«TRIAS 25» – warum die Schweizer Armee in Österreich den Ernstfall probt

In der grössten Auslandübung mit Bodentruppen seit 30 Jahren übt die Schweizer Armee mit Österreich und Deutschland eine Geländerückeroberung. Das fiktive Szenario fällt in eine Zeit geopolitischer Unsicherheit – und wird von Russland aufmerksam verfolgt.
Das Übungsgelände im Bundesland Niederösterreich ist mit 157 Quadratkilometern etwa sechsmal so gross wie die Gefechtsausbildungszentren in der Schweiz.
Hier darf man mit Panzern und Geländefahrzeugen nicht nur auf vorgegebenen Wegen trainieren. Es herrschen realistische Bedingungen – Bedingungen wie im Krieg.
Für die Übung hat die Schweizer Armee 78 Fahrzeuge von Thun aus nach Österreich verschoben. Elf Güterzüge waren dazu nötig, mit einer Gesamtlänge von 4,3 Kilometern – eine logistische Grossaufgabe.
Geübt wird ein Verteidigungskrieg
Vor Ort sind das Mechanisierte Bataillon 14 und die Mechanisierte Brigade 11 der Schweizer Armee. Genauer: Es sind Soldaten, die hier ihren jährlichen Wiederholungskurs absolvieren – den WK, wie man in der Schweiz dazu sagt.
Die Teilnahme an der Übung ist freiwillig, denn für einen Dienst im Ausland gibt es in der Schweiz keinen sogenannten Marschbefehl.
Für die Armee ist das nicht unproblematisch. Wie die Medien im letzten Jahr berichteten, hatte sie Mühe, die nötigen Soldaten zu findenExterner Link.
TRIAS25 – der Name der Übung widerspiegelt die Einheiten der drei teilnehmenden Länder: Österreich, Deutschland und Schweiz. Sie teilen sich in der Übung in Verteidiger und Angreifer auf.
Der österreichische Major Sebastian Schubert sagt dazu: «Das Training hilft dem österreichischen Bundesheer, das gemäss dem Aufbauplan 2032+ auf die militärische Landesverteidigung ausgerichtet wird.»
Österreich hat den Aufbauplan nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine 2022 beschlossen. Auch die Schweiz will ihre Armee im Hinblick auf einen Verteidigungskrieg stärken.
Der Ton der Offiziellen ist allgemein gehalten, aber der geopolitische Kontext schwingt mit.
Die NATO spielt offiziell keine Rolle
Bei der Grossübung gehen die Militärs von einem Gegner aus, der mit hybriden Bedrohungen wie Desinformationskampagnen und Cyberangriffen agiert und Anschläge auf die kritische Infrastruktur verübt.
Auch wenn man nicht direkt von Russland spricht, ist klar, wer damit gemeint ist.
Dass Russland diese Übungen argwöhnisch beäugt, liegt auf der Hand. Da hilft es wenig, dass Österreich neutral ist, dass die ebenso neutrale Schweiz die grosse Mehrheit der teilnehmenden Armeeangehörigen stellt, und dass das Nato-Mitglied Deutschland nur eine kleine Rolle spielt.
Über die politischen Implikationen wollen die Offiziellen aber nicht reden.
Die österreichische Verteidigungsministerin Klaudia Tanner fokussiert lieber auf Pragmatisches. «Ein Grundsatz für Armeen auf der ganzen Welt ist ‹train as you fight›. Übungen, auch in dieser Grössenordnung, sind der Grundpfeiler für den Erhalt der militärischen Fähigkeiten», sagt sie.
Mit einer Annäherung an die NATO habe das nichts zu tun. Wenn ein neutraler Staat in und mit einem anderen neutralen Staat übe, könne das nur Vorteile für alle beteiligten Armeen haben.
Erodiert die Schweizer Neutralität?
Der Schweizer Übungsleiter Brigadier Christoph Roduner sagt: «Wir folgen nicht dem Decision-Making-Process der Nato. Wir gehen nach unserem eigenen Reglement und unsere Partnerorganisationen akzeptieren das. Spannend ist es aber, wenn wir mit NATO-Leistungsnormen anderer vor Ort vergleichen können, ob wir sie locker erfüllen.»

Die «anderen vor Ort», das sind die beiden Züge der deutschen Bundeswehr, die als NATO-Mitgliedsstaat nach diesen Normen agieren.
In der Schweiz wurden von der SVP Bedenken geäussert, dass diese trinationale Grossübung trotz aller gegenteiligen Beteuerungen ein erster Schritt in Richtung einer Teilnahme an NATO-Übungen sei, was mit der Neutralität schwer vereinbar wäre.
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Die Neutralität der Schweiz – wohin des Weges?
In Österreich bemüht sich der Kommandant der Bodentruppen, Divisionär Benedikt Roos, zu betonen, TRIAS 25 sei lediglich ein Training mit Ausländern, von dem man sich wertvolle Erkenntnisse für die Verteidigung der Schweiz erhoffe. Und Roduner sagt: «Wir wollen Lehren ziehen. Setzen wir unsere Kräfte auch richtig ein?» In Österreich gebe es eine einmalige Gelegenheit, dies zu erproben.
Noch grössere Übungen in den nächsten Jahren
Das vierwöchige Manöver, das noch bis am 9. Mai andauert, ist in dieser Form eine Premiere. In kommenden Jahren, genauer 2027 und 2029, soll die Übungsanlage auf Bataillonsstärke vergrössert werden, und letztendlich soll sogar im grossen Verband trainiert werden.
Mit der instabilen Sicherheitslage, scheint es, sind heute Dinge machbar, die noch vor einigen Jahren undenkbar waren.
«Gerade als neutrale Staaten müssen wir immer vorbereit sein, weil wir uns im Falle des Falles auf kein Bündnis verlassen können», sagt die österreichische Verteidigungsministerin Klaudia Tanner.
«Daher sehe ich hier weniger ein Zusammenrücken, sondern mehr ein gemeinsames Vorbereiten und Üben zum Erhalt der militärischen Fähigkeiten zur Landesverteidigung.»

Da trifft es sich gut, dass die österreichische Armee auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig in den letzten Jahren die Mannschaftsunterkünfte für 14 Millionen Euro generalsaniert hat.
Auch für die Schweiz ist das Manöver in Allentsteig eine finanzielle Investition in die Zukunft, denn TRIAS 25 kostete bereits in diesem Jahr 4 Millionen Franken mehr als ein regulärer Inland-Wiederholungskurs.
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Editiert von Marc Leutenegger

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