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Amnesty stellt Schweizer Polizei an den Pranger

Auch die Polizei muss die Menschenrechte respektieren. Keystone

Von Polizisten begangene Menschenrechtsverletzungen bleiben in der Schweiz meist unbestraft. Diesen Vorwurf erhebt Amnesty International in einer am Montag publizierten Studie.

Amnesty (AI) fordert die Polizeikorps auf, die Menschenrechte besser zu respektieren. Die Konferenz der kantonalen Polizeidirektoren weist die Vorwürfe entschieden zurück.

Laut AI hat die Untersuchung ergeben, dass Schweizer Polizisten in den letzten drei Jahren in 14 Schweizer Kantonen zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen haben.

“In den meisten Fällen blieben die Verantwortlichen dieser Verletzungen straflos.” Die fehlbaren Polizeibeamten seien fast nie bestraft worden, weil es keine unabhängige und umfassende Untersuchung gegeben habe, erklärte Denise Graf, Juristin bei der Schweizer Sektion von AI.

Tod oder schwere Verletzungen

Zu den Übergriffen der Polizei sei es insbesondere bei Einsätzen gegen Asylsuchende, Schwarze, gegen Mitglieder der Anti-Globalisierungs-Bewegung, Fussballfans und Minderjährige gekommen.

AI habe dabei einige schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen festgestellt, die den Tod oder schwere Verletzungen von Menschen zur Folge hatten. Weiter seien Vorfälle entdeckt worden, die zwar weniger gravierend waren, für die Betroffenen und die Respektierung der Grundrechte aber von Bedeutung seien.

Bessere Ausbildung

Die Menschenrechtsorganisation fordert in ihrem Bericht “Schweiz: Polizei, Justiz und Menschenrechte” eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Sie empfiehlt unter anderem die Schaffung von unabhängigen Untersuchungs- und Beschwerdeinstanzen, um Klagen gegen die Polizei schnell und unparteiisch zu untersuchen.

Laut Denise Graf soll zudem den Menschenrechten in der Ausbildung mehr Beachtung eingeräumt werden, insbesondere auch bei praktischen Übungen.

Strenge Kriterien für private Firmen

Besonders kritisch betrachtet AI auch die Delegation von staatlichen Aufgaben an private Sicherheitsfirmen, da deren Personal eine mehr als lückenhafte Ausbildung erhalte. Für die Erteilung solcher Bewilligungen verlangt die Menschenrechts-Organisation strenge Anforderungen.

Und nicht zuletzt verlangt Amnesty die Schaffung eines Ehrenkodexes in allen Korps. Einzelne Kantone, wie etwa Neuenburg, kennen einen solchen bereits. Der Text habe zwar keinen bindenden Charakter, bilde aber einen moralischen Rahmen für die tägliche Arbeit, sagte der Neuenburger Polizeikommandant André Duvillard.

Empörte Reaktion

Polizeiverantwortliche kritisierten den Bericht von Amnesty über Menschenrechtsverletzungen in den Korps als unseriös. Zudem wiesen sie die Vorwürfe, wonach fehlbare Polizisten in den meisten Fällen durch die Justiz verschont blieben, vehement zurück.

“Der Bericht ist geprägt von Misstrauen gegenüber der Polizei, den Strafrechtsbehörden und den Gerichten”, sagte Karin Keller-Sutter, Vizepräsidentin der Konferenz der kantonalen Polizei- und Justizdirektoren (KKJPD).

Der Polizei werde unterschwellig unterstellt, sie agiere unverhältnismässig und sei latent rassistisch.

Auch Beat Hensler, Präsident der kantonalen Polizeikommandanten, findet es “fragwürdig”, wenn Amnesty behauptet, Gerichte würden jenseits des Rechtsstaates Polizisten schonen.

Und Max Hofmann, Generalsekretär des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamter (VSPB), stellte die Repräsentanz der 30 geschilderten Fälle angesichts 16’000 aktiver Polizisten in Frage.

swissinfo und Agenturen

AI wurde 1961 vom britischen Anwalt Peter Benenson gegründet.
1977 erhielt AI den Friedens-Nobelpreis für seine Anti-Folter-Kampagne.
Laut dem aktuellen Bericht hat AI im Jahr 2007 2,2 Mio. Mitglieder oder Anhänger in mehr als 150 Ländern.

Die Einführung eines Ethikkodexes, eine verbesserte Ausbildung, klare Regelungen oder Verbote für gefährliche Einsatzmittel wie z.B. den Taser (Elektroschockwaffe).

Unabhängige Untersuchungs- und Beschwerde-Instanzen auf kantonaler bzw. regionaler Ebene, um Klagen gegen die Polizei schnell und unparteiisch zu untersuchen und allfällige Rechtsverletzungen zu ahnden.

Klare Rahmenbedingungen für die Delegation von staatlichen Sicherheitsaufgaben an private Firmen.

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