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Am Sonntag sollen sie lesen – nicht ruhen

Keystone

In die Landschaft der Schweizer Sonntags-Zeitungen kommt Bewegung. Der Verlag der Mittelland-Zeitung lanciert eine vierte, überregionale Sonntagszeitung für die Deutschschweiz.

Konzeptionell konzentriert sich “Sonntag” stärker als die etablierte Konkurrenz auf den lokalen Markt. Dennoch will das Blatt in der ganzen Schweiz Leser gewinnen.

“Früher ging man am Sonntag in die Kirche, heute liest man Zeitung”, begründete Peter Wanner bereits vor einem Jahr seinen Entscheid für eine neue Sonntagszeitung.

Der Verleger der Mittelland-Zeitung untermauert das Unterfangen mit den Bedürfnissen der Werbewirtschaft. “Sie belegt mit Vorliebe die Sonntagsblätter auf Kosten der Tageszeitungen.“

Der Markt der Sonntags-Zeitungen und der Gratis-Blätter gilt in der Branche als Wachstumsmarkt. Tageszeitungen hingegen leiden tendenziell unter einem schleichenden Inseraten- und Leserschwund.

Opfer des Wandels sind auch Wochenzeitungen. So mussten vor wenigen Wochen gleich zwei Titel ihr Erscheinen einstellen. Die Wirtschaftszeitung Cash nach 18 und das Nachrichtenmagazin Facts nach 12 Jahren.

Dennoch scheint Potential vorhanden zu sein. Das Basler Beratungsunternehmen Prognos jedenfalls geht davon aus, dass der Zeitungs-Werbemarkt in der Schweiz bis 2010 um 13% auf 1,8 Milliarden Franken wachsen wird.

Mittelland im Zentrum

Das Verbreitungsgebiet der Mittelland-Zeitung ist dicht besiedelt und liegt zwischen den Polen Zürich, Basel und Bern. Bereits jeder zweite Haushalt liest in dieser Region eine Sonntags-Zeitung.

Wanner will mit seinem Projekt die Leser von der Zürcher Konkurrenz weglocken. Er setzt dabei neben dem typischen Themenmix der Sonntagspresse auf regionale Themen.

Wie die Mittelland-Zeitung wird auch Sonntag in sechs verschieden Lokalausgaben erscheinen. Die lokalen Sportresultate nehmen auf zwei Seiten einen wichtigen Platz ein.

Mit dem Slogan “Endlich eine Sonntags-Zeitung, die nicht nur für Zücher gemacht ist”, spielt die Werbekampagne auf den Anti-Metropolen-Effekt des eher ländlichen Kern-Zielgebietes.

Zeitbuget ausgelastet

Louis Bosshart sieht im Konzept einen Wettbewerbs-Vorteil: “Aus meiner Sicht hat Sonntag eine Chance. Der Bedarf nach Informationen aus dem persönlichen Lebensraum ist gross”, führt der Medienwissenschafter an der Universität Freiburg gegenüber swissinfo aus.

Der Markteintritt der neuen Sonntags-Zeitung werde generell zu einer Verdrängung führen, der Konkurrenzdruck härter werden. “Die Leser werden ihr Zeitbudget am Sonntag kaum ausweiten.”

Im angestammten Verbreitungsgebiet der Mittelland-Zeitung kann der Verlag auch auf die bestehenden Abonnenten zurückgreifen. In der übrigen Schweiz muss sich Sonntag am Kiosk durchsetzen.

In diesem Bereich beurteilt Otfried Jarren, Direktor am Institut für Publizistikwissenschaft der Universität Zürich die Marktchancen des neuen Blattes eher pessimistisch. “Es besteht kein Potential für weitere, national verbreitete Sonntags-Zeitungen.”

Primeurs en gros?

Jarren verweist zudem auf die hohen Vertriebs- und Produktionskosten einer Sonntags-Zeitung. “Eine Reise- oder Literaturbeilage beispielsweise ist relativ teuer, weil es dafür spezialisierte Redaktionen braucht.”

Die etablierten Sonntags-Zeitungen versuchen sich regelmässig nicht nur mit Lifestyle-Themen, People-Geschichten oder den neusten Trends in der Unterhaltungs-Elektronik zu profilieren, sondern auch mit Exklusiv-Geschichten aus dem Bundeshaus.

Auch Sonntag setzt auf eine gut dotierte Bundeshaus-Redaktion und erfahrene Journalisten. .”Wir werden Primeurs haben und mindestens so gute Geschichten bieten wie die etablierte Konkurrenz”, zeigt sich Sonntag-Chefredaktor Patrick Müller überzeugt.

swissinfo, Andreas Keiser

In der deutschen Schweiz sind bisher 3 nationale und 1 regionale Sonntags-Zeitung erschienen:

SonntagsBlick, seit 1969 bei Ringier AG, Zürich, Auflage: 280’280 Exemplare.

SonntagsZeitung, seit 1987 im Zürcher Tamedia-Verlag. Auflage: 201’358.

NZZ am Sonntag, seit 2002 im Verlag der Neuen Zürcher Zeitung, Auflage: 121’204.

Südostschweiz, seit Mai 2006 als regionale Sonntagszeitung in Chur. Auflage: 40’000.

In der französischsprachigen Schweiz existiert seit 1977 Le Matin Dimanche (Édipresse). Auflage: 217’392.

Im Tessin erscheint seit 1999 il caffè als Gemeinschaftsprodukt des Ringier Verlags und des Wirteverbandes Gastro Ticino. Auflage: 55’783. Davon wird der Grossteil (51’548) gratis verteilt.

Die MZ ist mit einer Auflage von 210’000 Exemplaren nach Blick und Tages Anzeiger die drittgrösste Tageszeitung der Schweiz.

Die MZ ist eine Mantelzeitung, welche 6 regional orientierte Kopfblätter in den Kantonen Aargau, Solothurn, Bern und Basel-Land umfasst.

Der neue Sonntag startet am 16. September 2007 mit einer Auflage von 240’000 Exemplaren.

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