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Bald amerikanische Diplomaten in Teheran?

Die Schweizer Botschaft in Teheran vertritt auch die Interessen der USA. Reuters

Die US-Regierung erwägt laut amerikanischen Medien eine stärkere diplomatische Präsenz in Iran. Seit rund 30 Jahren vertritt die Schweiz mit einem Schutzmacht-Mandat die US-Interessen in der islamischen Republik.

Nach der islamischen Revolution und der Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft in Teheran haben die USA 1980 die diplomatischen Beziehungen mit Iran abgebrochen. Seither vertritt die Schweiz die Interessen der USA in Iran. Ausserdem leistet sie dort konsularische Betreuung von US-Bürgern.

Ein ähnliches Schutzmacht-Mandat übt die Schweiz für die USA auch in Kuba aus, allerdings mit dem Unterschied, dass in Havanna amerikanische Diplomaten unter Schweizer Flagge vor Ort sind. In Teheran sind keine Amerikaner präsent.

Nun erwägt aber die amerikanische Regierung die Entsendung von Diplomaten nach Iran, wie US-Medien diese Woche berichteten. “Die amerikanische Regierung zieht die Eröffnung einer Interessenvertretung in Teheran in Betracht”, schreibt die Financial Times. Noch stünden allerdings keine Entscheidungen an.

Condoleezza Rice dementiert nicht

Die Idee einer amerikanischen Interessenvertretung in Teheran wurde zuerst in einer Kolumne der Washington Post verbreitet. Von der US-Aussenministerin Condoleezza Rice wurde eine solche Idee weder bestätigt noch bestritten.

Doch am Rande der Palästina-Konferenz in Berlin liess sie diese Woche verlauten, dass es für Iraner oft schwierig sei, für Visa-Angelegenheiten die amerikanische Vertretung in Dubai zu erreichen. “Wir möchten, dass vermehrt Iraner die USA besuchen. Wir sind entschlossen, die iranische Bevölkerung zu erreichen”, sagte sie gegenüber Reportern.

Ärger über Iran-Besuch Calmy-Reys

Diskussionen über eine diplomatische Annäherung an Iran sind in den USA nicht neu. Dass gerade jetzt Gerüchte darüber aus der Regierung an die Öffentlichkeit sickerten, erklärt die Nachrichtenagentur AP mit der Verärgerung der USA über den Iran-Besuch der Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey vergangenen März im Zusammenhang mit einem Gasliefervertrag.

Dies führte zu Spekulationen darüber, dass die USA der Schweiz das Mandat in Iran entziehen könnten.

Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) bezweifelt allerdings, dass die amerikanischen Gedankenspiele etwas mit der Verärgerung über die Schweiz zu tun hätten. “Denn einen solchen Aussenposten würden die USA ja wie in Havanna unter der Flagge einer befreundeten Schutzmacht betreiben”, schreibt die Zeitung in Bezug auf die Schweiz.

“Aufwertung der Beziehungen”

Den Iran-Besuch der Schweizer Aussenministerin bezeichnet Victor Kocher, der Nahost-Korrespondent der NZZ, als Routine-Akt. “Leider wurde dieser aus der Optik Israels und der USA, die eine Boykott-Politik gegen Iran betreiben, kritisiert”, sagt Kocher gegenüber swissinfo.

“Wenn man klein ist, muss man sich richtig einschätzen”, meint der Korrespondent, der die Schweizer Nahost-Politik als “gradlinig” beurteilt. Die amerikanische Präventivkampagne gegen Iran hält er dagegen für unproduktiv.

“Sollten die Amerikaner tatsächlich ihre diplomatische Präsenz in Iran verstärken, würde dies eine Aufwertung der Beziehungen zu Iran bedeuten, was zu begrüssen wäre”, sagt Kocher.

Laut dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) in Bern ist die mögliche Eröffnung einer Interessenssektion der USA in Teheran eine von diversen Optionen, die vom US-Aussenministerium seit langem geprüft würden.

swissinfo, Susanne Schanda

Im November 1979 besetzten im Zuge der islamischen Revolution Studenten die US-Botschaft in Teheran und hielten das Personal während 444 Tagen als Geiseln fest.

Seit der Geisel-Krise haben die USA in Iran keine Botschaft mehr. Ihre Interessen werden mit einem so genannten Schutzmacht-Mandat durch die Schweiz vertreten.

Ein eigenes, mit amerikanischem Personal besetztes Büro, betreiben die USA in Dubai. Iraner und Iranerinnen, die ein Visum für die USA beantragen wollen, müssen dies über Dubai tun.

Die Internationale Gemeinschaft verdächtigt Iran, sich unter dem Vorwand eines zivilen Atomprogramms mit Atomwaffen aufzurüsten.

Der UNO-Sicherheitsrat hat Iran in zwei Resolutionen aufgefordert, sein Programm zur Anreicherung von Uran zu stoppen – bisher vergeblich.

Daraufhin haben die USA ein Sanktionsgesetz gegen Iran erlassen. Darin verbieten sie Investitionen von über 20 Mio. Dollar in den iranischen Öl- und Gassektor. Unternehmen, die dagegen verstossen, kommen auf eine schwarze Liste.

Mitte März 2008 schloss die Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg (EGL) im Beisein von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey in Teheran einen Liefervertrag mit der iranischen Gasexport-Gesellschaft ab.

Die USA kritisierten den Vertrag, weil er gegen den Geist der Sanktionen gegen Iran verstosse.

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