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BKW akzeptiert ElCom-Entscheid zu Verteilnetz – Strategie-Überlegungen (Zus)

(Meldungen zusammengefasst und ergänzt um Hintergrund, Analystenstimmen und Aktienkurs)
Bern (awp) – Der Energiekonzern BKW akzeptiert die von der Elektrizitätskommission (ElCom) verfügte Senkung der anrechenbaren Betriebskosten des Verteilnetzes um 15 Mio CHF pro Jahr. Erstmals wirksam wird die Reduktion im vierten Quartal 2011, und zwar mit 4 Mio CHF, wie BKW am Mittwoch mitteilte. Damit rückt die Bedeutung des regulatorischen Umfelds einmal mehr in den Blick.
Noch hängig ist eine Beschwerde von BKW beim Bundesgericht zum Übertragungsnetz. Hier hatte die ElCom eine Senkung der anrechenbaren Netzkosten für das Jahr 2009 um 10 Mio CHF verfügt. Der Rekurs des Energieversorgers war vergangenen November vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen worden.
Strittig ist die Frage, wie die Netze zu bewerten sind. Gemäss ElCom ist die sogenannte synthetische Netzbewertung nur in Ausnahmefällen zulässig. Die Methode sieht die Berechnung nach dem Wiederbeschaffungswert vor, wenn die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten nicht mehr feststellbar sind.
Dem Regulator zufolge muss die Berechnung aber die tatsächlichen Werte widerspiegeln. Entsprechend nahm die ElCom Abzüge vor. Die Frage der korrekten Netzbewertung bleibe bis zum Entscheid des höchsten Gerichtes offen, hatte die Behörde seinerzeit erklärt.
Analysten sehen den Entscheid in Sachen Verteilnetz neutral bis positiv, sie waren von einer stärkeren Senkung der anrechenbaren Kosten ausgegangen. Die Angelegenheit habe das Sentiment belastet und der Teilabschluss reduziere nun die Unsicherheiten, schreibt etwa die ZKB.
Die Bank Vontobel rechnet mit einem negativen Einfluss von 3% auf das erwartete Betriebsergebnis, wenn BKW einen Teil der Absenkung durch Effizienzmassnahmen kompensieren kann. Die Analysten bevorzugen nach eigenem Bekunden andere Titel aus dem Stromsektor – Alpiq, Repower und Romande Energie.
Am Vorabend war BKW zudem mit strategischen Überlegungen an die Öffentlichkeit getreten. Nach dem Atomunglück in Japan will der Energiekonzern verschiedene Möglichkeiten für den Ersatz des Kernkraftwerks Mühleberg prüfen. Die Anlage macht Analysten zufolge rund einen Viertel des operativen Gewinns bei BKW aus.
Der Ersatz der bestehenden Atomkraftwerke sei völlig offen, mit Bestimmtheit aber um Jahre aufgeschoben, erklärte BKW. Das Unternehmen rechnet damit, dass die neue Strategie in rund einem Jahr beschlossen sein wird.
Ob es damit zu einer strategischen Kehrtwende kommt, muss sich zeigen. Erst im Januar hatte der Stromkonzern die Ausbauziele für erneuerbare Energien im Inland gesenkt, und zwar um 40% auf 600 Gigawattstunden. Der zunehmende Widerstand in der Bevölkerung und die schleppenden Verfahren erschwerten die Realisierung stark, hatte BKW erklärt.
Am Berichtstag notieren die Aktien in einem sehr festen Gesamtmarkt mit leichten Aufschlägen von 0,2% auf 59,25 CHF. Anfangs März wurden noch knapp 80 CHF für die Valoren bezahlt. Nach Ansicht der Vontobel-Analysten ist in der jüngsten Kursentwicklung eine frühzeitige Stilllegung von Mühleberg bereits antizipiert.
cc/ps

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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