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Zusammenbauen und punkten – des Trainers Dilemma

(Keystone-SDA) GC ist nebst Thun die Mannschaft, die mit lauter Niederlagen in die Super League gestartet ist. Frühe Niederlagen, früh ein Platz am Tabellenende sind das, was jeder Trainer zu verhindern versucht.

Idealerweise kann der Trainer möglichst viele Komponenten seines Kaders und seines Spielsystems von einer Saison in die nächste hinübernehmen. In diesem günstigen Fall kann er von Anfang an – und ohne eine Entschuldigung anführen zu können – auf die Punktejagd gehen.

Im aktuellen Fall der Grasshoppers sieht Carlos Bernegger nichts Ideales vor sich. Die Mannschaft musste sich in der vergangenen Saison bis weit in den Frühling hinein ernsthaft gegen den Abstieg wehren. Die im Kader für die neue Meisterschaft verbliebenen Spieler sind keine, die siegesgewohnt sind. Dies im Unterschied zu den Spielern des Rivalen FC Zürich, die sich im schwächeren Niveau der Challenge League mit 26 Siegen in 36 Spielen schadlos gehalten haben.

Bernegger hatte nicht nur die Aufgabe, seine Leute in wenigen Wochen von Verlierern auf Sieger umzupolen. Auch musste er das Kader wie ein nagelneues Puzzle zusammenfügen. Die Grasshoppers waren nebst Lausanne und vielleicht noch Lugano die Mannschaft mit der grössten Fluktuation in der Transferzeit – jedenfalls was potentielle Stammspieler betrifft. Die Abgänge der treffsicheren Zwillingsstürmer Munas Dabbur und Caio taten nicht nur Bernegger weh, sondern dem ganzen Klub und den Fans. Der nach drei Jahren zurückgekehrte Stürmer Albion Avdijaj war zuletzt selbst bei Absteiger Vaduz keine bestimmende Figur gewesen. Er spielte nur 23 Mal und erzielte nur drei Tore – und galt als sogenannter Chancentod.

Carlos Bernegger ist nicht bereit, auch nur ein Wort über die zahlreichen Änderungen im Kader und die Abgänge der Topstürmer zu verlieren. Anstatt zu jammern, formuliert er seine vordringliche Aufgabe: “Ich muss eine neue Mannschaft formen.” Für den Schweiz-Argentinier wäre dies zwischen den Saisons viel einfacher umzusetzen, als wenn er den Hauptteil der Aufbauarbeit verrichten muss, wenn die Meisterschaft schon läuft. So aber steckt er – wie nicht wenige seiner Kollegen in anderen Klubs – in einem Dilemma. Er müsste einerseits konstruieren und wohl die verschiedensten Dinge im Spiel ausprobieren. Und gleichzeitig müsste er Punkte holen, damit GC nicht schon von Anfang an wieder in einer ungemütlichen Lage in den hintersten Rängen ist.

Nach zwei Runden haben die Grasshoppers noch keine Punkte auf dem Konto und keinen Spielernamen in der Torschützenliste. Die Leistungen beim 0:2 im Derby gegen Zürich wie auch beim 0:4 gegen die Young Boys waren mehr ernüchternd als ermutigend. Noch stehen 34 Runden bevor. Aber Bernegger weiss, dass sich die ersten Erfolgserlebnisse schon sehr bald einstellen müssen. Schon am Sonntagnachmittag im Auswärtsspiel gegen Luzern? Mit diesem Match kehrt Bernegger für wenige Stunden dorthin zurück, wo er 2013 seinen ersten Posten als Cheftrainer antrat. “Ich habe noch sehr gute Erinnerungen an Luzern”, sagt er. Die Erinnerungen werden noch besser werden, wenn er von dort Punkte mitnimmt. Einen Punkt, noch besser drei.

Die drei Spiele der Super League vom Sonntag im Überblick:

Luzern – Grasshoppers (4:3, 2:3, 1:1, 1:4). – Anspielzeit: 16.00 Uhr. – SR Tschudi. – Absenzen: Schindelholz, Alves und Arnold (alle verletzt); Basic (verletzt). – Statistik: Null Punkte, 0:6 Tore, andauernde Hilflosigkeit vor dem gegnerischen Tor: Carlos Bernegger hätte sich mit dem recht stark veränderten Kader der Grasshoppers einen anderen Saisonauftakt gewünscht. Immerhin geht es am Sonntag auswärts gegen den Gegner, gegen den die Zürcher letzte Saison elf Tore erzielten – mehr als gegen jede andere Mannschaft. Die direkten Duelle seit April 2015 erbrachten eine ausgeglichene Bilanz. Jede Mannschaft gewann drei Mal, drei weitere Spiele endeten unentschieden. Luzern könnte den zweiten Saisonsieg nach dem 1:0 gegen Lugano brauchen, um sich weiter von der Unruhe zu entfernen, die im Sommer im Verein und in der Mannschaft geherrscht haben.

St. Gallen – Sion (1:2, 2:1, 2:1, 1:1). – Anspielzeit: 16.00 Uhr. – SR Klossner. – Absenzen: Adonis Ajeti und Toko (beide verletzt); Cümart, Carlitos, Mveng und Di Marco (alle verletzt). – Statistik: Der Saisonstart der Walliser unter dem neuen Trainer Paolo Tramezzani ist sehr zwiespältig ausgefallen. Den 1:0-Siegen in Thun und Lausanne steht die in dieser Form niemals erwartete Blamage in der Europa-League-Qualifikation gegen eine unbekannte litauische Mannschaft gegenüber. Das dritte Auswärtsspiel in der 3. Super-League-Runde führt Sion zu einem Gegner, der seinerseits beim 3:3 in Lausanne zum Saisonstart zwei Gesichter zeigte. In der Ostschweiz wollen sie unter der neuen Klubführung den Schwung weiterziehen, den im Frühling Trainer Giorgio Contini hineingebracht hat. Sion gewann in St. Gallen zuletzt im Mai 2015 – 1:0 durch ein Tor von Moussa Konaté.

Young Boys – Lausanne (7:2, 2:1, 0:0, 2:0). – Anspielzeit: 16.00 Uhr. – SR Jaccottet. – Absenzen: Seferi (verletzt); – . – Fraglich: Von Ballmoos; – . – Statistik: Nach dem Triumph gegen Dynamo Kiew kehren die Young Boys in den profanen Wettbewerb der Super League zurück – gegen einen Gegner, den sie mit ihrer zu Beginn der Saison offenbarten Stärke im Stade de Suisse deutlich dominieren müssten. Es ist nicht auszuschliessen, dass es ein farbenfrohes und torreiches Spiel geben könnte wie vor einem Jahr, als YB den Gegner mit einem 7:2 entliess. Lausannes Stärke liegt jedoch seit vielen Monaten in den Auswärtsspielen. Auf der Pontaise dagegen sind die Waadtländer seit 15 Partien sieglos. Fast alle Punkte, die sie ab September 2016 für den am Ende ungefährdeten Ligaerhalt ergatterten, holten sie in fremden Stadien. Gegen YB siegte Lausanne in der Meisterschaft letztmals im November 2012 (2:1 daheim). Im April 2012 hatten die Waadtländer letztmals in Bern gewonnen (3:1). Die Bilanz ab April 2013 spricht jedoch mit acht Siegen und einem Unentschieden deutlich für die Mannschaft von Trainer Adi Hütter.

Die Rangliste der Super League vor den Sonntagsspielen

1. Zürich 3/7 (4:1). 2. Young Boys 2/6 (6:0). 3. Sion 2/6 (2:0). 4. Basel 3/6 (6:3). 5. Luzern 2/3 (2:3). 6. St. Gallen 1/1 (3:3). 7. Lausanne-Sport 2/1 (3:4). 8. Lugano 2/1 (0:1). 9. Grasshoppers 2/0 (0:6). 10. Thun 3/0 (1:6).

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