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Buemi liebäugelt gleich mit WM-Punkten

Guter Jahrgang? Sébastien Buemi aus Aigle vor seiner ersten Formel-1-Saison. Keystone

Wenn der 20-jährige Schweizer Sébastien Buemi am Sonntag in Australien zu seinem ersten Grand Prix startet, hat er nicht nur die vor ihm Platzierten im Blick. Mit etwas Glück könnte er gleich die ersten WM-Punkte holen.

Am Sonntag fällt in Melbourne die Startflagge zum ersten Formel-1-Rennen der Saison. Vieles ist neu in der Königsklasse des Motorsports: Die Autos und das Reglement. Und ein Gesicht: Das von Sébastien Buemi.

Der Waadtländer, einziger Debütant im Starterfeld, pilotiert einen Toro Rosso, in dessen Heck ein Ferrari-Motor heult. Obwohl er noch keinen Grand-Prix-Meter gefahren ist, weiss Buemi, dass es die Premierenrennen nach der langen Winterpause jeweils in sich haben.

“Das erste Saisonrennen hat bisher immer für Überraschungen gesorgt. Wenn ich am Sonntag ohne Fehler durchkomme, liegen sogar WM-Punkte drin”, gab er sich zuversichtlich. Sein Teamkollege, der Franzose Sébastien Bourdais, hatte im letzten Jahr zwei Zähler geholt, und das trotz Motorproblemen.

Nichts dem Zufall überlassen

Top seriös: So bereitet Buemi seinen Start ins Abenteuer Formel 1 vor. Zweimal hat er den fünf Kilometer langen Kurs von Melbourne mit seinen Ingenieuren zu Fuss inspiziert. Und alle Bremspunkte, Bodenwellen und sonstigen Begebenheiten minutiös in seinem Hirn abgespeichert. Das Studium des Melbourne-Rennens 2008 ab Video gehörte ebenfalls zu seinem Programm.

Buemi ist sich aber über zwei Dinge im Klaren: Der Druck, der auf ihm lastet, war noch nie so gross wie jetzt in der Königsklasse. Und die komplett neuen Wagen, die in Down Under aufgrund der Reglements-Änderungen am Start stehen, könnten die Hierarchie im F-1-Zirkus auf den Kopf stellen.

Formel 1 auf der Kostenbremse

Keinen aerodynamischen Krims-Krams mehr, breiterer Frontflügel, schmalerer Heckspoiler, wieder die profillosen Slick-Reifen, Senkung der maximalen Drehzahl, Motoren, die länger halten müssen und massive Reduktion der Test-Kilometer: Das sind die wichtigsten Neuerungen.

Damit soll die Formel 1 nicht nur spannender, sondern vor allem auch billiger werden. Denn die Finanz- und Wirtschaftskrise macht auch vor dem schillernden Kosmos der Formel 1 nicht halt. Der Rückzug von Honda per Ende letzter Saison zeigte drastisch, welch dunkle Wolken über dem eh schon nicht allzu üppigen Starterfeld drohen.

Immerhin: Das Honda-Team wechselte in die Hände von Ross Brawn, dem Ex-Team-Chef von Michael Schumacher bei Renault und Ferrari. Damit zählt die Königsklasse in diesem Jahr noch 20 Autos.

Frontflügel mit Frustpotenzial?

Als besonders heikel könnten sich die neuen Frontspoiler erweisen, die jetzt über die gesamte Breite des Renners reichen. Insbesondere beim Start, aber auch bei Überholmanövern, müssen Lewis Hamilton, Felipe Massa, Kimi Räikkönen, Robert Kubica & Co. aufpassen, dass sie damit keinen Gegner touchieren, oder selber Opfer eines Rencontres werden.

Vom Papier her könnte die reglementarische Zurücksetzung quasi auf Null dem Debütanten entgegen kommen, denn die Autos sind für alle neu, auch für die erfahrenen Cracks. Und eine der herausragenden Eigenschaften Buemis ist, dass er extrem schnell dazulernt, wie Marc Surer lobt, letzter erfolgreicher Schweizer in der Formel 1.

Wie gut ist der Toro Rosso?

Das faktische Verbot von Testfahrten während der Saison könnte aber auch zu einem der grössten Handicaps für Neuling Buemi werden. Dann nämlich, wenn sich sein Toro Rosso in Australien eher als lahmende Kuh denn als schnaubender Bulle erweist.

Zwar war Buemi in den Dezember-Tests in Spanien von Tagesbestzeit zu Tagesbestzeit gerast. Aber im Gegensatz zur Konkurrenz war er noch mit dem Modell 08 unterwegs. Der neue Toro Rosso dagegen wurde erst als einer der letzten Formel-1-Boliden fertig. Ist er schnell? Ist er zuverlässig? Am Sonntag weiss Buemi mehr über sein Gefährt.

Bezüglich Test-Kilometer macht Peter Sauber, Gründer und ehemaliger Chef des heutigen Teams BMW Sauber, denn auch Vorbehalte. Gerade ein junger Fahrer, dessen grösstes Defizit die mangelnde Erfahrung ist, müsse möglichst viele Testkilometer abspulen, sagte Sauber gegenüber swissinfo.

Sébastien/Sébastien

Der Teamkollege ist der härteste Konkurrent, lautet eine Weisheit der Formel 1. Sébastien Buemis Ziel ist es erst einmal, Vornamens-Vetter Bourdais in Qualifying und Rennen möglichst hinter sich zu lassen, wie in den Tests Ende 2008.

Bourdais sorgt nicht nur für Druck, sondern auch für eine gewisse Beruhigung. Das Beispiel des Franzosen zeigt, dass Red Bull nicht gleich fallen lässt, wer mit Anlaufschwierigkeit kämpft. Denn der vierfache Gewinner der amerikanischen Champ-Car-Serie hatte den Toro Rosso 2008 erst in der zweiten Saisonhälfte einigermassen zähmen können.

Im Hinterkopf hat Newcomer Buemi für sein erstes Jahr aber gewiss höhere Ziele. Vielleicht gar das Podium. Dass dies für einen Reiter des Roten Bullen nichts Utopisches ist, bewies der deutsche Sebastian Vettel: Der in Zug lebende Aufsteiger der letzten Saison fuhr in Monza einen sensationellen Sieg heraus – den ersten und bisher einzigen für Toro Rosso.

swissinfo, Renat Künzi

Geboren am 31. Oktober 1988 in Aigle im Kanton Waadt; lebt dort und in Bahrain.

Erste Fahrt in einem Kart 1994. Bis 2003 mehrfache Schweizer und internationale Kartmeisterschaften.

2004 und 2005 in der deutschen Formel BMW, wo er die Meisterschaft als 3. resp. 2. beendet.

2006 steigt er in die Formel 3 auf, wo er 12. der Euroseries wird. 2007 ist er schon Zweiter der Gesamtwertung.

2007 und 2008 fährt er in der GP2, der zweithöchsten Klasse nach der Formel 1. Er verbucht total drei Siege und landet in der Jahreswertung 2008 auf Platz 6.

Ende 2008 unterschreibt er einen Vertrag als Formel-1-Fahrer bei Toro Rosso.

Am 29. März startet Buemi zu seinem ersten Grand Prix in der Formel 1.

Jo Siffert, Clay Regazzoni, Marc Surer: Mit diesen drei Fahrern war die Schweiz über ein Viertel Jahrhundert, nämlich von 1961 bis 1986, prominent und erfolgreich in der Königsklasse des Motorsports vertreten.

Danach hatten zwar noch vier Schweizer Fahrer Formel-1-Luft geschnuppert. Sie waren aber allesamt nach wenigen GP gescheitert.

In der Geschichte der Formel-1-WM ist Buemi der 23. Fahrer aus der Schweiz.

Experte Peter Sauber geht davon aus, dass Ferrari, Toyota und Brown GP sehr schnell sein werden.

Er hofft, dass BMW Sauber – der Zürcher hält noch immer 20% der Firmenanteile – mit diesen Teams mithalten kann.

Nach dem ersten GP-Sieg im letzten Jahr (Kanada) lautet die Zielsetzung für 2009, dass die weissen Boliden mit Nick Heidfeld und Robert Kubica am Steuer regelmässig Grosse Preise gewinnen.

Fragezeichen betreffen McLaren-Mercedes und Renault, die in den Tests Mühe bekundet hatten.

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