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Alois Carigiet – Beruf und Berufung

Alois Carigiet: Visionäre Landschaft 1947. Bündner Kunstmuseum Chur

Eine Ausstellung im Kunstmuseum Chur zum 100. Geburtstag von Alois Carigiet, würdigt das weitgehend unbekannte Frühwerks des "Schellenursli"-Schöpfers.

Alois Carigiet, 1902 in Trun im Kanton Graubünden geboren (1985 gestorben), gehört zweifellos zu den bekanntesten und populärsten Schweizer Künstlern des 20. Jahrhunderts. Sein Werk ist eng mit Graubünden, respektive dem Bündner Oberland verbunden. Das Alois Carigiet weit mehr war als das ihm immer wieder verleihene Etikett “Bündner Künstler” zeigt sich ausdrücklich in seinen frühen Arbeiten.

Korrigiertes Bild

Als der Churer Museumsdirektor Beat Stutzer vor rund zwei Jahren seinen Museumskollegen von seinem geplanten Carigiet-Projekt erzählte, erhielt er meist ein: “Na ja, Carigiet…, in Graubünden ist eine Ausstellung ja noch stimmig, aber…” Nun, liess sich Stutzer erstens nicht beirren, und zweitens zeigt die Aussage, wie unterbewertet das Werk Carigiets noch heute vielfach ist. Nicht nur von Museumsdirektoren. “Es ist”, sagt Stutzer, “eine Absicht dieser Ausstellung, das gängige Bild von Alois Carigiet deutlich zu korrigieren”.

Das ist dem Churer Kunstmuseum auf Eindrückliche Art gelungen; dem unbekannten Carigiet Raum zu verschaffen und so dem Publikum einen Einblick ins vielfältige Reich des Künstlers zu geben. Mit über hundert Gemälden, Zeichnungen, Pastellen, Plakatentwürfen (alles Originale) und ebenso den Vorlagen zum “Schellenursli”, zeigt die Ausstellung fast ausschliesslich Werke, die noch nie auf einer Ausstellung zu sehen waren. Viel Recherchearbeit war nötig, um Carigiets Arbeiten aus den 20er, 30er und 40er Jahre zu dokumentieren.

Schweizer Werbegrafik

Alois Carigiet wuchs als siebtes von elf Kindern in einer Bauernfamilie in Trun auf. In Chur lernte er 1918 den Beruf eines Dekorationsmalers und Musterzeichners. Nach der Lehre, die er mit Bestnoten abschloss, zog es ihn nach Zürich, wo der junge Bündner in einem Reklameinstitut ein Volontariat antrat. Bald war er mit allen grafischen Techniken vertraut, gewann erste Wettbewerbe und eröffnete ein eigenes Atelier im Zürcher Seefeld-Quartier.

Innert kürzester Zeit etablierte sich Carigiet als einer der gefragtesten und erfolgreichsten Gebrauchsgrafiker. Er schuf über hundert Plakate, Festdekorationen, Illustrationen, Schulwandbilder, Titelblätter für die “SBB-Revue” und immer wieder Aufträge für die Schweizerische Verkehrszentrale. Mit seinen besten Affichen und seinen originellen Bildkompositionen leistete Carigiet einen gewichtigen Beitrag zum weltweit ausgezeichneten Ruf der Schweizer Werbegrafik.

Malender Botschafter

Alois Carigiet wurde zu einem eigentlichen Botschafter für die Schweiz. Ein Umstand, der heute noch erfolgreich in der Tourismuswerbung genutzt wird. “Mit seiner Authentizität, seinem Werk zu Brauchtum und Geschichte, speziell der Bündner Geschichte ist er von unschätzbarem Wert für Graubünden”, wie Olivier Federspiel von Graubünden Ferien betont.

Bereits der erste Raum im Bündner Kunstmuseum beginnt mit einer Überraschung. Wir sehen Bilder aus Frankreich, Lappland, Schweden. Alois Carigiet war nicht nur – wie gerne erzählt wird und von Carigiet auch aufrechterhalten wurde – zwischen Broterwerb und Künstlertum zerissen, sondern verstand es durchaus, Beruf und Berufung zu verbinden. Er kannte die aktuellen Stilrichtungen seiner Zeit, reiste, nahm Auftragsarbeiten an und ging gleichwohl seiner Berufung als Maler nach.

Landesausstellung 1939

Ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist Carigiets offizielles Ausstellungsplakat der schweizerischen Landesaustellung 1939 in Zürich. Es zeigt an der untern Bildseite zuerst den Zürichsee, die Wahrzeichen Zürichs und darüber den Horizont samt Schneebergen. Dann die ganze Bildmitte füllend, frisch und froh die Schweizerfahne mit bunten Bändeln, die wiederum die Schweizer Wappen zieren. Das Plakat gilt als anschauliches Dokument für eine Zeit, in der man sich in der Abwehr gegen das Böse, gegen Totalitarismus auf heimatliche Werte besann.

Interessant dann der Vergleich mit dem ersten, nicht realisierten Entwurf. Hier sehen wir eine langgezogen Zürichsee, darüber fliegend vier weisse Möven, die wohl die Landesteile symbolisieren. Die Umgebung liegt in tiefstem Schwarz…

Alois Carigiet war sich seiner Zeit durchaus bewusst und liess den “Zeitgeist” auch in seine Bilder und Plakate einfliessen. Weiter sind in Chur einige seiner unvergleichlichen Vogelbilder ausgestellt. Erstmals ist das Tryptichon “Bussarde”, “Visionäre Landschaft” und “Eichelhäher” zu sehen. Das Vogelmotiv als uraltes Symbol für Freiheit und der Vogel als Verkörperung des Mysteriums. Und nicht zu vergessen: Alle “Schellenursli” Bilder im Original. Zeitlos und wunderschön. Nicht nur für Kinder.

Brigitta Javurek

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