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Schweizer Wiedergeburt gegen Rumänien

(Keystone-SDA) 1994 bestreitet das Schweizer Nationalteam in den USA die ersten WM-Spiele nach 28-jähriger Absenz. Höhepunkt ist das 4:1 gegen Rumänien, die Krönung der Generation um Sutter, Chapuisat und Geiger.

Die Schweizer Nationalmannschaft hat in den letzten 15 Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung gemacht und sich zum Stammgast der grossen Turniere gemausert. In dieser Zeit ist auch der eine oder andere bedeutende Sieg gelungen. Und doch sticht zumindest für viele, die sich daran erinnern können, ein WM-Match heraus, der in einer anderen Zeit zustande gekommen ist, in einer Zeit, als die Schweiz in der internationalen Wahrnehmung knapp Mittelmass war oder sich gerade daran machte, seinen Status zu ändern.

Bei der WM 1994 in den USA kam vieles zusammen: ein aussergewöhnlicher Trainer, eine Mannschaft mit für damalige Verhältnisse bemerkenswerten vier Bundesliga-Legionären und eine Euphorie für das Ereignis, die nur eine lange Enthaltsamkeit auslösen kann. “Es war eine Art Wiedergeburt des Schweizer Fussballs”, erinnert sich Alain Geiger, der damalige Abwehrchef. 28 Jahre hatte die Schweiz auf eine WM-Teilnahme gewartet, 40 Jahre lag der letzte Sieg bei einer WM zurück.

Das 1:1 gegen die USA zum Auftakt war trotz des Freistosses von Georges Bregy eher ernüchternd, dann aber folgte dieses grandiose 4:1 gegen Rumänien, einem Team mit Stars, mit Gheorghe Hagi und Gheorghe Popescu. Alain Sutter brachte die Schweiz in der 16. Minute mit 1:0 in Führung, Hagi glich noch vor der Pause aus, und dann folgten die legendären 20 Minuten: Zwischen der 52. und der 72. Minute trafen Stéphane Chapuisat und zweimal Adrian Knup. “Es passte alles zusammen. Wir wuchsen über uns hinaus”, sagte der zweifache Torschütze Jahre später.

Die Partie war der Höhepunkt des Schaffens der Generation um Sutter, Chapuisat und Knup, kam aber alles andere als zufällig zustande, betont Geiger: “Wir waren komplementär, kämpften solidarisch füreinander.” Roy Hodgson habe alles zusammengebracht: “Er war der Mann mit dem Zauberstab. Er gab der Nati eine Seele. Es war plötzlich nicht mehr die Rede vom Einzelnen, von den Klubs oder von Romands und Deutschschweizern. Es herrschte eine grosse Harmonie.” In der Qualifikation habe die Mannschaft dann noch das nötige Selbstvertrauen getankt, unter anderem dank Sieg und Remis gegen Italien in einer Gruppe, in der Portugal und Schottland das Nachsehen hatten.

“Das bleibt ein Leben lang”

Der Weg führte über viele schwierige Stationen nach Pontiac in den Silverdome, diese über 60’000 Zuschauer fassende, mittlerweile abgerissene Arena, die – so erinnern sich Spieler und Schweizer Fans – nach Pommes-Frites roch und an diesem 22. Juni 1994 eine feuchte, schwer erträgliche Hitze in sich trug. Den Schweizern machte dies nichts aus, vielleicht weil sie schon vier Tage zuvor den ersten Match im Detroiter Vorort bestritten hatten und die Verhältnisse kannten. Geiger erinnert sich an einen grossen, offensiven Match, und auch die Zeitungen waren damals voll des Lobes nach dem ersten Sieg bei einer WM seit 1954. Der “Blick” urteilte am Tag danach: “Die Schweiz ist wieder Weltklasse.”

Es folgte ein 0:2 gegen Kolumbien und im Achtelfinal ein 0:3 gegen Spanien. Auch 24 Jahre später bedauert Geiger noch, dass die Schweiz den Rest des Turniers nicht mit grösseren Ambitionen angegangen ist: “Die Anspannung war weg. Wir waren nach dem Spiel gegen Rumänien nicht mehr konzentriert.” Der Glaube habe auf allen Ebenen gefehlt, der Verband hatte die Rückflug-Tickets für nach dem Achtelfinal gebucht. Welche Begeisterung das Team trotzdem ausgelöst hatte, merkte Geiger erst bei seiner Rückkehr in die Schweiz so richtig: “Eine Weile lang wurde ich überall auf die WM angesprochen, egal, wo ich mich befand, ob in einem Fussballstadion oder auf dem Grimsel-Pass.”

Aus dem damaligen Schweizer WM-Kader sind die meisten dem Fussball beruflich verbunden geblieben. Geiger ist seit dem Ende seiner Aktivkarriere als Trainer tätig und betreut nächste Saison Servette Genf. Mit seinen ehemaligen Teamkollegen trifft er sich nicht bewusst. “Wenn ich aber einem begegne, dann ist es, wie wenn man den Bruder oder einen Schulfreund trifft. Es entsteht sofort wieder eine Bindung. Das bleibt ein Leben lang!”

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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