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Bundesrat: Die Haltung der Kandidaten zur 5. Schweiz

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Wie wird sich der Nachfolger von Innenminister Pascal Couchepin für die rund 700'000 Auslandschweizer einsetzen? swissinfo.ch stellte diese Frage den drei offiziellen Kandidaten, die am 16. September zur Wahl antreten.

Um den freiwerdenden Sitz des freisinnigen Bundesrats Couchepin kandidieren zwei Mitglieder seiner Partei.

Es sind dies der Neuenburger Ständerat Didier Burkhalter und der Genfer Nationalrat Christian Lüscher.

Die Kandidatur der beiden entspricht der kulturellen (5 Deutschschweizer, 2 aus den lateinischen Landesteilen) und politischen Zusammensetzung der Landesregierung.

Nun will aber auch die nach der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) viertstärkste Kraft im Parlament, die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP), mitmischen.

Sie will versuchen, den 2003 an die Schweizerische Volkspartei (SVP) verlorenen Sitz wieder zu holen und damit die so genannte Zauberformel erneut zu verändern. Mit ihrer Kandidatur rüttelt sie auch an den ungeschriebenen Regeln, die den Ausgang solcher Bundesratswahlen normalerweise prägen.

Mit diesem Ziel vor Augen setzen die Christdemokraten voll auf eine Karte: Am Dienstagabend haben sämtliche anwesenden Fraktionsmitglieder den Freiburger Ständerat und Fraktionspräsidenten Urs Schwaller aus dem deutschsprachigen Kantonsteil zum Kandidaten gekürt.

Dies zum Bedauern der beiden anderen, lateinischen Kandidaten der Partei, die sich ebenfalls für ein Ticket interessierten, der Freiburger Dominique de Buman und der Tessiner Luigi Pedrazzini.

Die drei offiziellen Kandidaten müssen nun diese und Anfang nächster Woche zu Hearings mit den parlamentarischen Gruppen in Bern antreten. Obwohl die Vereinigte Bundesversammlung (National- und Ständerat) theoretisch nicht an die offiziellen Kandidaturen gebunden ist und die SVP ihre Absichten noch nicht kundgetan hat, scheint eine Überraschung aber eher unwahrscheinlich.

Botschafter in Krisenzeiten

Derzeit scheinen die offiziellen Kandidaten die besten Karten zu haben. Daher hat swissinfo.ch Didier Burkhalter, Christian Lüscher und Urs Schwaller zu ihrer Haltung gegenüber der Fünften Schweiz befragt.

Die Frage, wie viele Schweizerinnen und Schweizer im Ausland leben, beantworten alle korrekt (700’000). Trotz ihrer unterschiedlichen kulturellen und politischen Auffassungen sind sich alle drei einig, dass die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer eine wichtige Rolle als Botschafter spielen, die in Krisenzeiten besonders nötig ist.

Burkhalter, Lüscher und Schwaller betonen auch wie aus einem Mund die wichtige Funktion, welche die Fünfte Schweiz für das Image des Landes innehat.

Im Falle einer Wahl zum Bundesrat verspricht jeder von ihnen, darüber zu wachen, die Verbindungen zur Auslandgemeinde aufrecht zu erhalten und zu festigen sowie die Kommunikation mit ihrem Netzwerk zu verbessern.

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Zauberformel

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Zauberformel schlüsselt die sieben Sitze im Bundesrat (Landesregierung) auf die wichtigsten Parteien in der Schweiz nach ihrer Wählerstärke auf. Sie ist eine Usanz und gründet auf keinem Gesetz. Sie respektiert auch das sprachliche Gleichgewicht. Sie kam erstmals 1959 zum Einsatz: Je zwei Sitze erhielten die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP), die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) und die…

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Zukunft der Schweizer Schulen

Was die konkreten Probleme der Fünften Schweiz betrifft, will sich Christian Lüscher dafür einsetzen, dass “Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in keiner Art und Weise gegenüber ihren Landsleuten diskriminiert werden”.

Didier Burkhalter erinnert zuerst an “die Sorgen der Schweizer in den USA mit ihren Bankverbindungen, die Frage der Schweizer Schulen im Ausland und jene der Teilnahme der Expats am politischen Leben der Schweiz”.

Urs Schwaller zitiert ebenfalls das Thema Schweizer Schulen: “Es ist sehr wichtig, den Fortbestand dieser Schulen zu sichern und ihnen die Möglichkeit zu geben, mittel- und langfristig planen zu können.”

Sowohl Schwaller wie Burkhalter stimmten beim Budget 2008 für die Erhöhung des Bundeskredits für die Schulen auf 20 Millionen Franken, und beide halten die Forderung nach einem Bericht über das Thema für gerechtfertigt.

“Das Ziel ist nicht, die Schulen zu gefährden, sondern ihre Funktionsweise besser zu verstehen, um ihnen in den Finanzdebatten, die in den nächsten Jahren schwierig sein werden, eine stärkere Position zu sichern”, erklärt Burkhalter.

Skeptisch gegenüber 27. Kanton

Eine weitere Baustelle der Fünften Schweiz ist das E-Voting. Alle drei Kandidaten anerkennen dessen Notwendigkeit. “Im Prinzip bin ich dafür”, sagt Christian Lüscher. “Es muss nur noch sichergestellt werden, dass diese Abstimmungsart aus informatischer Sicht auch sicher ist.” Er betont, dass der Kanton Genf führend auf diesem Gebiet sei.

In der Frage der Vertretung der Fünften Schweiz im Eidgenössischen Parlament sind aber keine Wunder zu erwarten. Alle drei Kandidaten sind gegenüber der Schaffung eines virtuellen 27. Kantons für die Auslandgemeinde, wie dies von sozialdemokratischen Parlamentariern vorgeschlagen wurde, eher negativ eingestellt.

Urs Schwaller hat “ziemlich viele Vorbehalte” gegen die Schaffung eines neuen Wahlkreises. Christian Lüscher unterstreicht, diese Idee sei “verfassungsmässig kompliziert”. Didier Burkhalter findet die Idee einer “direkten Beteiligung der Schweizer Diaspora im Parlament” zwar interessant, ist jedoch der Meinung, es werde “nicht einfach, einen geeigneten Vorschlag zu finden, der mehrheitsfähig ist”.

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Fünfte Schweiz

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Fünfte Schweiz bezeichnet die Gesamtheit der Schweizer Gemeinden im Ausland. Der Begriff Fünfte Schweiz nimmt Bezug auf die vier sprachregionalen Gemeinden der Schweiz (deutsch-, französisch-, italienisch- und romanischsprachige Schweiz). Über 600’000 Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland, der grösste Teil in Ländern der Europäischen Union. Ihre Interessen werden durch die Auslandschweizer-Organisation (ASO) vertreten.

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Ist die Schweiz isoliert?

In dieser Zeit, in der in der schweizerischen Öffentlichkeit Krise auf Krise folgt, zeigt sich die Isolation der Schweiz, wie viele Kommentatoren festhalten. Beschäftigt dies die Kandidaten?

Didier Burkhalter erzählt, ihm sei mit 18 Jahren in Algerien bewusst geworden, wie wichtig der Rechtsstaat sei. Die Polizei habe damals seinen Pass beschlagnahmt. Es sei wichtig, die Situation “nicht zu dramatisieren”.

“Vor allem muss man Vertrauen in die Haltung der Schweiz haben und diese besser verteidigen und sie besser erklären. Und vielleicht muss man auch vermehrt diplomatische Offensiven im Ausland lancieren”, meint er.

Seine beiden Mit-Kandidaten zeigen sich weniger zuversichtlich. “Wir haben viele Länder, mit denen wir befreundet sind. Aber diese kämpfen nicht notwendigerweise für uns”, bedauert Urs Schwaller. In seinen Augen müssen die Strategien der wirtschaftlichen Entwicklung, der Bildung und der Politik gegenüber dem Ausland schärfer umrissen werden.

Christian Lüscher, der im Rahmen einer post-graduated Ausbildung ein Jahr in Louisiana in den USA verbracht hat, findet auch, dass die internationalen Beziehungen verstärkt werden müssten. “Der Schlüssel für unsere Beziehungen mit dem Westen sind die Verstärkung der Beziehungen zu den USA. Auch Asien muss man sich zuwenden, insbesondere China.”

Carole Wälti, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

Folgende Erwartungen hat die Auslandschweizer-Organisation (ASO) an den neuen Bundesrat, wie Sprecherin Ariane Rustichelli sagt:

1. Das Bewusstsein dafür, was die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer der Schweiz bringen und für die Notwendigkeit, ihre Interessen zu wahren.

2. Entscheidungsfreudigkeit in Bezug auf das E-Voting.

3. Der Wille, die Kommunikation mit den Schweizerinnen und Schweizern im Ausland aufrecht zu erhalten.: “Ob dies nun über die Schweizer Revue, über swissinfo.ch oder die Konsulate ist, die zur Zeit überall ein bisschen geschlossen werden.”

4. Unterstützung für die Schweizerschulen: “Dieses Netz ist auch eine Art, die Schweiz im Ausland zu präsentieren.”

5. Unterstützung zur Schaffung eines Gesetzesartikels zur Anwendung des Artikel 40 der Verfassung, der die 5. Schweiz betrifft, da diese nicht einen einzigen Ansprechpartner in Bern hat.

1. Wie viele Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland? (700’000)
2. In welchen 3 Ländern leben die meisten von ihnen? (Frankreich, Deutschland, USA in absteigender Folge)
3. Qualifizieren Sie die 5. Schweiz in zwei Worten

Didier Burkhalter
1. Ungefähr 700’000, wenn ich mich nicht irre; ein e Zahl, die von Jahr zu Jahr stark zunimmt.
2. Ich glaube, vor allem in Europa und in den USA.
3. Ein starkes Empfinden, einerseits Schweizer und gleichzeitig sehr offen gegenüber dem Ausland zu sein.

Christian Lüscher
1. Zwischen 700’000 und einer Million.
2. Ich glaube, dass Deutschland, Frankreich und die USA unter den ersten 10 Ländern liegen.
3. Ein unentbehrlicher Wissenstank und unsere beste Botschafterin.

Urs Schwaller
1. Ungefähr 700’000.
2. Ich antworte lieber nicht, bevor ich etwas Falsches sage.
3. Eine Chance und ein Symbol für eine offene Schweiz gegenüber der Welt.

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