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Biologische Vielfalt in der Schweiz bedroht

Der Schein trügt: In der Schweiz werden Pflanzen und Tiere immer weniger. picswiss.ch

Eine Vielzahl der Pflanzen- und Tierarten in der Schweiz ist vom Aussterben bedroht. Ursachen sind die zunehmende Überbauung und die extensive Landwirtschaft.

Wissenschafter schlagen Alarm und verlangen eine nationale Strategie gegen das Artensterben.

Die Vielfalt der Pflanzen- und Tierarten in der Schweiz nimmt stetig ab: Von 1030 Moosarten zum Beispiel sind in der Schweiz 39% gefährdet, selten oder ausgestorben. Bei den Flechten sind es 37%. Amphibien sind – ausser dem Grasfrosch – alle gefährdet.

Auch der Vogelschutz (SVS) ist besorgt: Immer mehr Vogelarten in der Schweiz droht die Aufnahme auf die Rote Liste der bedrohten Arten. Rund 40% der Vogelarten gelten als bedroht. Grund dafür sind laut dem SVS Vollzugsdefizite beim Natur- und Artenschutz.

Mit diesen und anderen Beispielen schlagen Wissenschafter Alarm. Sie fordern die Regierung auf, eine Strategie ausarbeiten zu lassen. In der Pipeline sind bereits entsprechende parlamentarische Vorstösse. Geplant ist zudem die Gründung einer parlamentarischen Gruppe “Biodiversität”.

Das Forum Biodiversität der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften hat mit einer Situationsanalyse die Grundlage für eine nationale Biodiversitäts-Strategie ausgearbeitet.

Das Ergebnis dieser dreijährigen Arbeit liegt nun in Buchform vor.

Grosse Schutzgebiete statt Naturparks

Darin kommen die Autoren zum Schluss, dass nicht die Errichtung zusätzlicher Naturparks, die Menschen und Siedlungen ausschliessen, nötig ist. Es brauche vielmehr ein neues Verständnis für Zusammenhänge.

Nötig seien grosse Schutzgebiete in Kombination mit Siedlungsgebieten präzisierte Werner Suter, Biologe an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL).

Auch Claude Auroi von der Uni Genf ist überzeugt: “Die Biodiversität stellt eine Vielzahl von Ökosystemen dar, die nebeneinander bestehen, sich überschneiden und ineinandergreifen.”

Strategieplanung überfällig

Die in der Schweiz vorhandene Biodiversität ist nach Feststellungen Suters zwar relativ gut erfasst. Die zentrale Verpflichtung aber, welche die Schweiz mit der Unterzeichnung der Biodiversitäts-Konvention von Rio eingegangen ist, sei bis heute nicht erfüllt. “Wir wissen zwar, was wir haben und wie es verschwindet, aber nicht, was wir dagegen tun wollen.”

Das Forum Biodiversität schlägt deshalb vor, dass die Regierung eine breit gefasste Arbeitsgruppe mit der Ausarbeitung der längst überfälligen Strategie beauftragt.

Die bisherigen Massnahmen zum Schutz der Biodiversität seien teilweise zwar wirksam. Beim Vollzug gebe es aber Mängel, sagte Bruno Bauer, Vorsteher des Instituts für Natur-, Landschafts- und Umweltschutz der Uni Basel.

Als Beispiel nannte er den Moorschutz. Noch heute würden in den Mooren Entwässerungsgräben und Wege gebaut.

Effektive Massnahmen scheiterten aber auch an so trivialen Fragen wie: Gehört der Waldrand zum Wald oder zur Landschaft? Bis heute hätten sich die Behörden hier nicht einigen können.

Überlebenswichtig

Zur Illustration der Dringlichkeit wirksamer Massnahmen beschwor Baur zudem das Bild pinselbewehrter “Bestäuber” herauf, die anstelle von Bienen und anderen Insekten von Blüte zu Blüte eilen.

Nach Feststellungen der Autoren der Studie reden zwar alle von Biodiversität und der Notwendigkeit von deren Erhaltung. Dass es sich dabei tatsächlich um eine der grössten, überlebenswichtigen Herausforderungen unserer Zeit handle, seien sich nur wenige bewusst.

Das Forum Biodiversität schlägt vor, dass die Regierung eine Arbeitsgruppe mit der Ausarbeitung einer Strategie beauftragt. Diese soll die übergeordneten Ziele formulieren, Möglichkeiten zur Erreichung der Ziele untersuchen und die dafür benötigten Aufwendungen berechnen.

Da ein breiter Konsens erforderlich ist, muss die Arbeitsgruppe nach Ansicht des Forums Vertreter aus Land- und Forstwirtschaft, Jagd und Fischerei, Natur- und Landschaftsschutz, Raumplanung und Regionalentwicklung, Bildung und Wissenschaft, Tourismus, Verkehr, Wirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit umfassen.

Prioritäten festlegen

Wichtig sind nach Ansicht des Forums Prioritäten, wie zum Beispiel: Welche Arten oder Lebensräume müssen vorrangig geschützt werden, weil sie – wie etwa die Rotbuche – vorwiegend in der Schweiz vorkommen?

Welche Bestände einer Art, welche Gesamtfläche eines Lebensraums soll erhalten werden? Soll eine Art oder ein Lebensraum überall oder nur regional erhalten werden?

swissinfo und Agenturen

Die Artenvielfalt in der Schweiz nimmt ständig ab.
Ursachen sind die fortschreitende Überbauung von Boden und die intensive Landwirtschaft
In einem Aktionsplan sollen Prioritäten zur Erhaltung der Biodiversität festgelegt werden.

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