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Tamedia kontert Vorwürfe von Westschweizer Redaktionen

Anfang Juli streikten Journalistinnen und Journalisten von Tamedia in der Westschweiz. In Lausanne trugen sie ihre Anliegen auf die Strasse. (Archiv) Keystone/VALENTIN FLAURAUD sda-ats

(Keystone-SDA) In einem Brief an die französischsprachigen Redaktionen weist das Zürcher Verlagshaus Tamedia den Vorwurf zurück, einer “kurzfristigen Gewinnlogik” zu folgen. Tamedia investiere “nachhaltig und vorausschauend”, heisst es in dem Schreiben.

Die Redaktion von Tamedia Romandie hat am Donnerstag eine Antwort der Geschäftsleitung auf ihr Schreiben vom 30. Juli, wenige Tage nach dem Ende der gedruckten Version von “Le Matin”, erhalten.

Im zweiseitigen Dokument, das der Agentur Keystone-SDA vorliegt, heisst es, dass “die mit dem Onlineportal lematin.ch verbundenen Kosten derzeit höher sind als die erwarteten Einnahmen”.

Die Geschäftsleitung zeigt sich aber überzeugt, dass “die einzigartige Positionierung der Marke in der Westschweiz und ihr starkes digitales Publikum in den kommenden Jahren Wachstum ermöglichen werden”.

Aus freiem Willen bei Tamedia

Klar äussert sich die Direktion bezüglich der Kritik der Mitarbeitenden an der Strategie des Verlags. Es liege nicht im Interesse der Journalisten, gegenüber der Öffentlichkeit den Eindruck zu vermitteln, dass die Arbeitsbedingungen bei Tamedia es ihnen verunmögliche, gute Arbeit zu leisten. Vor allem, wenn diese Bedingungen tatsächlich besser seien als anderswo.

“Sie alle arbeiten aus freiem Willen bei Tamedia und haben natürlich die Möglichkeit, andere Wege zu gehen, wenn Sie nicht an das Unternehmen glauben”, heisst es im Papier.

“Keine versöhnlichen Töne”

Auf Seite der Redaktion kommt das Schreiben der Tamedia-Leitung schlecht an. Melina Schröter, ehemalige Journalistin bei “Le Matin” und Vertreterin der Redaktionskommission, bedauert, dass die Entlassenen den Brief nicht erhalten haben. “Wir sind immer noch Mitarbeiter”.

Zudem ist für sie der Ton des Briefes nicht versöhnlich. Er werde die Wiederaufnahme des sozialen Dialogs nicht vereinfachen, sagt sie. Einerseits enthalte der Brief Warnungen, andererseits werde die Wichtigkeit der gemeinsamen Anstrengung betont.

“Und am selben Tag erfahren die Streikenden, in welchem Mass sie nach dem Streik bestraft werden – eine seltsame Vorstellung von Dialog”, kritisierte Schröter. Zumal Tamedia sich verpflichtet habe, die Streikenden nicht zu bestrafen. “Dies war sogar eine der Bedingungen für die Sistierung des Streiks”, sagte sie.

Löhne gekürzt

Tamedia-Sprecher Patrick Matthey bestätigte auf Anfrage, dass das Unternehmen an den August-Löhnen der streikenden Angestellten Abzüge vorgenommen habe.

“Das Recht, die Lohnzahlung für die Dauer eines Streiks auszusetzen, beruht auf dem Grundprinzip, dass ein Gehalt nur im Austausch gegen Arbeit zu zahlen ist. Es ist also keine Strafmassnahme, sondern Folge einer nicht erfüllten Leistung”, widersprach er. Zahlen zu den betroffenen Personen und der abgezogenen Beträge wollte der Sprecher nicht nennen.

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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