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Aufholjagd beim Gotthard-Transit

Es fahren wieder mehr Lastwagen im Gegenverkehr durch den Gotthardtunnel. Keystone

Das Dosiersystem am Gotthard-Strassentunnel hat den alpenquerenden Lastwagenverkehr im Jahr 2002 gebremst.

Doch seitdem wieder im Gegenverkehr durch den Tunnel gefahren werden darf, nimmt der Druck auf die wichtigste Schweizer Süd-Nord-Achse erneut zu.

Die kürzlich veröffentlichte Statistik der italienischen Zollbehörden fürs Jahr 2002 spricht Klartext. Am Übergang Chiasso-Brogeda sind im Vergleich zum Vorjahr rund 12% weniger Lastwagen über die Grenze gerollt. Genau 847’759 Camions zählte der Zoll in beiden Richtungen, 117’000 Fahrzeuge weniger als 2001.

Die Gründe für diesen Rückgang sind die Dosierungsmassnahmen am Gotthard und die Schwerverkehrsabgabe.

Doch Lastwagenverkehr nimmt wieder zu

Tatsächlich waren die Kapazitäten des Gotthard-Tunnels wegen des Kreuzungsverbots für Lastwagen in den ersten neun Monaten des Jahres stark reduziert.

Die ständigen LKW-Staus in den Dosierstellen bei Quinto und Erstfeld waren sichtbare Zeichen dieser Situation, die paradoxerweise den Eindruck erzeugte, als ob mehr Camions als früher den Weg über den Gotthard suchten.

Seit das Kreuzungsverbot Ende September aufgehoben wurde, hat sich der Verkehr nicht nur verflüssigt, sondern ist auch wieder gewachsen. Bereits wurden Spitzen von über 4000 Camions pro Tag verzeichnet.

Tropfenzähler-System ohne oberes Limit

Zwar begrenzt das neue Tropfenzähler-System die Durchfahrts-Frequenzen pro Stunde im Tunnel, doch ist keinerlei Maximum an Transitfahrten pro Tag fixiert.

“Wir können nicht nach 3500 Camions die Schranken runter lassen”, bringt es Marco Guscio, Chef der Tessiner Strassenpolizei, auf den Punkt.

Umweltorganisationen wie der VCS oder “Leventina vivibile” befürchten, dass allmählich wieder Camion-Frequenzen von 5000 Einheiten wie vor dem tragischen Brandunfall vom Oktober 2001 erreicht werden.

Und die vom Bundesamt für Strassen (Astra) veröffentlichten Zahlen zeigen, dass man von diesen Daten gar nicht mehr so weit entfernt ist. Unter dem Tropfenzähler-Regime passierten wiederholt mehr als 4000 Camions pro Tag. Der Rekord fiel auf den 6. November mit gut 4100 Durchfahrten.

Inländisches Transportgewerbe bevorzugt

Generell funktioniert das Tropfenzähler-System am Gotthard offenbar zur allgemeinen Zufriedenheit. Die kritischen Stimmen des Schweizer Transportgewerbes sind verstummt.

Allerdings protestieren nach wie vor italienischen Spediteure. Sie halten die Regelung für diskriminierend, da sie den inländischen Schwerverkehr in und vom Tessin bevorzugt. Der Anteil der von ihnen bemängelten Fahrten durch den Tunnel beträgt zirka 18 bis 19%.

Unzufrieden ist man auch in der unteren Leventina. Vier Gemeinden im Talgrund – Giornico, Bodio, Personico, Pollegio – ärgern sich darüber, dass die neue Tropfen-Dosierstelle auf der A2 praktisch vor ihrer Haustür liegt.

Bei grossem Andrang reicht der Stau vor der Ampelanlage schon mal bis nach Biasca.

Der Tessiner Bau- und Umweltdirektor Marco Borradori hat Verständnis für die Klagen der Anwohner, gleichzeitig beurteilt er das geltende Tropfenzähler-System prinzipiell positiv. Trotzdem warnt er: “Wir müssen aufpassen, dass die Zahl der Transitfahrten nicht wieder zu stark zunimmt.”

swissinfo, Gerhard Lob

Transitstatistik des italienischen Zolls: 847’759 Camions 2002 964’759 Camions 2001

Maximum-Frequenzen vor dem Unfall im Herbst 2001: 5000 Camions

Seit Einführung Tropfenzähler-System September 2002: Spitzen von über 4000 Camions

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