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Mehrere Rücktritte in tunesischer Übergangsregierung

(Keystone-SDA) In Tunesien bröckelt die Übergangsregierung: Innerhalb von zwei Tagen haben insgesamt sechs Kabinettsmitglieder ihren Rücktritt eingereicht.

Nachdem sich auf Druck der Strasse die letzten Vertreter der alten Garde verabschiedet hatten, traten am Dienstag auch zwei langjährige Oppositionelle von ihren Ämtern zurück. Ahmed Nejib Chebbi gab sein Amt als Minister für regionale Entwicklung auf. Er protestierte gegen die unklare Linie der Regierung.

Ahmed Ibrahim trat als Bildungsminister zurück. Er wolle der Revolution auf andere Weise dienen, betonte er.

Es wird damit gerechnet, dass beide bei den Präsidentschaftswahlen antreten wollen, die vor Mitte Juli stattfinden sollen. Neben den beiden gab auch die Staatssekretärin für Bildung ihr Amt auf.

Am Wochenende war nach Protesten mit fünf Toten bereits Ministerpräsident Mohamed Ghannouchi zurückgetreten. Er galt als Symbol des alten Regimes des gestürzten Diktators Zine el Abidine Ben Ali.

Amnesty International fordert Untersuchung

Die Tötung von Demonstranten während der Proteste in Tunesien muss nach Auffassung von Amnesty International strafrechtlich verfolgt werden. Die Menschenrechtsorganisation forderte die tunesische Übergangsregierung auf, die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.

“Die Sicherheitskräfte haben in zu vielen Fällen ohne Rücksicht auf Menschenleben agiert”, sagte der Chef des Nahost- und Nordafrikabüros, Malcolm Smart, am Dienstag in Tunis. “Die neue Regierung muss sicherstellen, dass Tötungsdelikte und schwere Missbrauchsvorwürfe unverzüglich aufgeklärt und die Täter zur Rechenschaft gezogen werden.”

Die meisten Tötungen gehen den Angaben nach auf das Konto der Polizei (Brigade de l’Ordre Publique). Scharfschützen hätten Demonstranten mit gezielten Kopfschüssen getötet oder ihnen in den Rücken geschossen, berichtet Amnesty.

Nach Schätzungen der UNO wurden während der Proteste gegen die Herrschaft von Präsident Zine al-Abidine Ben Ali 147 Menschen getötet. Weitere 78 Personen kamen bei Vorfällen in Gefängnissen ums Leben.

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