
Was ein Online-Streit über das Luxusleben der kamerunischen Herrscherfamilie in der Schweiz verrät

Die Tochter des kamerunischen Präsidenten ist in Genf verurteilt worden. Der Fall gibt neue Einsicht in den inoffiziellen Zweitwohnsitz der Präsidentenfamilie in einem Genfer Hotel.
Wenn die Tochter des kamerunischen Präsidenten vor Gericht steht, findet das Verfahren in Genf statt. Brenda Biya hat die kamerunisch-nigerianische Sängerin Dencia in den Sozialen Netzwerken beleidigt – als «Betrügerin», «Drogendealerin» und «kokainabhängige Schlampe».
Hintergrund war ein Streit um die Bewilligung von Schönheitsprodukten. Die Präsidententochter wird von der Sängerin angeklagt und in Folge der Verleumdung, üblen Nachrede und Beleidigung für schuldig befunden.
Der Journalist François Pilet, der auch für SWI swissinfo.ch arbeitet, hat den Strafbefehl im Onlineportal Gotham-City enthülltExterner Link.
Pilet sagt: «Der Fall ist mehr als ein Streit von zwei öffentlichen Personen. Er beweist, dass die Tochter des kamerunischen Präsidenten teilweise in Genf lebt.»
Wer zahlt die Suite?
Die Staatsanwaltschaft konnte nachweisen, dass sich Brenda Biya tatsächlich in Genf aufhielt, als sie die Nachrichten in den Sozialen Netzwerken gepostet hatte.
Nach den Befragungen kam sie zum Schluss, dass die Angeklagte seit vielen Jahren regelmässig das Luxushotel Intercontinental besucht, wo ganzjährig ein Zimmer für sie reserviert ist.
Brenda Biya selbst hat laut Strafbefehl zugegeben, dass sie seit ihrem zwölften Lebensjahr zwischen Kamerun und der Schweiz hin- und herreise.

«Der Verdacht bestand schon länger und hat sich nun bestätigt», sagt Pilet, und spricht von einem Skandal: «Es ist davon auszugehen, dass die Aufenthalte aus der kamerunischen Staatskasse bezahlt werden. Genauso wie jene des Präsidenten Paul Biya in Genf, die längst bekannt sind.»
Pilet war Co-Autor der RTS-Doku «Genf, das Paradies der Diktatoren»Externer Link, in der 2018 unter anderem die Besuche von Paul Biya in Genf nachgezeichnet wurden.
Demnach soll er mindestens zwei Mal im Jahr mit einem Privatjet nach Genf reisen, um im Hotel Intercontinental für mehrere Monate zu residieren. Mit im Gepäck: Eine Entourage von rund 60 Personen, die ein gesamtes Stockwerk beziehen.
Paul Biya ist seit über 40 Jahren im Amt und Menschenrechtsorganisationen weisen auf wachsende RepressionExterner Link im Land hin. Laut Recherchen des Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP)Externer Link verbrachte Biya seit seiner Machtübernahme 1982 bis 2018 rund 4,5 Jahre im Ausland, vornehmlich in Genf.
Dafür habe er mindestens 150 Millionen Franken ausgegeben. Für eine einzige Nacht soll er 40’´000 Franken ausgeben. Ehemalige Mitarbeitende des Hotels berichten, dass er stets alles in bar bezahle und viel Trinkgeld verteile. «Bei diesen Summen ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Staatskasse verschont bleibt», sagt Pilet.
Seine luxuriösen Aufenthalte in der Schweiz sind auch vielen Bevölkerung in Kamerun ein Dorn im Auge. Eine kamerunische Journalistin, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte, sagt auf Anfrage: «Für den Grossteil der Bevölkerung ist es inakzeptabel, dass ihr Präsident im Ausland im Luxus lebt, während sein Land von Wirtschaftskrisen, Nahrungsmittelknappheit und internen Konflikten gebeutelt wird.»
Dass auch das Geld für Brenda Biyas Genfer-Hotelbesuche aus der Staatskasse kommt, liegt für die kamerunische Journalistin auf der Hand. «Es ist unklar, wo die Tochter des Präsidenten derzeit arbeitet.»
Gegenüber der Genfer Staatsanwaltschaft verweigerte sie jegliche Offenlegung ihrer Finanzen. Obwohl viele Kameruner:innen Missbrauch im Zusammenhang mit öffentlichen Geldern vermuten, seien genaue Informationen schwer zu erhalten, so die Journalistin. Die Pressefreiheit im Land ist stark eingeschränkt, in den letzten Jahren wurden mehrere Investigativjournalisten in Haft gefoltert oder ermordet.Externer Link

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Paul Biya ist mit 92 Jahren der älteste Präsident der Welt; im Oktober will er erneut kandidieren. Seit 1982 wird Kamerun von ihm durchregiert, begleitet von Vorwürfen der Wahlfälschungen, des Klientelismus und der Veruntreuung. Im Korruptionsranking von Transparency International rangiert das Land auf Platz 140 von 180.
Seit einigen Jahren verschärfen sich die politischen Spannungen. Im Westen des Landes fordern Separatisten die Unabhängigkeit zweier Regionen, in denen der überwiegende Teil der englischsprachigen Bevölkerung lebt.
Bisher hat der Konflikt mehr als 6500 Menschenleben gefordert, wobei der staatlichen Armee massive Menschenrechts- und Kriegsverbrechen vorgeworfen werden.
Zwar wachsen in Kamerun die Protestbewegungen gegen den Langzeitherrscher, öffentliche Kritik wird jedoch unterdrückt.
Zu Hause Konflikte, in Genf der Luxus
Regelmässige Proteste kommen dafür aus der kamerunischen Diaspora. Jedes Mal, wenn Exil-Kameruner:innen von der Ankunft des Präsidenten in Genf erfahren, organisieren sie Demonstrationen vor dem Hoteleingang des Intercontinental.
Darunter ist Francis Awudu, Präsident der englischsprachigen Kamerunischen Gesellschaft Schweiz, der die Unabhängigkeits-Forderungen der Separatisten unterstützt.
Er beschuldigt die Schweiz, einen «völkermörderischen Diktator» zu schützen. «Wir Demonstrierende wurden wiederholt von den Sicherheitskräften Biyas eingeschüchtert und angegriffen», sagt Awudu, «Die Schweiz muss das anprangern.»
Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass die Biyas in Genf mit dem Gesetz in Konflikt kommen: 2019 wurden sechs seiner Bodyguards verurteilt, die gegenüber einem Journalisten des öffentlich-rechtlichen RTS handgreiflich waren.
Als Reaktion darauf lancierte eine Gruppe rund um Francis Awudu und den Genfer SP-Grossrat Sylvain Thévoz eine Petition,Externer Link die den Grossen Rat aufforderte, Paul Biya in Genf zur «persona non grata» zu erklären. Anders gesagt: Die Stadt soll die Aufenthalte von Paul Biya verbieten. Und Bundesbern dazu auffordern, das Gleiche auf nationaler Ebene zu tun.
Die Petition wurde von der bürgerlichen Mehrheit des Grossen Rates abgelehnt. «Ein Grossratsmitglied sagte offen, Genf könne es sich nicht leisten, die Biyas zu verlieren», sagt Francis Awubu. Für ihn ist klar: Die Behörden sind «Teil des Problems».
SP-Grossrat Thévoz sagt: «Die regelmässige Anwesenheit des kamerunischen Präsidenten ist ein Schlag ins Gesicht der Menschenrechtsverteidiger:innen und eine Demütigung für Genf. Warum rollen wir weiterhin den Teppich für einen Diktator aus, der gegen die Gesetze verstösst?»

Beim Schweizerischen Aussenministerium (EDA) heisst es auf Anfrage, man äussere sich nicht zu privaten Besuchen von ausländischen Staatschefs in der Schweiz.
Jedoch unterliege «ein Staatsoberhaupt und dessen Familienmitglieder hinsichtlich ihres Aufenthalts denselben Vorschriften wie alle anderen Ausländer, die sich in der Schweiz aufhalten.»
Weiter schreibt das EDA: «Das Völkerrecht gewährt Staatsoberhäuptern Immunität von der Gerichtsbarkeit, auch bei privaten Aufenthalten.» Dies gelte jedoch in der Regel nicht für deren Familienmitgliedern.
Hohe Dichte an Präsidentenkindern in Genf
Damit scheint die Präsidententochter nicht gerechnet zu haben. In dem Strafbefehl wird ein Nachrichtenaustausch zwischen den beiden Frauen zitiert. In diesem behauptet Brenda Biya, dass sie keine Angst vor einer Klage habe und dass «ihr Vater Verbindungen in die Schweiz hat».
Zumindest in diesem Fall hat das nicht geholfen: Brenda Biya wurde zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 200 Franken, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird, sowie zu einer Busse von 2400 Franken verurteilt.
Die Verteidigerinnen der Klägerin Dencia äusserten sich gegenüber Gotham City positiv: «Es ist zu begrüssen, dass die Schweizer Justiz nicht gezögert hat, die Angeklagte trotz ihres Status als Tochter des Präsidenten der Republik Kamerun zu bestrafen.»
Paul Biya ist nicht der einzige ausländische Machthaber, der gerne in Genf residiert. In den letzten Jahren kamen immer wieder Fälle ans Licht, bei denen Potentaten teilweise ganze Villen am lac Léman erwarben.
Darunter die Clans der ehemaligen Präsidenten von KasachstanExterner Link und Usbekistan – gegen deren Töchter jeweils ErmittlungenExterner Link eingeleitet wurden.
Editiert von Benjamin von Wyl

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