesamt siebenjähriger Haft kehrte er in die USA zurück.

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