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Auch Europa will den “gläsernen” Passagier

Die Behörden wollen gläserne Passagiere statt unbeschriebene Blätter. Keystone

Im Kampf gegen den Terror will Europa nach amerikanischem Vorbild die Daten der Flugpassagiere erheben und speichern, und das ab 2010. Dies gab die EU-Kommission bekannt.

Damit keine Sicherheitslücke mitten in Europa entsteht, möchte die EU die neuen Auflagen auf die Schweiz und andere Schengen-Mitgliedsländer ausdehnen.

Das Sammeln und Auswerten von Flugpassagierdaten sei ein “wichtiges Instrument, um die Reisen von Terroristen zu überwachen und geplante Anschläge zu verhindern”, begründete EU-Justzikommissar Franco Frattini am Dienstag den Vorstoss.

Der Gesetzesentwurf, den der Italiener im Namen der EU-Kommission präsentierte, sieht die Erfassung und Speicherung von 19 Daten vor. Betroffen wären alle Flugreisenden, welche in die oder aus der EU fliegen, nicht aber auf Flügen innerhalb der EU.

Erfasst wird unter anderem die Anzahl der Gepäckstücke, der Sitzplatz, Kreditkartennummer und Email-Adresse. Nicht erfasst werden Angaben etwa zur Menuwahl, die auf Religionszugehörigkeit schliessen lassen.

Risikoprofile

Aufgrund der Daten sollen die nationalen Sicherheitsbehörden der 27 EU-Staaten eine Risikoanalyse der Reisenden erstellen und die Informationen untereinander austauschen können. Ziel ist es, Personen zu erfassen, die “in ein terroristisches oder organisiertes Verbrechen verwickelt sind oder es sein könnten”.

Die EU-Kommission will, dass die Daten 13 Jahre gespeichert werden. Diese Speicherdauer ist etwas kürzer als diejenige der USA: Washington bewahrt die Angaben von Flugreisenden aus der EU während 15 Jahren auf.

Die EU-Staaten müssen den Kommissionsvorschlag einstimmig billigen, das EU-Parlament hat nur ein Mitsprache-, nicht aber ein Mitbestimmungsrecht.

Gegen Sicherheitsloch Schweiz

Falls die Regelung wie geplant 2010 in Kraft tritt, wären nach dem Gesetzesvorschlag auch Reisende betroffen, die aus der Schweiz in die EU fliegen. Ihre Daten würden ebenfalls gespeichert.

Wenn die Schweiz wie geplant im November 2008 bei Schengen mitmacht, entstünde allerdings ein Sicherheitsloch inmitten der EU. Denn theoretisch könnten mutmassliche Attentäter dann einfach von irgendwoher in die Schweiz fliegen – und sich dann im ganzen Schengenraum frei bewegen.

Dies ist auch EU-Kommissar Frattini bewusst. Er wünsche sich deshalb – falls die EU-Staaten einverstanden seien – eine Ausdehnung der Bestimmungen auf die Schweiz und die anderen Schengenmitglieder, sagte er.

Bern prüft

Dies wiederum würde bedeuten, dass auch die Schweizer Behörden die Daten von aussereuropäischen Flugpassagieren erheben und auswerten müssten.

Konkret wollte sich das Schweizer Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) am Dienstag noch nicht dazu äussern. Laut Sprecher Sascha Hardegger müsste zuerst geprüft werden, ob ein solches System auch für die Schweiz Sinn machen würde. Er verwies dabei auch auf die Bürokratie, die damit auf die Schweiz zukäme.

Frattini gab sich aber zuversichtlich. “Wir sind bereit, sie mitmachen zu lassen an unserer Strategie zur Prävention gegen den Terrorismus”, unterstrich er. Die Schweizer Behörden könnten ja kaum wünschen, dass jemand, der gefährlich ist, von Afrika oder Asien in die Schweiz fliege und dann mit dem Taxi in die EU reise.

Gesprächstermin

Das momentan geltende Abkommen zwischen der Schweiz und den USA über die Weitergabe von Passagierdaten ist seit 2005 in Kraft und läuft noch bis Herbst 2008.

Laut Abkommen hätten die USA Ende September “Diskussionen mit der Schweizer Regierung initiieren” müssen. Dazu sagte Sprecher Anton Kohler vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) am Dienstag: “Wir sind offiziell noch nicht angefragt worden.” Weitere Details wollte Kohler nicht nennen.

swissinfo und Agenturen

Im Kampf gegen den Terrorismus setzt die EU auf ein Bündel von Massnahmen. Neben der Erhebung der Daten der Flugpassagiere sollen der Aufruf zu Terror und die Rekrutierung von Terroristen via Internet unter Strafe gestellt werden.

Ausserdem setzt Brüssel auf eine bessere Zusammenarbeit der europäischen Länder, um zu verhindern, dass Sprengstoff in die Hände von Terroristen fällt.

So soll ein Frühwarnsystem aufgebaut werden, durch das alle Länder über den Diebstahl oder verdächtige Käufe von explosivem Material informiert werden.

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