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Anna Huber – Tänzerin zwischen den Welten

swissinfo.ch

Auf leisen Sohlen hat Anna Huber in Berlin viel Aufmerksamkeit erregt. Nach 17 Jahren kommt die inzwischen preisgekrönte Tänzerin und Choreographin nach Bern zurück – als Artist-in-Residence.

“Ich sehe mich als Reisende zwischen den Welten”, sagt die vielbeschäftigte Bewegungskünstlerin im Gespräch mit swissinfo.

Auf der Bühne ist Anna Huber ganz Körper. Die Hände werden zu Füssen, die Füsse ragen in die Luft, die Gliedmassen scheinen für Momente ein Eigenleben zu führen, isoliert vom Torso, schwebend. “handundfuss” heisst ihr jüngstes Tanzstück, das in Zusammenarbeit mit Fritz Hauser entstanden ist.

“Am wichtigsten ist für mich die ständige Suche”, sagt die zierliche Tänzerin im Gespräch. In jeder Produktion fordere sie sich selbst dazu heraus, etwas zu machen, das sie noch nicht kenne.

Die Neugier und die Lust am Risiko haben die Tänzerin 1989 im Alter von 24 Jahren von Bern nach Berlin getrieben, wo die Möglichkeiten für zeitgenössischen Tanz ungleich grösser waren als in der Schweiz. Seither ist Anna Huber unterwegs.

Nach Berlin kam sie für einen Workshop und wurde anschliessend für ein einjähriges Projekt engagiert. Es folgten Aufenthalte in Frankfurt und Wien. 1992 wurde sie für zwei Jahre am Staatstheater Cottbus im Osten Deutschlands angestellt, bevor sie nach Berlin zurückkehrte.

Nicht hier, nicht dort

Ihr “Stück mit Flügel” hat das Reisen und Unterwegs-Sein zum Thema gemacht. “Dieser Zustand des Dazwischen-Seins, den man nicht richtig fassen kann, wenn man an einem Punkt schon nicht mehr und am anderen noch nicht angekommen ist”, erklärt sie.

“hierundoderhierundoderhierundoderdort” ist ebenso eine Huber-Produktion wie das architekturspezifische Projekt “umwege” mit dem Schlagzeuger Fritz Hauser. Mit ihrer dritten Soloproduktion “in zwischen räumen” gelang ihr 1995 in Berlin der internationale Durchbruch.

“Wenn man als Choreographin international arbeitet, kann man gar nicht nur an einem Ort sein”, sagt Anna Huber. Auf ihr dreijähriges Engagement als Artist-in-Residence in Bern anspielend ergänzt sie: “Ich werde mich auch weiterhin hauptsächlich zwischen der Schweiz und Berlin bewegen.”

Zwischen Privatmensch und Bühnenfigur

Das Reisen biete ihr viel Inspiration, sagt Anna Huber: “Dieses Nomadische hat auch ganz direkt mit meinem Beruf zu tun, mit der Bewegung, und zwar körperlich wie geistig.” Das hält sie einerseits frisch und lebendig, gibt ihr andrerseits in gewissen Momenten aber auch das Gefühl, nirgends mehr zuhause zu sein.

Die Frage nach der Heimat stelle sich ihr immer wieder. “Das hat für mich mit Menschen zu tun, bei denen ich mich zuhause fühle, aber auch mit Erinnerungen an die Kindheit,” führt die Tänzerin aus.

Damals hatte sie zu tanzen begonnen, im Kinderballett. Als Jugendliche interessierte sie sich dann stark fürs Theater und wollte Schauspielerin werden. “Die Welt auf der Bühne faszinierte mich, und besonders die Transformation zwischen Privatmensch und Bühnenfigur”, erzählt Anna Huber.

Beim Ballett-Unterricht habe sie schliesslich realisiert, dass ihr die Ausdrucksmöglichkeiten des Körpers doch näher liegen als die Schauspielerei. “Beim Tanz bleibe ich mehr bei mir selbst, auch wenn der eigene Körper sich ständig transformiert.”

Mit neuem Blick

Ihre glücklichsten Momente erlebt Anna Huber, wenn ihre Stücke bei Gastspielen in der ganzen Welt die verschiedensten Menschen direkt berühren können. “Dass diese persönlichen und intensiven Arbeiten beim Publikum ankommen, ist immer wieder eine schöne Überraschung für mich”, erinnert sie sich.

Doch auf den Lorbeeren hat sie sich nie ausgeruht. Nach jeder Premiere weiss sie, dass sie bald mit dem nächsten Stück beginnen will.

Nun freut sich Anna Huber auf die nächsten drei Jahre Tanzarbeit in Bern. Nach ihrer langen Abwesenheit sieht sie die alte Heimatstadt nun mit neuem und frischem Blick und sagt: “In Bern hat sich viel verändert, insbesondere im Tanzbereich. Und Bern ist eine offenere, lebendigere Stadt geworden.

swissinfo, Susanne Schanda

In Deutschland leben 72’384 Schweizerinnen und Schweizer.
Nach Frankreich steht Deutschland damit an zweiter Stelle, was die Grösse der Schweizer Gemeinde angeht.
Weitere Schweizer Kulturschaffende in Berlin sind die Schriftsteller Matthias Zschokke und Silvio Huonder und der Regisseur Dani Levy.

1965 wurde Anna Huber in Zürich geboren. Aufgewachsen ist sie in Bern.

In Bern nahm sie bei Beatrice Tschumi und Leonie Stein Ballettunterricht.

1985-88 Tanzausbildung in Zürich.

1989 Weiterbildung und verschiedene Performanceprojekte in Berlin.

1992-94 arbeitete sie zwei Jahre am Staatstheater in Cottbus.

1995 kehrte sie nach Berlin zurück, wo sie seither zahlreiche Tanzstücke zur Aufführung brachte.

2002 erhielt sie mit dem Hans-Reinhart-Ring die höchste Auszeichnung im Schweizer Theaterschaffen.

Ab 2007 ist sie im Rahmen des gesamtschweizerischen Förderprogramms “Projekt Tanz” für 3 Jahre Artist-in-Residence in der Dampfzentrale Bern.

Das von Pro Helvetia, Stadt und Kanton Bern getragene Projekt ermöglicht Anna Huber finanziell gesichertes und kontinuierliches Arbeiten und erwartet dafür zwei neue Produktionen, sowie zahlreiche Gastspiele und Tourneen im In- und Ausland.

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