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Aufruf zu Masern-Impfung zeigt Wirkung

Um die Masern in der Schweiz zu eliminieren, sollten 95% aller Kleinkinder geimpft werden. Keystone

Die Schweizer Bevölkerung reagiert auf einen Appell der Behörden, den Impfschutz gegen Masern zu erhöhen, um einer Epidemie der Krankheit die Spitze zu brechen.

Seit dem die Behörden im März einen Appell erliessen, die Impfrate in der Schweiz zu erhöhen, wurde mehr Impfstoff verkauft, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) Anfang Woche bekannt gab.

“Ich denke, die Leute haben die Botschaft gehört, dass man sich impfen lassen sollte”, erklärte BAG-Sprecher Jean-Louis Zurcher gegenüber swissinfo.

Zurcher rief auch die Besorgnis von EU-Gesundheitsexperten in Erinnerung, dass die Fussball-Europameisterschaft, die im Juni in der Schweiz und in Österreich stattfindet, zu einem Masern-Nährboden werden könnte, da es in beiden Ländern zu grösseren Ausbrüchen der Krankheit gekommen sei.

In der Schweiz grassiert die schlimmste Masern-Epidemie seit der Einführung der Meldepflicht für die Krankheit im Jahre 1999. Zwei Masern-Ausbrüche in den USA und einer in Österreich sollen auf Erkrankungen aus der Schweiz zurückgehen.

Seit Anfang 2008 wurden in der Schweiz 1204 Fälle gemeldet, verglichen mit 151 Fällen im gleichen Zeitraum 2007 und 21 im Jahr 2006. Die Epidemie hat das ganze Land erfasst, 133 Patienten mussten im Spital behandelt werden.

Sorge der EU

Das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (European Centre for Disease Prevention and Control, ECDPC) wies auf die Hunderttausenden von Besuchern hin, darunter auch nicht gegen Masern geimpfte, die für die Euro 2008 nach Österreich und in die Schweiz reisen werden.

“Das Masern-Virus ist eines der ansteckendsten überhaupt und kann ernsthafte Erkrankungen auslösen und sogar zum Tod führen”, unterstrich die ECDPC-Direktorin Zsuzsanna Jakab: “Wenn nicht geimpfte Personen damit in Kontakt kommen, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie sich anstecken.”

In jüngster Zeit sei es in mehreren europäischen Ländern zu bedeutenden Masern-Ausbrüchen gekommen, das Risiko für Millionen von nicht geimpften Europäern sei daher real, sagte sie. Die europäischen Gesundheits-Behörden müssten daher aktiv werden.

Experten der ECDPC werden im Vorfeld der Euro 2008 Österreich besuchen, um bei der Risikoabschätzung zu helfen. Die ECDPC-Experten befürchten eine Ausbreitung der Masern vor allem in Regionen, in denen die Impfrate tief ist, wie in Spanien, Deutschland, Italien und Grossbritannien.

Fälle in den USA

Im April hatte das Zentrum für Kontrolle und Prävention von Krankheiten in den USA (Center for Disease Prevention and Control) zwei Personen mit Verbindungen zur Schweiz als Urheber von Masern-Ausbrüchen in Kalifornien und Arizona identifiziert.

In San Diego waren Anfang dieses Jahres elf Masern-Erkrankungen gemeldet worden, nachdem ein ungeimpftes Kind in der Schweiz auf Besuch gewesen war.

Ein Ausbruch in Arizona wurde in Verbindung gebracht mit einem erwachsenen Besucher aus der Schweiz, der mit Masern und einer Lungenentzündung ins Spital eingeliefert worden war. 1800 Angestellte im Gesundheits-Wesen waren danach auf ihren Immun- und Impf-Status überprüft und wenn nötig nachgeimpft worden.

Insgesamt wurden neun weitere Fälle gemeldet, die Erkrankten hatten sich fast alle in einer Einrichtung des Gesundheitswesens angesteckt.

Impf-Empfehlung der Behörden

Das Bundesamt für Gesundheitswesen empfiehlt Besuchern und Besucherinnen aus dem Ausland, ihren Impfstatus zu kontrollieren und sich – wenn sie noch nicht immun sind – mit dem Kombinations-Impfstoff MMR zu impfen, der vor Masern, Mumps und Röteln schützt.

Zurcher erklärte, die Empfehlung der Regierung sei vor allem für Leute wichtig, welche Grossanlässe wie die Euro 2008 besuchen wollten.

“Wir können nicht mehr tun als zu empfehlen, dass Leute, die aus dem Ausland kommen, geimpft sind. Zu ihrem eigenen Schutz und dem ihrer Angehörigen”, sagte Zurcher weiter.

“Diese Leute werden in Länder wie Finnland oder die USA zurückkehren, wo die Masern praktisch ausgerottet wurden. Das könnte zu Problemen führen.”

Überkantonaler Ansatz

Um das Problem in der Schweiz anzugehen, hatten das BAG, die Konferenz der Kantonalen Gesundheitsdirektoren und die Vereinigung der Kantonsärzte und Kantonsärztinnen im März einen gemeinsamen Appell an die Ärzteschaft erlassen.

Die Ärzte sollen den Impfstatus ihrer Patienten überprüfen und nach 1963 geborenen Erwachsenen, die nie an Masern erkrankt waren, eine Nachhol-Impfung empfehlen.

Um die Masern in der Schweiz möglichst auszurotten, müsste zudem die Durchimpfungs-Rate bei Kleinkindern von heute 86 auf 95% erhöht werden. Die Kantone hätten alle eine “starke und aktive” Haltung eingenommen, um das Problem anzugehen, sagte Zurcher.

Zur Bekämpfung der Epidemie werden zudem weitere Massnahmen empfohlen wie der Ausschluss erkrankter Kinder und deren ungeimpfter Geschwister vom Besuch von Schulen oder Kindertagesstätten.

Hans Gerber von der Vereinigung der Kantonsärzte sagte zu swissinfo: “Wir hoffen, dass die Aufmerksamkeit, welche die Medien und andere Teile der Gesellschaft der Frage widmen, Wirkung zeigen wird.”

swissinfo, Jessica Dacey
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

Masern sind eine akute Viren-Erkrankung mit einer hohen Ansteckungsfähigkeit.
Erstes Zeichen einer Infektion ist meist hohes Fieber, nach einigen Tagen folgt ein Hautauschlag, der grosse Teile des Körpers befällt.
Zu den ernsthaftesten Komplikationen gehören Erblindung, Hirnentzündung, schwerer Durchfall, Mittelohr-Entzündung und Atemwegserkrankungen wie Lungenentzündung.
Die Erkrankung hinterlässt eine lebenslange Immunität.

Die jüngste Epidemie war im November 2006 unter Schulkindern im Kanton Luzern ausgebrochen, von wo sich die Masern in unterschiedlichem Masse auf alle Kantone ausbreiteten. Die Kantone sind für die Massnahmen zur Eindämmung der Krankheit zuständig.

Die Hälfte der Erkrankten waren Kinder im Alter zwischen fünf und 15 Jahren. 98% der Patienten hatten entweder nur eine der zwei empfohlenen Impfungen erhalten oder waren gar nicht geimpft. Die Krankheit hatte sich meist in Familien und an Schulen ausgebreitet.

Das EU-Zentrum zur Kontrolle und Prävention von Krankheiten schätzt, dass in Europa bis zu drei Millionen Menschen zur Risikogruppe gehören.

In der Schweiz gehört die Masern-Immunisierung als Teil einer Dreifach-Impfung (Masern-Mumps-Röteln, MMR) zum Impfplan für Säuglinge und Kleinkinder. Seit 2001 werden zwei Dosen empfohlen, die erste im Alter von 12 Monaten, die zweite im Alter von 15 bis 24 Monaten.

Nachhol-Impfungen mit zwei weiteren Dosen werden zudem bis zum Alter von 40 Jahren empfohlen.

Die routinemässige Masern-Impfung für Kinder wurde in den meisten Ländern Europas in den 1980er-Jahren eingeführt. Die Hauptrisikogruppe in Europa sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die entweder keine Möglichkeit hatten, geimpft zu werden oder die Impfung verweigerten.

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