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Boxenstopp für Rentenkürzung

Berufliche Vorsorge: Die Renten schrumpfen, aber weniger schnell. Ex-press

Die geplante Kürzung der Renten bei der beruflichen Vorsorge ist von der kleinen Parlamentskammer überraschend abgelehnt worden. Damit ist das Geschäft vorerst auf Eis gelegt.

Der Ständerat war sich einig, dass wegen der Überalterung und tieferer Renditen die BVG-Renten sinken müssen, wollte aber dem forschen Reduktionstempo des Bundesrates nicht folgen.

Der Entscheid, die Vorlage für eine Senkung des Umwandlungssatzes in der beruflichen Vorsorge abzulehnen, fiel im Ständerat mit 22 zu 11 Stimmen.

Zwar war in der parlamentarischen Debatte eine Senkung des Umwandlungssatzes von gegenwärtig noch 7,1% (Frauen: 7,2%) auf 6,4% mit Verweis auf die höhere Lebenserwartung und tiefere Rendite-Erwartungen der Kapitalanlagen breit unterstützt worden.

Der Mindest-Umwandlungssatz legt fest, wieviel Prozent des aufgehäuften Kapitals der Versicherte in Form einer Rente “umgewandelt”, respektive wieder ausbezahlt erhält. Er ist also massgebend für die Höhe der Rente.

Der Umwandlungssatz hängt stark von der künftig erwarteten Rendite ab, welche die Pensionskassen mit dem akkumulierten Sparkapital der Versicherten auf den Kapitalmärkten erwirtschaften (Börsenverlauf). Aber auch die Überalterung der Bevölkerung hat einen Einfluss.

Bundesrat zu rasant

Gemäss der 2003 beschlossenen 1. BVG-Revision würde der Umwandlungssatz bis 2014 auf 6,8% sinken: Für je 100’000 Franken gespartes Kapital gäbe es dann noch 6800 Franken Rente.

Wegen der Überalterung und den tieferen Renditeaussichten hatte der Bundesrat – vom Parlament in Trab gesetzt – inzwischen schon für 2008 eine Senkung auf 6,9% und dann einen etappenweisen weiteren Abbau auf 6,4% ab 2011 vorgeschlagen.

Doch sei dieses Tempo zu rasant, lautete am Dienstag der ablehnende Tenor in der kleinen Kammer.

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Zweite Säule

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Berufstätige, die über 19’350 Franken pro Jahr verdienen, müssen einer Pensionskasse angeschlossen sein. Die Beiträge dieser zweiten Säule werden zu gleichen Teilen von Arbeitnehmenden und Arbeitgebern geleistet. Das angehäufte Kapital wird später in Form einer Rente oder von Kapital zurückbezahlt. Es dient auch zur Aufbesserung einer Rente im Fall von Invalidität oder wird im Todesfall…

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Zwischensieg einer Minderheit

Nach langer Diskussion folgte der Rat einer vom St. Galler Christdemokraten Eugen David angeführten Kommissionsminderheit. Mit 22 zu 17 Stimmen beschloss er, mit dem Abbau ordentlich an die 1. BVG-Revision anzuschliessen und den Umwandlungssatz erst in den Jahren 2014 bis 2018 kontinuierlich auf 6,4% zu senken.

Auch die Kommissionsmehrheit hatte die Gangart drosseln wollen, wenn auch nicht ganz so stark. Sie schlug vor, mit der verschärften Satzreduktion 2009 zu beginnen und die 6,4% im Jahr 2014 statt schon 2011 anzupeilen.

Erst nach den Wahlen wieder

Auf die Seite der in diesem Falle linksbürgerlichen Minderheit schlug sich auch die Sozialdemokratische Partei (SP). Sie sprach jeglicher Rentenkürzung die sachliche Begründung und vor allem die Dringlichkeit ab. Pragmatisch schwenkte sie dann aber auf die mildeste Lösung ein.

In der Gesamtabstimmung jedoch entglitt dem Ständerat die Kontrolle. Zur ablehnenden Linken stiessen nun jene, die sich mit dem Vorschlag der Minderheit von Eugen David nicht hatten anfreunden können, vorab eine Mehrheit der Freisinnigen.

Die Vorlage geht nun an den Nationalrat, der sich voraussichtlich im Dezember – das heisst erst nach den Wahlen – damit befassen wird.

Gemischte Reaktionen

Der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) ist vom Entscheid des Ständerates enttäuscht.

Diesen Entscheid habe man nicht erwartet, sagte SVV-Sprecher Beat Krieger. Belohnt werde dadurch niemand. Vielmehr würden die Aktiven, die Beitragszahler, durch den Entscheid gestraft.

Aus Sicht des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SBG) ist ein Senkungs-Entscheid zurzeit nicht nötig, wie die geschäftsführende Sekretärin Colette Nova erklärte.

Es genüge, die Entwicklung zu beobachten. In zwei bis drei Jahren, wenn sich die Lage verschlechtern sollte, könne man etwas unternehmen.

swissinfo und Agenturen

Die Altersversicherung in der Schweiz basiert auf drei Säulen:

1. Die Alters- und Hinterlassenen-Versicherung (AHV) als Grundrente für alle.

2. Die sogenannte Zweite Säule für alle Berufstägigen, die im Gesetz über die Berufliche Vorsorge (BVG) geregelt ist.

3. Eine individuelle, freiwillige Versicherung mittels Sparkonten, Immobilienbesitz etc. wird als 3. Säule bezeichnet.

Der Mindestumwandlungs-Satz bezieht sich nur auf die berufliche Vorsorge (Pensionskasse, II. Säule), nicht auf die AHV (I. Säule).

Die bestehende Regelung, die erst seit 2005 in Kraft ist, sieht eine Senkung des Umwandlungssatzes von derzeit 7,2% auf 6,8% im Jahr 2015 vor.

Die Regierung (Bundesrat) will ein rasanteres Senkungstempo anschlagen: Sie schlägt vor, den Mindestumwandlungs-Satz zur Berechnung der BVG-Renten bis 2011 auf noch 6,4% zu senken.

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