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“Solche Netzwerke sind nicht so leicht zu zerschlagen”

Die An'Nur-Moschee im zürcherischen Winterthur steht seit längerem wegen angeblicher Radikalisierung junger Muslime in den Schlagzeilen. Keystone

Gestern sind bei einer Razzia in der berüchtigten An'Nur-Moschee in Winterthur und bei Hausdurchsuchungen vier Personen, darunter ein äthiopischer Imam, verhaftet worden. Geschlossen wurde das Gotteshaus nicht. Das sei nicht Aufgabe der Polizei, sagt Samuel Althof. Und mit der Schliessung sei das Problem noch lange nicht gelöst, so der Extremismus-Experte.

SRF News: Hat Sie die Razzia in der An’Nur-Moschee in Winterthur überrascht?

Samuel Althof: Nein, dieser Schritt hat mich nicht überrascht, denn es war ja schon seit einiger Zeit klar, dass es in der An’Nur-Moschee verschiedene Probleme gibt.

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SRF: Es gibt schon lange Hinweise darauf, dass in dieser Moschee radikale Prediger und Dschihad-Reisende verkehren. Man hat den Eindruck, dass lange zugewartet wurde.

Saïda Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam, kritisiert, dass die Behörden nicht früher reagiert haben: Es handle sich “nur um die Spitze des Eisbergs”, sagte sie gegenüber Radio 24. In den vergangenen Jahren habe es in dieser Moschee eine ganze Reihe von radikalen Imamen gegeben.

Der Dachverband der Islamischen Organisationen in Zürich (VIOZ), der fast alle Moscheen im Kanton vertritt, will in den kommenden Tagen prüfen, ob die An’Nur-Moschee ausgeschlossen werden soll. Dies sagte VIOZ-Sekretär Muris Begovic gegenüber verschiedenen Medien.

S.A.: Ja, man kann diesen Eindruck gewinnen. Aber ich denke, man muss damit sehr vorsichtig sein, denn: Die Polizeiarbeit hat nicht sehr viel mit einer Stimmung zu tun. Und auch nicht sehr viel mit einer Angst über ein bestimmtes Thema, das sich in der Öffentlichkeit wiederspiegeln kann. Wir hatten die Berichte über die An’Nur-Moschee im Fernsehen, im Radio und in den Zeitungen. Aus diesen Berichten entstand in der Öffentlichkeit das Bild, das an diesem Ort Vieles nicht richtig sei. Die Polizei richtet sich aber nicht nach den Meinungen, sondern nach den möglichen Straftatbeständen – zum Glück.

SRF: Die Behörden griffen nun mit einer Hausdurchsuchung ein. Hätte man diese Moschee nicht einfach gleich ganz schliessen sollen?

S.A.: Ich glaube nicht, dass es die Aufgabe der Polizei wäre, eine Moschee zu schliessen. Ausser, wenn man davon ausgehen kann, dass in dieser Moschee tatsächlich sehr gefährliche, staatsgefährdende Dinge vorgenommen werden, geplant werden, dass es dort vielleicht Waffen haben könnte. Dann wäre so ein Schritt möglich. Aber diese Hinweise scheint es anscheinend bis heute nicht gegeben zu haben.

SRF: Mit einer Schliessung würde man aber Extremisten ein Tummelfeld nehmen, wo sie zum Beispiel Dschihad-Reisende rekrutieren können.

S.A.: Das bin ich mir nicht so sicher, ob das wirklich so ist. Wenn man dieses Haus schliesst, dann bedeutet das eigentlich nur, dass man den Zugang geschlossen hat und dass man dem sozialen Netzwerk die Verknüpfung schwieriger macht. Aber wenn man weiss, wie diese Leute untereinander vernetzt sind, wie nahe zum Teil die Leute auch zueinander stehen, dann kann man sich vorstellen, dass diese Netzwerke nicht so leicht zerschlagbar sind.

Samuel Althof ist Extremismus-Experte und Leiter bei der Basler Fachstelle Extremismus und Gewaltprävention (Fexx).

Welche Massnahmen sind nötig, um die Radikalisierung junger Muslime zu verhindern? Ihre Meinung interessiert uns! 

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