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Zwei Züge sind die heimlichen Stars der Gotthard-Eröffnung

Feuerwerk für einen der beiden heimlichen Stars des Gotthard-Eröffnungsfest: Der ICN, der im Tessin gestartet ist, kommt beim Nordportal aus der Röhre. KEYSTONE/LAURENT GILLIERON sda-ats

(Keystone-SDA) Applaus für zwei ICN: Die beiden Eröffnungszüge, die als erste mit 1000 Passagieren durch den Gotthard-Basistunnel fuhren, waren die heimlichen Stars der Eröffnungsfeier. Die hohen Gäste stiessen erst danach dazu.

Lange Zeit war es am Mittwochmorgen ruhig in Rynächt UR beim Nordportal des Gotthard-Basistunnels. Der Nebel klebte an den Hängen. Nur die vielen Polizisten und Armeeangehörigen deuteten darauf hin, dass eine Feier mit hohen Staatsgästen anstand.

Doch dann füllte sich das Areal, das erst nach einer an einen Flughafen erinnernde Sicherheitskontrolle betreten werden konnte, mit den geladenen Gästen. Kostümierte Gestalten tauchten bei der Betonhalle auf, in der die Feier stattfinden sollte. Polizisten mit Hunden suchten ein letztes Mal das Gelände ab.

Kahler Festort

Der Festort – die langgezogene Betonhalle – hätte für ein freudiges Ereignis kahler nicht sein können. Die Gäste sassen sich gegenüber, wirkten etwas verloren und äugten nach rechts und nach links, ob sie Angela Merkel, François Hollande oder Matteo Renzi erblicken konnten. Vergebens: Die hohen Gäste glänzten noch mit Abwesenheit.

Für Erheiterung sorgte dann ein herzlicher Lacher von Verkehrsministerin Doris Leuthard, die mit Gästen beim Südportal war. Sie wurde live zugeschaltet und teilte sich mit dem Bundespräsidenten die Begrüssungsrede.

Stimmung in der Halle kam dann auf, als Schneider-Ammann den beiden Eröffnungszügen das Abfahrtssignal gab. Gleichzeitig fuhren die ICN im Norden und Süden in den Tunnel – die Gäste, die dies in der Halle auf Grossleinwänden verfolgten, applaudierten begeistert.

Buntes Spektakel

Dann folgte ein rund halbstündiges Spektakel mit 600 Beteiligten, das die Gotthard-Region fantasievoll als Welt der Mythen präsentierte: Eine Kutsche raste durch die Betonhalle, Scharen von Bauarbeitern marschierten zu martialischer Musik auf – und dann zog fröhliche Italianità ein.

Die Gäste strömten aus der Halle zum Bahngleis. Der Nebel war der Sonne gewichen – die perfekte Kulisse, um den Eröffnungszug winkend zu begrüssen. In Luzern angekommen, äusserten sich die Premierenpassagiere begeistert über die neue schnelle Verbindung in den Süden. Eine Teenagerin aus dem Kanton Schwyz freute sich schon auf Shoppingausflüge nach Bellinzona.

Unterdessen waren fast gleichzeitig Angela Merkel und Matteo Renzi in Autokonvois im Rynächt eingetroffen. François Hollande folgte ein wenig später. Sie wurden von Bundespräsident Schneider-Ammann empfangen. Zeit für Gespräche blieb allerdings nicht viel: Schon kurze Zeit später machten sich die hohen Gäste zu Fuss auf in Richtung Sonderzug und nahmen dort in einem Extrawagen Platz.

Ein chinesisches TV-Team filmte den Sonderzug. Während der Fahrt war ausnahmsweise die Tunnelbeleuchtung eingeschaltet – damit man sieht, wie sauber der Tunnel ist, wie es in einer Lautsprecherdurchsage hiess. Ruhig glitt der Zug auf den neuen Schienen Richtung Süden, kaum bemerkt wurden bei der Durchfahrt die Notstationen unterhalb von Sedrun GR und Faido TI.

Heisshunger: Essen statt Reden

Im heissen Festzelt von Pollegio folgte dann ein Redenmarathon der Regierungschefs. Die über tausend Gäste stürzten sich aber hungrig auf das bereitstehende Essen. Die Rede, die der italienische Verkehrsminister Graziano Delrio für den bereits wieder abgefahrenen Renzi hielt, ging im Lärm fast unter.

Besser erging es Merkel. Die deutsche Kanzlerin wurde mit tosendem Applaus empfangen. Der Gotthard-Basistunnel stehe symbolhaft für das Verbindende, sagte sie. Auch die Ironie von Hollande kam an. Mit Blick auf die Bahnstreiks in Frankreich erklärte er, dass die Züge in seinem Land nicht mit Tempo 200 fahren könnten.

Der letzte Höhepunkt des Tages gehörte aber wieder Bundespräsident Schneider-Ammann. Er durchschnitt ein Band und eröffnete damit offiziell den 57 Kilometer langen Tunnel. Die Gäste erhoben sich zur Nationalhymne. Dann sorgte die Patrouille Suisse, die mit ihren Fliegern einen Tunnel an den Himmel zauberte, für einen lärmigen Schlusspunkt.

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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