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Bundesrat muss Media-Abkommen neu verhandeln

Alkoholwerbung: In der Öffentlichkeit ja, am Fernsehen nein, sagt das Parlament. Keystone

Der Nationalrat hat am Montag das Vertragswerk mit der EU zurückgewiesen. Das bedeutet, dass die Schweizer Regierung in Brüssel neu an den Verhandlungstisch muss.

Gemäss Abkommen müsste die Schweiz ihre Werbeverbote für Alkohol, Politik und Religion aufheben. Laut Parlamentsauftrag muss der Bundesrat diese Verbote retten.

Der Nationalrat ist am Montag dem Ständerat gefolgt und hat die Vereinbarung mit Brüssel an die Landesregierung zurückgeschickt.

Grundsätzlich war sich die Mehrheit in der grossen Kammer – mit Ausnahme der Schweizerischen Volkspartei (SVP) – einig über den Nutzen des Abkommens: Es bringe den Schweizer Filmschaffenden wichtige Vorteile, weil diese damit besser von Fördermassnahmen profitieren und an der Öffnung der audiovisuellen Räume in Europa teilhaben könnten.

Standort-, nicht Zielland massgebend

Die Kröte, die es zu schlucken gelte, liege jedoch in der mit dem Abkommen verknüpften Richtlinie “Fernsehen ohne Grenzen” – und dazu wollte die Mehrheit im Rat mit 136 gegen 45 Stimmen keine Hand bieten, wie in der vergangenen Woche schon die kleine Kammer.

Die erst kurzfristig in das Abkommen eingefügte Richtlinie sah im Kern vor, dass bei der Ausstrahlung von Schweizer Werbefenstern durch ausländische Sender künftig nicht mehr das nationale Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) gelten, sondern die Richtlinien des Standortlandes des Senders massgebend sein sollten. Also beispielsweise Deutschland.

Schweizer Interessen verteidigen

Damit wäre das Tor für die Verbreitung von heute verbotener Werbung für Alkohol, Politik und Religion an Radio und Fernsehen aufgestossen und eine RTVG-Revision “unter dem Diktat der EU” zwingend geworden.

Der Entscheid von National- und Ständerat sieht nun vor, etwas Zeit zu gewinnen und den Bundesrat zu beauftragen, mit der EU noch einmal zu verhandeln. Ziel: Spätestens im Herbst 2009 noch einmal eine Vorlage auf den Tisch zu legen. Damit soll erreicht werden, dass den nationalen Interessen der Schweiz besser Rechnung getragen wird.

Den Fünfer und das Weggli

Um die Mittel für die Filmförderung nicht aufs Spiel zu setzen, soll das Abkommen nun aber zugleich weiter provisorisch angewendet werden, weshalb beide Kammern auch einen Kredit von 26,3 Mio. Franken bis 2009 guthiessen.

Im Nationalrat hatten sich am Montag vor allem die Freisinnigen (FDP) und die Grünen für eine Genehmigung des Abkommens bis 2013 ausgesprochen. Sie verwiesen darauf, dass das Media-Abkommen mit der EU ein Teil der Bilateralen II sei und ein Einschwenken der Europäischen Union auf die nationalen Bedürfnisse der Schweiz eine Illusion sei.

Die Mehrheit hingegen zeigte sich überzeugt, dass eine Rückweisung an den Bundesrat unter dem Strich eine bessere Vorlage ermöglichen kann. Das Ziel, mit der EU zu einem ausgewogeneren Media-Abkommen zu kommen und dem Schweizer Filmschaffen damit eine Teilnahme an einem grösseren grenzüberschreitenden Markt zu ermöglichen, könne auch mit der nun beschlossenen Zusatzschlaufe erreicht werden.

swissinfo und Agenturen

Das Media-Programm der EU ist mit insgesamt 1,2 Mrd. Franken dotiert.
Die Schweiz steuert pro Jahr 10 Mio. Franken bei.
Rund die Hälfte der europäischen Kinofilme wurden mit einem Media-Beitrag produziert.
Dank des Media-Abkommens profitieren Schweizer Filmemacher und -Verleiher seit 2004 von den gleichen Bedingungen wie Kollegen und Branche in der EU.

In der Schweiz ist Fernseh-Werbung für politische Parteien und religiöse Institutionen verboten, ebenso für Alkohol, Tabak und Medikamente.

Das Parlament hatte 2006 bei der Revision des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG) an diesen Verboten festgehalten. Dies im Dienste der Transparenz bezüglich Finanzierung von politischen Kampagnen und der öffentlichen Gesundheit.

In der EU ist Fernseh-Werbung für politische Parteien und religiöse Institutionen erlaubt, ebenso für Alkohol, Tabak und Medikamente.

Aufgrund des Media-Abkommens mit der EU widerspricht das RTVG dem Brüsseler Recht. Das Parlament verlangt deshalb von der Schweizer Regierung, dass sie mit Brüssel neu verhandelt.

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