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Ökologische Steuerreform als Königsweg zur Energiewende

(Keystone-SDA) Die Volksinitiative “Energie- statt Mehrwertsteuer” ist aus Sicht der Befürworter der Königsweg zur Energiewende. Sowohl Unternehmen als auch Haushalte könnten profitieren, wenn sie sich ökologisch verhielten, sagten die Vertreter des Ja-Komitees am Dienstag vor den Medien in Bern.

Die Initiative der Grünliberalen, die von den Grünen unterstützt wird, verlangt eine ökologische Steuerreform: Die Mehrwertsteuer soll abgeschafft und durch eine Steuer auf der Produktion und der Einfuhr von Erdöl, Gas, Kohle und Uran ersetzt werden.

Der Luzerner GLP-Nationalrat Roland Fischer (LU) sprach von einem “wirksamen und liberalen Instrument” zur Verminderung des Energieverbrauchs und zur verstärkten Produktion erneuerbarer Energie. Die Initiative setze auf Preisanreize statt staatliche Subventionen.

Benzin um 1.30 Franken teurer

Dass die Strom- und Benzinpreise bereits bei der Einführung des neuen Systems stark steigen würden, streiten die Initianten ab. Sie gehen davon aus, dass die Kilowattstunde Strom zu Beginn zwischen 10 und 15 Rappen teurer wäre als heute. Der Benzinpreis würde damit um rund 1.30 Franken steigen.

Die Angaben von Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf, wonach der Benzinpreis um 3 Franken steigen würde, seien falsch, sagte GLP-Präsident Martin Bäumle. Auf diese Höhe könnte der Preis nach 20 bis 30 Jahren steigen. Die Grünliberalen stellen auch in Abrede, dass die Initiative die Staatseinnahmen gefährdet: Im Verfassungstext sei klar festgehalten, dass die Einnahmen gleich hoch bleiben müssten wie mit der Mehrwertsteuer.

Nicht nur reiche Haushalte profitieren

Den Vorwurf, die Initiative sei aus sozialpolitischer Sicht problematisch, weisen die Befürworter ebenfalls zurück. Zwar räumen sie ein, dass die Energieausgaben bei Haushalten mit niedrigem Einkommen stärker ins Gewicht fallen. Sie relativieren aber den Befund.

Nach Berechnungen der GLP würde ein Haushalt mit einem Monatseinkommen von 3500 Franken lediglich 13 Franken mehr bezahlen als mit dem Mehrwertsteuersystem. Mit minimalen Verhaltensanpassungen könnten ausserdem auch solche Haushalte die Steuerbelastung gegenüber heute senken, sagen die Initianten.

Entlastung für durchschnittlichen Haushalt

Der durchschnittliche Haushalt könnte den Berechnungen zufolge mit einer steuerlichen Entlastung von rund 30 Franken im Jahr rechnen. Stärker profitieren könnten ökologische Haushalte, mehr belastet würden Vielverbraucher.

Als Vielverbraucher-Haushalt gilt etwa eine Familie mit einem Bruttoeinkommen von rund 8700 Franken, die in einem Einfamilienhaus mit 225 Quadratmetern wohnt und mit einem Auto, das 11 Liter pro 100 Kilometer verbraucht, jährlich 30’000 Kilometer fährt. Sie müsste im Jahr 2000 Franken mehr bezahlen. Als ökologischer Haushalt gilt eine Familie, die in einer 100-Quadratmeter-Wohnung mit erneuerbarer Energie wohnt und mit einem sparsamen Auto 6000 Kilometer im Jahr fährt. Sie könnte gegenüber heute 1600 Franken sparen.

Anreize für Unternehmen

Doch nicht nur die Haushalte, sondern auch Unternehmen könnten laut den Initianten profitieren. Roland Kaufmann, Geschäftsführer einer Firma für Drucksachen, kritisierte, im heutigen Steuersystem seien die Anreize falsch gesetzt. Die Kosten für Umweltemissionen würden auf die Allgemeinheit abgeschoben. Mit der ökologischen Steuerreform würden innovative Unternehmen gestärkt.

Der Bundesrat befürchtet dagegen, dass Schweizer Unternehmen im Wettbewerb mit der ausländischen Konkurrenz benachteiligt wären. Nach dem Willen der Grünliberalen soll nämlich auch die graue Energie besteuert werden. Der Bundesrat gibt zu bedenken, es wäre kaum möglich, für jedes Produkt zu berechnen, wie viel Energie in ihm stecke. Ausserdem wäre die Besteuerung der grauen Energie von Importprodukten nicht WTO-konform.

Skeptisch gegenüber Bundesratsplänen

Bäumle erwidert, das Problem der grauen Energie müsse bei jeder ökologischen Steuerreform gelöst werden, also auch bei jener, die der Bundesrat plane – es sei denn, er wolle eine wirkungslose Lenkungsabgabe. Der Bundesrat will die Details seiner eigenen Pläne erst nach der Abstimmung über die Initiative bekannt geben. Bäumle zeigte sich enttäuscht darüber. Die Türen für einen Gegenvorschlag seien bei den Grünliberalen weit offen gestanden, stellte er fest.

Im Parlament wurde die Initiative der Grünliberalen nur von den Grünen unterstützt, die nun auch im Pro-Komitee vertreten sind. Grosse Chancen rechnet sich Bäumle daher nicht aus. Er hoffe auf einen “Achtungserfolg”, sagte er auf eine entsprechende Frage. Von einem solchen würde er sprechen, wenn die Initiative einen Ja-Stimmen-Anteil von 30 Prozent erzielen würde.

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