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Angriff auf Statistik-Zentrum

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Die israelische Armee hat letzte Woche das mit Schweizer Hilfe aufgebaute palästinensische Statistische Amt in Ramallah besetzt und teilweise zerstört.

Die Gewalt in Israel und den Palästinenser-Gebieten eskalierte in den letzten Wochen erneut. Auf Selbstmord-Attentate von Palästinensern folgten militärische Aktionen der Israeli. Dazu gehörte auch die israelische Besetzung des Statistischen Amts der Palästinenser (PCBS) in der Nacht vom letzten Mittwoch auf Donnerstag.

“Um 23.00 Uhr marschierten rund 50 israelische Soldaten vor dem Zentrum auf. Sie wurden von zwei Panzern unterstützt. Die Israeli verhafteten die drei im Amt noch anwesenden Sicherheits-Leute”, erzählt Ahmed Sobh, bei den palästinensischen Behörden zuständig für Aussenbeziehungen.

Anstatt die Schlüssel der Sicherheits-Leute zu benützen, hätten die Israeli die Türen eingetreten. “Die Soldaten zerstörten Archiv-Boxen und beschlagnahmten mehrere Computer, Hunderte von Akten, Erhebungen und verschiedene palästinensische Untersuchungen sowie Dokumente der Finanzabteilung – um nach sechs Stunden endlich wieder abzuziehen.”

Politischer Hintergrund

“Mir ist völlig schleierhaft, was die Israeli mit dieser Aktion bezweckten”, sagt Sobh gegenüber swissinfo. “PCBS ist eine rein zivile Organisation, die Privaten und der öffentlichen Hand statistisches Material liefert.”

Israel versprach sich von der Aktion Beweise für Verbindungen zwischen palästinensischen Behörden und Terroristen. Dies erklärt Yafa bin Ari, Sprecherin des israelischen Aussenministeriums. “Wir hatten Informationen, dass sich im Statistischen Amt Belege dafür finden, dass die Terroristen von den palästinensischen Behörden unterstützt werden.”

Haben die Israeli gefunden, was sie suchten? “Wir sind auf entsprechende Dokumente gestossen”, sagt Yafa bin Ari. Dies sei unmöglich, widerspricht Sobh: “Im Statistischen Amt werden keine derartigen Materialien aufbewahrt.”

Schweizer Gelder

Die Schweiz unterstützte PCBS in den letzten Jahren mit Millionen-Beträgen – in Zusammenarbeit mit anderen westlichen Ländern. So bezahlten das Bundesamt für Statistik (BFS) und die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) 1997 1,8 Mio. Franken an eine Volkszählung in den palästinensischen Gebieten. Zudem wurde ein Teil der palästinensischen Statistiker vom BFS ausgebildet.

In den letzten zwei Jahren flossen insgesamt 817’500 Franken aus der Schweiz in das Zentrum. Während dieser Zeit förderte die Schweiz in erster Linie die Bereitstellung von statistischem Material zur Arbeitsmarkt- und Bildungssituation im Palästinenser-Gebiet.

Angriff auf die palästinensische Identität

Gemäss palästinensischen Angaben handelte es sich bei den Vorkommnissen der letzten Woche um die vierte israelische Aktion dieser Art seit dem Ausbruch der Intifada im Herbst 2000. In einem Communiqué ruft das palästinensische Statistische Amt “Kollegen weltweit” zum Protest auf und fordert die Rückgabe der konfiszierten Dokumente.

Das BFS liess mit seinem Protest nicht lange auf sich warten. BFS-Direktor Carlo Malaguerra empörte sich schon am Samstag über das israelische Vorgehen und sprach von einer “Tragödie”. Eine solche Aktion geschehe aus seiner Sicht nicht grundlos, gab sich Malaguerra überzeugt. Mit dem Vorgehen gegen das Statistische Amt in Ramallah zerstöre Israel “ein Symbol des zukünftigen palästinensischen Staates und die Identität eines Volkes”.

Zurückhaltung beim EDA

Weit zurückhaltender als das BFS gibt sich das Schweizer Aussenministerium (EDA). Laut Pressesprecherin Daniela Stoffel-Fatzer bemüht sich die Schweiz in erster Linie darum, das Programm “Statistisches Amt” weiterzuführen.

Immerhin besteht das EDA jedoch auf Aufklärung: “Wir fordern sowohl von palästinensischer als auch von israelischer Seite genaue Auskunft über die Vorkommnisse.” An eine darüber hinaus gehende Reaktion denkt das EDA derzeit nicht.

Elham Knecht, Felix Münger und Agenturen

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