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Tunesiens Präsident relativiert Kritik an den Schweizer Behörden

(Keystone-SDA) Tunesiens Präsident Moncef Marzouki hat seine kürzlich geäusserte Kritik an der Schweiz wegen der Rückgabe der Ben-Ali-Gelder relativiert. Gleichzeitig betonte er die Dringlichkeit, dass die rund 60 Millionen Franken bald nach Tunesien kämen.

Er habe nie irgendjemanden beschuldigt, sagte Marzouki in einem am Freitag gesendeten Interview mit dem Westschweizer Radio RTS. Vor gut zehn Tagen hatte er gegenüber dem Westschweizer Fernsehen RTS gesagt, die Schweiz solle mit der Überweisung des Geldes nicht 50 Jahre lang warten “wie das mit dem Geld der Juden gemacht worden ist”.

Aussenminister Didier Burkhalter hatte am vergangenen Montag im Nationalrat erklärt, der Bundesrat sei erstaunt gewesen über die Äusserungen Marzoukis. Das Vorgehen des Präsidenten sei “unangemessen”.

Dieser relativierte im Radio-Interview frühere Aussagen. Er begrüsse die Haltung der Schweiz, die Gelder des Ben-Ali-Clans als eines der ersten Länder zu blockieren und sie zurückzuerstatten.

Milliarden gestohlen

Nur die Schweizer hätten die technischen Möglichkeiten, Gelder aufzuspüren von mafiös vorgehenden Personen, die “uns Milliarden um Milliarden gestohlen hatten”, sagte Marzouki am Freitag. Die Schweiz habe die Spezialisten um Tunesien zu helfen diese Gelder zu finden.

Diese Arbeit sei eine Hilfe an die tunesische Demokratie und ein Warnzeichen für alle Diebe und Korrupten. Die in der Schweiz blockierten Gelder aus dem Umfeld des gestürzten tunesischen Machthabers Zine al-Abidine Ben Ali seien vielleicht ein Tropfen auf den heissen Stein, “aber wir brauchen diesen Tropfen”, betonte Marzouki erneut die Wichtigkeit der baldigen Rückgabe der Gelder.

Die Gespräche zwischen Tunesien und der Schweiz werden am Wochenende fortgesetzt. Bundesrätin Simonetta Sommaruga hält sich ab Samstag zu einem dreitägigen Besuch in Tunesien auf.

Menschliche Würde

Der tunesische Präsident sprach am Freitag in Genf an der Jahreskonferenz der Internationalen Organisation für Arbeit (ILO). In der Entwicklung von Ländern wie Tunesien brauche es einen “neuen Weg”.

Das Entwicklungsmodell, das auf Überschuldung und Arbeitslosigkeit basiere, müsse überprüft werden. Es brauche eine Entwicklung, die auf die menschliche Würde Rücksicht nehme. Gelegenheit dazu böten die aktuelle Wirtschaftskrise und der arabische Frühling.

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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