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Technische Lösung soll Streit um flankierende Massnahmen beilegen

Der Bundesrat könnte bald Entscheide fällen zum Rahmenabkommen Schweiz-EU. Im Streit um den Lohnschutz hat sich der Baumeisterverband ins Spiel gebracht. (Symbolbild) KEYSTONE/GAETAN BALLY sda-ats

(Keystone-SDA) Mit dem Kopf durch die Wand oder Abbruch der Verhandlungen: Beim Rahmenabkommen Schweiz-EU sind bald Entscheide fällig. Ob technische Lösungen in letzter Minute den Durchbruch bringen, ist ungewiss.

Am Montag hat der Baumeisterverband per Medienmitteilung eine “moderne Branchenlösung als Alternative zur 8-Tage-Regelung” ins Spiel gebracht. Gemeint ist das Projekt Informationssystem Allianz Bau (ISAB). In diesem Rahmen wird in der Baubrache ab Ende 2018 die ISAB-Card eingeführt. Damit soll der Vollzug von Gesamtarbeitsverträgen einfacher und effizienter werden.

Laut Baumeisterverband könnte mit der ISAB-Card auch der Vollzug der flankierenden Massnahmen (FlaM) verbessert werden. Voraussetzung für die bessere Kontrolle der Entsendebetriebe sei es, die ZEMIS-Datenbank des Staatssekretariats für Migration zu optimieren und den Austausch zwischen Behörden und Branchen zu verbessern.

Technische Lösungen

Der Bundesrat wird zur Idee aufgrund einer Interpellation des Tessiner CVP-Nationalrats Fabio Regazzi Stellung nehmen müssen. Es ist nicht das erste Mal, das technische Lösungen als möglicher Ausweg aus der Krise gehandelt werden. Auch eine App war schon herumgeboten worden, mit der die Kontrollfristen gekürzt werden könnten.

Die Probleme Brüssels und der Gewerkschaften lösen diese Ansätze nicht. Die EU hat Vorbehalte gegen die flankierenden Massnahmen, weil diese potenziell das Freizügigkeitsabkommen verletzen. Aber so lange die flankierenden Massnahmen keiner gemeinsamen Gerichtsbarkeit unterliegen, hat Brüssel keine Handhabe. Eine App oder eine ISAB-Card mögen den Vollzug vereinfachen. Die EU werden sie vermutlich nicht zufriedenstellen.

Aus dem gleichen Grund weigern sich die Gewerkschaften, im Zusammenhang mit dem Rahmenabkommen auch nur über die flankierenden Massnahmen zu sprechen. Sobald diese zum Vertragsgegenstand werden, könnten sie als bilaterales Recht beurteilt werden. Als solches würden sie in die Zuständigkeit des Schiedsgerichts fallen. Der Lohnschutz wäre damit dem Einfluss der Schweiz teilweise entzogen.

Unter Zeitdruck

Trotz der verfahrenen Situation muss der Bundesrat rasch entscheiden. 2019 finden in der Schweiz und in der EU Wahlen statt, Fortschritte sind nicht zu erwarten. Daher hat die Regierung für den Herbst einen Entscheid über das weitere Vorgehen in Aussicht gestellt.

Möglich ist die Sistierung der Verhandlungen, was Gegenmassnahmen der EU zur Folge haben könnte. Möglich ist auch eine Einigung auf Basis der bisherigen Ergebnisse, was einem innenpolitischen Hochrisikospiel gleichkäme.

Schon letzten Mittwoch hat sich der Bundesrat über das Europa-Dossier gebeugt. Am nächsten Freitag könnten Entscheide fallen. Aussenminister Ignazio Cassis hatte sich immer wieder zuversichtlich gezeigt, dass eine Einigung möglich ist. Eine Lösung, die die aussenpolitischen Ansprüche mit den innenpolitischen Zwängen versöhnt, ist bisher nicht in Sicht.

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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