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Patrick Baumann - ein Leben im Dienst des Basketballs

Seit 2003 ist der Basler Patrick Baumann Generalsekretär des Internationalen Basketball-Verbandes (FIBA). Er ist seit kurzem auch Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC).

Seit frühester Jugend bestimmt der orange Ball den Rhythmus seines Lebens. Erst war er Spieler, dann Trainer und Schiedsrichter. Schliesslich wechselte er vom Spielfeld in die Teppichetage, um “seinen” Sport zu fördern.

swissinfo: War für Sie die Ernennung zum Mitglied des IOC diesen Sommer eine Genugtuung?

Patrick Baumann: Die Aufnahme war ganz klar ein Ziel für den FIBA. Was mich angeht, möchte ich lieber von einer aussergewöhnlichen Chance und einem grossen Privileg sprechen, denn ich bin noch jung und brauche Zeit zum Lernen.

Glücklicherweise werde ich dabei auf meine vier Schweizer Kollegen zählen können (A.d.R.: Denis Oswald, René Fasel, Sepp Blatter und Gian-Franco Kasper), die das Getriebe der Organisation gut kennen.

swissinfo: Gerade die Schweiz ist in den Führungsorganen des Weltsports sehr gut vertreten, und viele Sportverbände haben ihren Sitz in unserem Land. Wie erklären Sie sich das?

P.B.: Es ist wahr, die Schweizer sind gut vertreten. Unsere Eigenschaften wie die Mehrsprachigkeit, die Vielfalt der Kulturen oder die Neutralität sprechen zu Gunsten von Schweizer Kandidaten. Aber ob Schweizer oder nicht: Nach der Wahl müssen Resultate her! Dieses Erfolgsstreben ist allen Menschen eigen, unabhängig von ihrer Nationalität.

Für den FIBA wie auch für viele andere Sportverbände bietet die Schweiz ein interessantes Umfeld. Die Behörden kennen die Arbeit unserer Organisationen und berücksichtigen deren besondere Bedürfnisse, namentlich im Bereich der Steuern. Weitere Trümpfe sind die Stabilität und die Neutralität des Landes. Als der FIBA seinen neuen Sitz wählen musste, erinnerte sich der Verband daran, dass er vor 75 Jahren in Genf gegründet wurde.

Ganz allgemein hat unser Land eine charismatische Ausstrahlung und spielt auf internationaler Ebene eine Rolle. In vielen Köpfen stellt die Schweiz weit mehr dar als nur Banken, Uhren und Schokolade. Hingegen mache ich mir Sorgen über das Niveau des Basketballs hierzulande, da bleibt noch viel zu tun.

swissinfo: Aber es gibt doch den “Sefolosha-Effekt”. Der Erfolg dieses Spielers in Nordamerika verleiht dem Schweizer Basketball Flügel.

P.B.: Absolut und umso besser. Auf unsere Nationalmannschaft dürfen wir stolz sein, und sie verdient unsere Unterstützung, auch wenn sie ein wenig versagt hat beim Versuch, an die europäische Elite heranzukommen. Für den Schweizer Basketball ist es eine grosse Chance, vom Können eines aussergewöhnlichen Spielers wie Thabo Sefolosha zu profitieren. Es besteht immer ein ganz direkter Zusammenhang zwischen dem Erfolg eines NBA-Spielers und dem Fortschritt des Basketballs in seinem Herkunftsland.

Junge Spieler eifern ihrem grossen Vorbild nach, und eine dynamische Szene ist entstanden. Diese Begeisterung gilt es von der Sportindustrie und dem Schweizer Basketballverband zu nutzen. Zum Beispiel muss das Angebot an Trainingsmöglichkeiten in den Turnhallen vergrössert werden. Wir haben in der Schweiz strukturelle Probleme, die rasch gelöst werden müssen. Thabo Sefoloshas Erfolg ist eine einmalige Chance, die wir nicht vergeben dürfen.

swissinfo: Das ist doch die Gelegenheit, Basketball in der Deutschschweiz bekannter zu machen.

P.B.: Dazu braucht es Resultate auf dem Spielfeld. Die Westschweiz und der Tessin sind Nachbarn von Frankreich und Italien, zwei Länder, die über eine sehr lange Basketball-Tradition verfügen und Meisterschaften von sehr hoher Qualität durchführen. Deutschland hat noch nicht dieses Niveau, doch die Fortschritte sind enorm. Die Deutschschweiz wird davon profitieren, doch zur Zeit gibt es in der Nationalliga A nur gerade einen Deutschweizer Club aus der Region Basel.

Darum ist es sinnvoll, Matches der Schweizer Nationalmannschaft in Zürich zu organisieren und im Fernsehen zu übertragen, wie dies kürzlich geschah.

Basketball ist spektakulär und hat sich in den letzten 15 Jahren verändert, vor allem seit den Olympischen Spielen 1992. Überall auf der Welt wird Basketball gespielt, und das Spiel hat an Attraktivität gewonnen, dank intensiveren athletischen Duellen.

swissinfo: Doch die Meisterschaft der amerikanischen Profiliga NBA prägt weiterhin den Basketball?

P.B.: Die NBA ist ein ausgezeichnetes Werkzeug für die Förderung des Basketballs. Einerseits ist sie ein kommerzielles Unternehmen und muss für die Clubbesitzer Gewinn abwerfen, andererseits ist die Liga als Teil des amerikanischen Verbandes verpflichtet, ihre Spieler den Nationalmannschaften und somit auch dem Basketball in der Welt zur Verfügung zu stellen.

Natürlich gibt es auch Spannungen, insbesondere was die Terminplanung und das Doping betrifft. Die NBA zeigt beispielsweise zu wenig Flexibilität und Transparenz bei der internationalen Harmonisierung von Kontrollen und Sanktionen. Doch unser Sport blieb bislang mehr oder weniger von Dopingfällen verschont, und wenn es doch welche gab, dann handelte es sich meistens um Gesellschaftsdrogen wie Marihuana.

swissinfo: Was macht die Welt des Basketballs für Sie so anziehend?

P.B.: Ich bin zum Teil im sportverrückten Italien aufgewachsen. Aus verschiedensten Gründen habe ich vom Fussball zum Schwimmsport gewechselt und bin plötzlich beim Basketball gelandet, wo ich dann auch geblieben bin. Als ich für mein Studium in die Schweiz zurückgekehrte, war das Basketballspielen ein tolles Mittel, um neue Bekanntschaften zu machen. Schliesslich hat mir die Aufnahme in die Schiedsrichtergilde sehr geholfen, mich in der Schweiz wieder zu integrieren.

Es war mein Glück, dass die FIBA einen Juristen suchte. Für die Entscheidung brauchte ich nur wenige Sekunden. Ich liess alles stehen, ging nach München und stellte mich in den Dienst dieses Sports, meiner grossen Leidenschaft. Zum Spielen fehlt mir leider die Zeit; entweder sitze ich in einem Büro oder bin in einem Flugzeug unterwegs.

Die Opfer, welche die Familie bringen muss, sind jedoch beträchtlich. Ich bedaure sehr, nicht mehr Zeit mit meinen Kindern und meiner Frau zu verbringen, die mich enorm unterstützen. Doch dies ist der Preis, den ich für den gewählten Weg zahlen muss.

swissinfo-Interview: Mathias Froidevaux
(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)

Patrick Baumann wurde am 5. August 1967 in Basel geboren. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.

Patrick Baumann verbrachte viele Jahre im Ausland und machte schliesslich eine klassische Matura in San Remo, Italien. Er studierte in Lausanne und Lyon und erlangte 2001 ein MBA der Universität Chicago. Baumann spricht fünf Sprachen (Französisch, Deutsch, Italienisch, Englisch und Spanisch).

Im Jahr 1994 trat er als Jurist in den FIBA ein, bevor er zum stellvertretenden Generalsekretär und 2003 zum Generalsekretär gewählt wurde.

Dieses Jahr wurde er anlässlich der 119. Session der Olympischen Bewegung in Guatemala City als Mitglied des IOC gewählt. Damit ist er das fünfte Schweizer Mitglied dieses auserlesenen Kreises, dem bereits Denis Oswald, René Fasel, Sepp Blatter undt Gian-Franco Kasper angehören.

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