Bayerns Nebenschauplätze und deprimierte Konkurrenten
(Keystone-SDA) Heute Abend um 20.30 Uhr beginnt mit dem Spitzenspiel Wolfsburg gegen Bayern München die Bundesliga-Rückrunde. Unabhängig vom Resultat zweifelt niemand an Bayerns Gewinn des Meister-Triples.
Weniger souverän als im Umgang mit dem Ball verhielt sich der FC Bayern neben dem Terrain. Derweil der Vorstands-Boss Karl-Heinz Rummenigge keine Gelegenheit auslässt, die FIFA wegen der geplanten WM in Katar zu attackieren, liess sich der deutsche Rekordmeister seinerseits im Emirat am Persischen Golf verwöhnen. Weitere politische Irritationen löste der FCB mit der späteren Stippvisite in der saudischen Metropole Riad aus. Der frühere DFB-Chef Theo Zwanziger warf dem FCB in der «FAZ» vor, dass der «Kommerz Ethik» schlägt – im Zweifel für den Geldbeutel.
Angesichts der fehlenden Brisanz im Tagesgeschäft wärmten verschiedene Medien ein anderes Bayern-Thema dezidiert auf: Verlängert Pep Guardiola seinen 2016 auslaufenden Vertrag? Der katalanische Starcoach will die Debatte verschieben. Gespräche mit der Teppichetage soll der 44-jährige vertagt haben. Man habe noch Zeit genug, die Zukunft zu regeln. Rummenigge bekräftigte zuletzt, mit dem Pepismus fortfahren zu wollen: «Es gibt nur einen Plan A und der heisst Guardiola.»
In ihrem Kerngeschäft waren die Bayern im ersten halben Jahr unschlagbar gut. Der Champion ohne erkennbares spielerisches Defizit ist auf dem Rasen von der nahezu im Kollektiv chancenlosen Konkurrenz kaum mehr zu stoppen. Der Gewinn der 25. Meisterschaft ist primär eine Frage der Zeit. An der Spitze ist unter normalen Umständen nicht mehr mit einem Umsturz zu rechnen. Dass ausgerechnet jene Bundesliga-Organisation mit dem grössten sportlichen Knowhow eine Elf-Punkte-Reserve verspielt, ist nahezu ausgeschlossen.
Der der nun schon bald zweijährige Münchner Monolog schlägt den entmutigten Verfolgern zunehmend aufs Gemüt. Sie fürchten sich mehr denn je vor dem wirtschaftlichen Muskelspiel des Leaders. Global setzt nur Real und Manchester United mehr um als der deutsche Branchenprimus mit seiner imposanten Rekordzahl von 487,5 Millionen Euro – das Ergebnis entspricht gegen 20 Prozent der gesamten Liga-Bilanz.
Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler malte zur Klub-Konstellation im Land des Weltmeisters in einem Interview mit dem «Kicker» stellvertretend für die übrigen Deprimierten ein düsteres Bild: «Die Lücke zu den Bayern ist nie mehr zu schliessen. So gut scouten kannst du gar nicht, dass du denen einigermassen das Wasser reichen kannst. Da liegen einfach Welten dazwischen.»
Aus dem Umfeld des zweiten Werksklubs sind weniger pessimistische Einschätzungen zu vernehmen. Zumindest in Wolfsburg, der VfL ist derzeit an zweiter Stelle und so gut wie seit 2009 nicht mehr positioniert, halten etwas mehr Spannung für möglich. Der frühere Meister-Trainer Felix Magath traut seinem Ex-Verein sogar den Coup zu, falls die VW-Auswahl die Münchner beim Auftakt zur Rückrunde besiege. «Das war 2009 bei uns nicht anders.»
Magaths Prognose ist mit Vorsicht zu geniessen. Über dem VfL liegt ein unsichtbarer Schleier der Trauer, seit der VfL-Hoffnungsträger Junior Malanda am 10. Januar bei einem Verkehrsunfall aus dem Leben gerissen wurde. Wie sehr die Tragödie um den 20-jährigen Belgier die Mannschaft vereinnahmen wird, ist nicht absehbar.
Der VfL wird inzwischen von jenem Psychologen betreut, der vor fünf Jahren Hannovers Equipe nach dem Suizid von Robert Enke begleitete. Dieter Hecking, selber fünffacher Vater steht vermutlich vor der schwierigsten Herausforderung seiner 15-jährigen Trainerlaufbahn. «Jenseits der Tränen» – die «Südddeutsche» brachte Heckings Situation auf den Punkt. Captain Diego Benaglio sagt nur, dass sie bemüht seien, konzentriert zu arbeiten: «Aber die Momente, in denen du Zeit zum Nachdenken hast und dich die Gefühle einholen, sind nicht leicht.»
Im Prinzip ist das deutsche Championat in drei Kategorien zu unterteilen. Der Sonderfall Bayern und Wolfsburg haben sich in den Top 2 etabliert. Leverkusen und die von Gladbach angeführte Fraktion inklusive der neuntplatzierten Eintracht (sechs Teams innerhalb von vier Punkten) sind ins Gerangel um einen Startplatz in der lukrativen Champions League verwickelt. Die Hälfte des 18er-Feldes kämpft gegen den Abstieg.
Lucien Favre wird im Derby gegen Köln am 14. Februar sein vierjähriges Jubiläum in Mönchengladbach zelebrieren. Der Westschweizer mit dem Fundus von inzwischen 208 Bundesliga-Partien könnte die unter seiner Leitung erzielte 46-prozentige Marktwertsteigerung der Borussia mit einem zweiten Vorstoss zur CL-Qualifikation erneut anheben.
Im Ruhrpott bewirtschaftet für einmal nicht Schalke die Krisenforen, sondern der BVB. Vor Kurzem noch als zweiter Leuchtturm neben Bayern klassifiziert, droht Dortmund der totale Lichtausfall. Jürgen Klopps Ensemble taumelt wegen zehn Fehltritten am Rande des Abgrunds. Nicht am Stern des Südens haben sich die Westfalen zu orientieren, stattdessen ringt der Champions-League-Finalist von 2013 zusammen mit anderen abgestürzten Ex-Grössen wie Hamburg am unteren Ende der Bundesliga-Skala um die Existenz.
Der frühere BVB-Abwehrchef Thomas Helmer, mittlerweile als TV-Mitarbeiter tätig, kratzte vor ein paar Tagen am Lack Klopps: «Jeder Trainer nutzt sich irgendwann mal ab, ein wenig zumindest.» Intern hält der Dortmunder Schulterschluss allerdings an. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke konterte, er halte Klopp trotz der teuren Pannenserie nach wie vor für einen überragenden und unentlassbaren Coach.
Die «Ruhrpost» kommentierte die heikle Situation online wie folgt: «Vielleicht gibt es diese besondere Wahrheit: Klopp ist immer noch der richtige Trainer für den BVB, die Mannschaft aber nicht mehr die richtige für den Trainer.»
18. Runde. Heute, 20.30 Uhr: Wolfsburg – Bayern München. – Samstag, 15.30 Uhr: Schalke – Hannover. Mainz – Paderborn. Freiburg – Frankfurt. Stuttgart – Mönchengladbach. Hamburg – Köln. – 18.0 Uhr: Leverkusen – Dortmund. – Sonntag, 15.30 Uhr: Bremen – Berlin. – 17.30 Uhr: Augsburg – Hoffenheim.