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Bahnhof Locarno – der Link nach Westen

Bahnhoffassade in Locarno: Neo-Renaissance. swissinfo.ch

Voll von Filmliebhabern während dem Festival, übervölkert von Sommer-Touristen, leert sich der Bahnhof von Locarno, wenn die Saison vorüber ist.

Von Locarno aus gehts mit der Centovalli-Bahn in Richtung Westschweiz und Bern, über Domodossola und unter dem Simplon.

Von der Strasse aus auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Ein Bahnhof wie viele andere auch. Etwas versteckt zwischen den Bäumen und den kleinen Läden und Automaten, wie sie an jedem Bahnhof zu sehen sind. Locarno.

Beim näheren Hinsehen aber wird klar, dass dieser Bahnhof, wie das Grand Hotel in dieser Urlaubsstadt am See, offenbar auf eine diskrete, aber gloriose Vergangenheit zurückblickt.

Alles begann mit der Gotthardbahn

Das Gebäude wurde 1874 eingeweiht. Der Locarneser Bahnhof war, zusammen mit jenem in Lugano und Bellinzona, einer der ersten der Gotthardbahn. Und es wurde, im Enthusiasmus der Gründerzeit, nicht allzu viel gespart beim Bau.

Es waren die Anfänge des grossen Geschäfts mit den Touristen. Die Deutschschweizer und die Deutschen begannen in jeder Epoche, das Tessin zu ‘kolonialisieren’. Dies bescherte dem Kanton ab den 1950-er und sechziger Jahren eine starke Entwicklung.

In einem SBB-Bulletin vom Oktober 1954 wird Locarno folgendermassen beschrieben: “Locarno, die Königin des Langensees, nimmt als Kur- und Ferienort an Bedeutung ständig zu. Die ansprechende Umgebung, mit Ascona und Brissago, zieht eine wachsende Anzahl ausländischer Bewunderer an, die sich etwas Ruhe und Zerstreuung in dieser entzückenden Umgebung gönnen.”

In den 50-er Jahren unterzog man den Locarneser Bahnhof einer gründlichen Renovation. Küchen, Buffet und Toiletten wurden modernisiert. Doch die Architekten brachten wenig modernes mit ein, weil sie das vage Belle-Epoque-Element des Gebäudes erhalten wollten.

Bis in die 70-er Jahre waren auch einige private Schmalspurbahnen von Locarno aus aktiv. Sie bedienten lokale Verbindungen, wie Locarno – Ponte Brolla – Bignasco. Diese Bahnen wurden mit der Zeit durch Buslinien ersetzt.

Die Centovalli-Bahn

Weiterhin aktiv ist hingegen die Centovalli-Bahn (Fart). Seit 1923 verbindet sie Locarno mit Domodossola. Die Schweizer nennen sie Centovallina wegen dem Centovalli-Tal auf der Tessiner Seite, die Italiener Vigezzina wegen dem Val Vigezzo auf piemontesischer Seite.

Die “Centovallina” garantiert dem Tessin die kürzeste Bahnverbindung mit der Romandie und der Hauptstadt Bern. Die Fahrt führt die Reisenden durch pittoreske Landschaften.

Wälder, Wasserfälle, Felsabhänge und kleine Dörfer ziehen vorbei. Eine touristische Eisenbahn par excellence. Und dazu noch eine wichtige Schienenverbindung mit Italien, zwischen der Gotthard- und der Simplonlinie gelegen.

“Face Lifting”, aber weniger Beschäftigte

Wie alle Bahnhöfe dient auch jener von Locarno seiner Stadt als Nabelpunkt. Jetzt frischt man ihn mittels eines architektur-chirurgischen Eingriffs auf. Der Bahnhof figuriert als einer auf der Liste der 620 Regionalbahnhöfe, die von den SBB ein “Face Lifting” verschrieben erhielten.

“Neue Sitzbänke wird es geben, neue schöne Abfallkörbe aus rostfreiem Stahl, neue Parkplätze für Fahrräder und neue Billetautomaten”, sagt Barry Gibson vom Tessiner Unternehmen, das für die SBB Design-Elemente produziert.

“In den achziger Jahren arbeiteten hier rund 60 Personen, heute sind es höchstens noch zwanzig “, sagt ein früherer SBB-Bahnhofsangestellter, der auf einen Schwatz zu Ferdinando Filippi gekommen ist. Der Bahnhofvorstand, wenngleich noch jung, zählt von den im Bahnhofdienst verbrachten Jahren her bereits zu den Alten.

Radikale Veränderungen

“Ich arbeite seit 1990 hier”, sagt Filippi, “und mir gefiel es immer besonders, dass wir wie eine Familie sind”.

Die SBB hätten zwar die einzelnen Dienste entflochten. “Das führte in zahlreichen Bahnhöfen dazu, dass vieles zerbröckelte und jeder seinen eigenen Karren zieht.” Doch, so Filippi, in Locarno arbeite man noch zusammen, zumindest auf der menschlichen Ebene.

So sei früher der Güterumschlag in Locarno sehr wichtig gewesen. In der Zwischenzeit wurde er jedoch der Cargo-Sektion der SBB oder privaten Transporteuren übertragen.

Auch bei der Gepäckabfertigung habe sich vieles radikal geändert. Früher konnte man von jedem Bahnhof oder von den Poststellen in der Schweiz seinen Koffer aufgeben.

Die Bahnhofsangestellten in Locarno erhielten das Gepäck und gaben es direkt an die Gepäckboten der jeweiligen Hotels weiter. Diesen Service gibt es nicht mehr.

“Für die vielen in Locarno lebenden Senioren ist das ein Problem”, meint Filippi gegenüber swissinfo. Denn auch im Zeitalter der Trolley- und Vierrad-Koffer schaffen Ältere ihren Gepäcktransport nicht immer allein.

Mehr Züge nach Norden

Als positive News sei zu vermelden, dass die Zugsverbindungen ab Locarno in Richtung Norden verbessert werden. Ab Dezember fährt jede Stunde ein Zug in Richtung Zürich und jeweils die Stunde darauf einer nach Basel.

Doch, zur Missbilligung des Bahnhofvorstands, werde die Stellwerk-Zentrale in Locarno eingestellt. Alles werde unter das automatische Kommando von Bellinzona fallen, wohin auch Filippi arbeiten geht.

swissinfo, Raffaella Rossello, Locarno
(aus dem Italienischen von Alexander Künzle)

Der Bahnhof wurde periodisch restrukturiert.

Er war immer schon das Ziel vieler Touristen, besonders während dem internationalen Filmfestival.

Er ist eine Art Nabel für die Stadt und wird momentan einem “Face-Lifting” unterzogen.

Doch verliert er die Kontrolle über die Zugbewegungen.

Locarno ist wegen der Centovalli-Bahn auch ein wichtiger Bahnhof in Richtung Piemont (Domodossola).

Der Bahnhof in Locarno wurde 1874 eingeweiht.
Das Hauptgebäude umfasst die Billetschalter, Büros und Eingangstor mit fünf Bögen.
Zwei Nebenflügel mit Wartesaal und Buffet.
Die Dekoration ist neo-renaissance-mässig nachempfunden.

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