Presseschau vom 22.07.2003
Unsachgemäss eingesetzte Spendengelder rütteln an der Glaubwürdigkeit der gemeinnützigen Organisationen. Und an derjenigen des Ausfsichtsorgans, der Zentralstelle für Wohlfahrtsunternehmen.
Weiteres Thema ist der Sommer-Thriller der Tour de France, an der die Radkönige nicht nur mit mitreissenden Efforts, sondern auch mit edlen Gesten für Begeisterung sorgen.
Die Paraplegikerstiftung von Doktor Zäch, Menschen gegen Minen und die Berghilfe, die an der Börse 16 Millionen Franken in den Sand setzte, sind die jüngsten Beispiele, wie Spendengelder fragwürdig verwendet wurden.
«Kontrolle verstärken», fordert die BERNER ZEITUNG. Denn Spender würden mit nicht sachgerecht verwendeten Geldern verunsichert.
«Wird ihr Vertrauen in die Hilfsorganisationen weiter derart strapaziert, droht der Spendenfluss zu versiegen. Dem kann nur mit einer rigorosen Kontrolle begegnet werden.»
Der Bund in die Pflicht nehmen
Gefragt sei hier der Bund, so die BZ. Sei es ihm mit der Kontrolle der gemeinnützigen Organisationen ernst, «muss er sich deutlicher hinter die Zewo stellen und ihr die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen, damit diese unabhängiger agieren kann».
Die LUZERNER ZEITUNG fragt sich: «Warum soll jemand einem Hilfswerk noch Geld spenden, wenn er nicht weiss, was genau mit seinem Geld passiert?» Um das Vertrauen wieder herzustellen, brauche es jetzt noch mehr Transparenz. Gefragt sei nicht Kapitaläufnung seitens der Organisationen, sondern direkte und rasche Hilfe am richtigen Ort.
«Die Zewo muss konkretere Regeln aufstellen, wie die Gelder verwaltet werden müssen», lautet das Fazit der NLZ. Eine Bewirtschaftung der Spendengelder sei sicher richtig, «aber bestimmt nicht mit riskanten Börsengeschäften».
Sieger und Verlierer als Helden der Passstrassen
Dramatik pur unter der heissen Sonne Frankreichs an der hundersten Tour de France der Pedaleure. Nur durch 18 Sekunden getrennt, starteten die Radler zur gestrigen Königsetappe, die ihrem Namen vollauf gerecht wurde.
Erst attackierte Jan Ullrich am Tourmalet den Leader Lance Armstrong, dann stürzte der Amerikaner im Schlussaufstieg – und siegte am Schluss trotzdem 41 Sekunden vor seinen Verfolgern.
«Sturz gab Lance den Kick», so der BLICK. «Armstrongs Sturz brachte Ullrich zu Fall.» Doch die Sympathien gelten dem Wahlschweizer Ullrich, der seit Ende 2002 im thurgauischen Scherzingen lebt.
«Jan erobert unsere Herzen». Dies mit seiner noblen Geste, als er nach dem Sturz des Mannes in Gelb das Tempo drosselte, bis dieser wieder in der Spitzengruppe war, und kurz darauf unwiderstehlich antrat.
Die NEUE LUZERNER ZEITUNG spricht vom «Tag des Giganten», Lance Armstrong habe zurückgeschlagen. «Im Drama der Pyrenäen wankte er, fiel sogar, aber er stürzte nicht aus dem Radsporthimmel, den er sein 1999 beherrscht.» Entschieden sei noch nichts, aber der Amerikaner habe jetzt seinen fünften Tour-Sieg vor Augen.
Etappe für die Tour-Geschichtsbücher
«Une étape qui restera dans la légende», klassifiziert die Genfer Zeitung LE TEMPS. Eine Etappe, die zur Legende werden wird. Weil sie mit dem Brandzeichen versehen gewesen sei, das die Essenz des Radsports ausmache: Unmittelbare Nähe von Niederlage und Exploit.
«Schon fast kitschig» findet der TAGES-ANZEIGER, wenn an der Tour zwei so unterschiedliche Helden um jede Sekunde kämpften und sich dabei auch noch ritterlich verhalten und mit grösstem Respekt begegnen würden.
«Stürze, Dramen, der Kampf gegen die unmenschliche Hitze, mutige Vorausfahrten und eine Spannung, wie wir sie seit dem 8-Sekunden-Showdown zwischen Greg LeMond und Laurent Fignon im Jahr 1989 nicht mehr erlebt haben.»
Im Zeitfahren vom Samstag könne Ullrich den Tour-Sieg noch immer erreichen, so der TAGI. Aber: «Es wäre fast zuviel des Guten.»
swissinfo, Renat Künzi

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