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Atom-Sperrvertrag: Schweiz enttäuscht

Eine pakistanische Rakete, die Atomsprengköpfe transportieren kann. Keystone

Lange schon setzt sich die Schweiz für die atomare Abrüstung ein. Sie ist enttäuscht, dass die Abrüstungs-Konferenz in New York ohne Resultat zu Ende ging.

Der Schweizer Delegations-Chef Jürg Streuli erklärt dies mit einer “unheiligen Allianz” zwischen Atom- und Schwellenländern.

“Der Abrüstungs-Vertrag ist geschwächt, aber es geht weiter”, sagt Jürg Streuli am Telefon aus New York gegenüber swissinfo. Der Leiter der Schweizer Verhandlungs-Delegation verhehlt seine Enttäuschung nicht, dass die Konferenz zur nuklearen Abrüstung ohne Ergebnis am Freitag zu Ende gegangen ist. Einen Monat lang hatten die Delegierten aus 188 Ländern in New York getagt.

Auch bei anderen Diplomaten und regierungs-unabhängige Organisationen herrscht Ernüchterung; sie sprachen von einer “vergeudeten Chance”. Das Abkommen sei nötiger denn je in einer Zeit, in der Nordkorea und Iran vermutlich atomare Programme entwickelten und die USA planten, ihre Verteidigung auch mit neuen taktischen Atomwaffen auszubauen.

Rad der Zeit zurückdrehen

Der frühere amerikanische Verhandlungsführer Thomas Graham sagte, er habe noch auf keiner Konferenz zum Nichtverbreitungsvertrag für Kernwaffen (NPT) eine derart pessimistische Stimmung erlebt. Er warf Washington vor, das Rad der Zeit zurückdrehen zu wollen und von Zusagen Abstand zu nehmen, die die US-Regierung bei den NPT-Konferenzen 1995 und 2000 gemacht habe.

Streuli hingegen betonte, dass diese Beschlüsse – welche die US-Regierung unter dem damaligen Präsidenten Bill Clinton unterschrieben hatte – weiterhin in Kraft blieben. Er gab sich denn auch verhalten zuversichtlich: Dass kein Konsens gefunden werden konnte, sei schade, aber keine Katastrophe. Es sei in der 35-jährigen Geschichte des Abrüstungsvertrages schon mehrmals zu Patt-Situationen gekommen, die später überwunden wurden.

Unheilige Allianz von USA und Schwellenländern

Ein Art “unheilige Allianz” zwischen Atommächten und Schwellenländern sieht Streuli als Grund für das Scheitern. Einerseits würden Atommächte wie die USA derzeit nichts unterschreiben, was grössere internationale Kontrolle ermögliche. Andererseits würden sich zahlreiche Schwellenländer wegen hoher Ölpreise der Nuklear-Energie zuwenden und wollten deshalb keine neuen Vorschriften.

Viele Konferenzteilnehmer machten für das Scheitern der Verhandlungen die USA und den Iran verantwortlich. “Iran steht unter starkem Druck und hat den Musterschüler gespielt”, beobachtet Streuli.

Verärgerung herrschte unter den Teilnehmern aber auch darüber, dass die Staaten mit Atomwaffen – USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und China – zwar zugesagt haben, ihre Atomwaffen-Arsenale zu vernichten, dies bislang aber nicht in die Tat umsetzen.

Schweiz will mit Gleichgesinnten Druck machen

Die Schweiz habe sich immer deutlich für Abrüstung, gegen Verbreitung und für kontrollierte friedliche Nutzung ausgesprochen, sagte Streuli. “Die Schweiz ist nicht ganz unwichtig, wir produzieren zwei Fünftel unseres Stroms mit Atomkraft und haben eine hochentwickelte Nukleartechnologie.”

Er macht aber deutlich, dass die Schweiz mit andern, gleichgesinnten Ländern zusammen arbeiten müsse, um Druck auf die Umsetzung der Abkommen zu machen. Zu dieser Länder-Gruppe gehören unter anderem Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark, Südafrika und Brasilien.

Abrüstung bleibt ein Thema

Viele konstruktive Ideen und Vorschläge lägen auf dem Tisch, sagte der Schweizer Abrüstungsbotschafter. Sie müssten nun in anderen Gremien wie der Abrüstungskonferenz in Genf diskutiert werden. “Wir wollen die Angelegenheit dort wieder aufs Tapet bringen”, versichert Streuli.

Streuli zeigte sich ebenfalls überzeugt, dass zu Beginn der 60. Vollversammlung der UNO im September wieder über die Vernichtung von Waffen gesprochen werde. “Da wird Abrüstung ein wichtiges Thema sein.”

swissinfo und Agenturen

Der Atomwaffen-Sperrvertrag (Non-Proliferation Treaty, NPT) wurde am 1. Juli 1968 – mitten im Kalten Krieg – von den USA, der damaligen Sowjetunion und Grossbritannien unterzeichnet und trat 1970 in Kraft.
Die Schweiz hat den Vertrag 1977 ratifiziert.
1995 wurde er zeitlich unbegrenzt verlängert. Sein Bestehen ist daher nicht gefährdet.
Die 188 Signatar-Staaten haben ihre Konferenz vom 2. bis 27. Mai in New York abgehalten.

Der Atomwaffen-Sperrvertrag (Non-Proliferation Treaty, NPT) verbietet die Weitergabe von Kernwaffen.

Der NPT untersagt atomwaffenlosen Unterzeichnerstaaten die Entwicklung und Beschaffung solcher Waffen.

Der NPT gewährleistet zur Kompensation Wissenstransfer zur friedlichen Nutzung und Kontrolle durch die Internationale Atomenergie-Organisation IAEO.

Der NPT verspricht die Beendigung des atomaren Wettrüstens und die vollständige Atomwaffen-Abrüstung.

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