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Bernhard Luginbühl – Schrottkünstler und Pyromane

Bernhard Luginbühl vor seiner Holzdrachen-Skuptur, die er nach der Fertigstellung verbrannte. Keystone

Seit 1947 hat der Berner Eisenplastiker Bernhard Luginbühl rund 1500 Skulpturen geschaffen. Populär machten ihn aber auch seine spektakulären Verbrennungsaktionen. Am 16. Februar wird der Künstler 80.

Luginbühls Werk ist wie eine monströse Berner Schlachtplatte: üppig bestückt, überaus sinnlich und tonnenschwer. In seinem industriellen Zoo tummeln sich Fabelwesen wie “Stier”, “Sisyphus”, “Zyklop”, “Elefant”, “Giraffe”, “Atlas” oder “Skarabäus” und erzählen mit unheimlicher Wucht urweltliche Geschichten.

Dabei sind die Wesen ganz heutig: Schrottplätzen entwachsen. Dort sucht der Künstler ihre Teile zusammen, um sie zu seinen Riesenskulpturen zusammenzuschweissen.

Die Liebe zum industriellen Abfall teilt er mit Schrottkünstlern wie Jean Tinguely oder Robert Müller. Mit ihnen teilt er auch die Anerkennung über die Landesgrenzen hinaus, wobei sich Luginbühl in Mötschwil im Emmental, wo er seit 1966 lebt, wesentlich wohler fühlt als auf dem internationalen Kunstparkett.

An seinem Wohnort machte er 1998 in einem Park 59 seiner Eisenskulpturen der Öffentlichkeit zugänglich.

Geburtstagsbuch

Am kommenden Montag feiert der Künstler seinen 80. Geburtstag. Zu sprechen ist er nicht, das sei “zurzeit halt ein bisschen schwierig”, sagt Ehefrau Ursi Luginbühl am Telefon. Ob es ihm gut gehe? “Klar, er ist am Arbeiten”, mit Hilfe seiner Söhne Basil, Jwan und Brutus, die ihn beim Schweissen entlasten.

Und er schreibt und zeichnet, was das Zeug hält. Zum Geburtstag gibt es im Schlachthaus Burgdorf eine Vernissage seines Buches “Bernhard Luginbühl. Agenda, Skizzen und Notizen 1997-2008”. Es basiere auf seinen Tagebüchern und umfasse über 1000 Seiten, sagt Ursi Luginbühl. Ein monumentales Werk, wie könnte es anders sein.

Luginbühl, 1929 im Berner Lorrainequartier als Metzgerssohn geboren, ist ein Künstler mit Bodenhaftung. “Jedes kleinste Ding hat für mich Bedeutung”, sagte er im Herbst 2003 anlässlich seiner Ausstellung im Museum Tinguely in Basel.

Nicht nur Eisenteile, auch Schädel, Knochen, Skelette, Holzabfälle, gar Kanonen und Sturmgewehre werden Teile seiner surrealen Ungeheuer.

Auffällig ist die grosse Zahl rollender Kugeln, kleine, grosse, vor allem tonnenschwere. “Die Welt ist rund und der menschliche Kopf beinahe auch”, sagte Luginbühl an der Eröffnung der Basler Ausstellung mit Blick auf seinen gewaltigen “Zwilling” (2003), den jüngsten seiner eisernen Atlasse. Gründe genug, Kugeln einen zentralen Platz einzuräumen.

Vulkanische Ader

Dem Leben und seiner Vergänglichkeit auf der Spur war Luginbühl schon in seinen früheren Werken. Zwar schaffte er in den 1950er-Jahren dem damaligen Trend entsprechende, kleine geometrisch-abstrakte Eisenplastiken (“C-Figur” oder “Element”), begleitete sie aber mit lebensnahen Gebilden wie “Modell zur Kuh” oder “Roter Frosch”.

Bald sprengte der Künstler die Ketten der prüden Nachkriegs-Ordnung vollends: Es entstanden das “Nashornbösschen”, “Bärengefängnis mit Anker” oder der gewaltige “General mit goldener Zehe”, schliesslich der rostige “Grosse Frosch” (1986).

Doch Luginbühl ist nicht nur Eisenplastiker. Er ist auch Grafiker, Lyriker und populärer Verbrennungskünstler. Sein Protest gegen die Zerstörung der Lebensgrundlagen geht dabei Hand in Hand mit einem ausgeprägten Sinn für den spektakulären, publikumswirksamen Event.

Zu seinem 70. Geburtstag verbrannte er auf dem Zürcher Sechseläutenplatz die zehn Meter hohe Holzskulptur mit dem vulkanischen Namen “Popocatepetl”.

Zu Beginn setzte er mit einer Fackel die Welt in Brand, eine aus Holzleisten geformte Kugel. Und alsbald begann der ganze Vulkan zu wüten, Feuer und Rauch stiegen zum Himmel, Funkenregen prasselte nieder und immer wieder explodierten Serien von Knallkörpern, bis die Skulptur unter dem Beifall des zahlreichen Publikums tosend zusammenkrachte.

swissinfo und Karl Wüst, sfd

Bernhard Luginbühl wurde am 16. Februar 1929 in Bern geboren.

Nach einer Bildhauerlehre arbeitete er als freier Künstler, zum Teil zusammen mit seiner Frau Ursi und den Söhnen Basil, Brutus und Ivan.

Seit 1965 lebt er in Mötschwil im Emmental auf einem Bauernhof, wo er 1998 in einem Park seine Eisenskulpturen der Öffentlichkeit zugänglich machte.

1967 repräsentierte der die Schweiz an der Weltausstellung in Montreal.

1968 stellte er vor der Kunsthalle Bern seinen “Grossen Zyklopen” auf. “Atlas”, “Skarabäus”, “Frosch” und “Zwilling” heissen weitere Giganten, die Luginbühl aus Eisen bildete.

Seine Arbeiten sind in zahlreichen Büchern und zwei Filmen (von Fredi M. Murer und Peter Guyer) dokumentiert.

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