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Rechtsextremismus: Schwedisches Ausstiegsmodell

Die kahlgeschorenen Köpfe rechtsextremer Aktivisten. Keystone

In Schweden läuft seit drei Jahren ein Programm, das Neo-Nazis den Ausstieg aus der Szene erleichtern und sie vom faschistischen Gedankegut wegbringen soll. Der Projektleiter war am Montagabend (11.12.) in Bern, um über die Erfahrungen zu berichten.

Kent Lindahl ist ungefähr 1,90, durchtrainiert, mit Kurzhaarschnitt und feiner Brille. Er ist der Leiter der schwedischen Organisation «Exit», die Skinheads den Austritt aus der Szene ermöglicht. Seine Hemdsärmel verdecken die tätowierten Arme nur ungenügend, es sind Relikte des Hasses: Er war während neun Jahren eine wichtige Figur in der schwedischen Naziszene.

Keine Reprogrammierung

«Wir wollen die Leute nicht reprogrammieren, sie müssen nachher nicht alle Lebewesen lieben. Aber sie sollen von den Generalisierungen wegkommen», erklärte Kent Lindahl an einer Veranstaltung des «Archivs Schnüffelstaat Schweiz» (ASS) in Bern das Ziel des Programmes. Doch die ideologische Diskussion steht nicht am Anfang des Ausstiegs, meist müssen sich die ausstiegswilligen Skinheads mit Behörden wie Justiz oder Polizei herumschlagen – oder sie rufen bereits aus dem Gefängnis an.

«Exit» hilft bei der Wohnungssuche, besorgt Ausbildung oder Arbeit. Lindahl: «Der Ausstiegswille muss da sein, wir sind keine Job-Vermittlung für Nazis. Aber oft muss diese praktische Seite angegangen werden, damit sie aus dem Umfeld herauskommen.» Falls nötig besorgt «Exit» den Ex-Nazis in Zusammenarbeit mit den Behörden eine neue Identität, die ihnen einen neuen Anfang ermöglicht.

«Wir sprechen nicht von Abspringen, wir sprechen von Leuten, die ihr Leben neu überdenken.» Die Aussteiger – nur eine verschwindene Anzahl ist weiblich – müssen keine Kameraden denunzieren, aber ein einfacher Weg an der Justiz vorbei ist es nicht. Lindahl: «Wenn jemand in unserm Programm ist, kann das vor Gericht mildernd wirken, mehr aber nicht.»

Nicht alle schaffen den Ausstieg. Von den rund 100 Personen, die am Programm teilnahmen, wurden 7 herausgeworfen, weil sie sich nicht klar genug abgrenzten. «In den Gesprächen wird klar, wer wirklich raus will», sagt Lindahl.

Schwedisches Modell für die Schweiz?

Lindahls Modell ist auf die schwedische Gesellschaft zugeschnitten, und mit ihm steht ein glaubwürdiger Mensch den Nazis gegenüber. Die Idee könnte jedoch Ansätze für die Schweiz bieten: «Die Intelligenteren machen sich irgendwann Gedanken, wer aber nicht so stark ist, braucht Unterstützung.» Doch der politische Wille muss vorhanden sein. Lindahl zur Projektfinanzierung durch den Staat: «Nicht alle Politiker schätzen unsere Arbeit, aber für das nächste Jahr wurde das Budget bewilligt.»

Philippe Kropf

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