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Bundesrat weiterhin gegen Parallelimporte

Dank Parallelimporten könnten Medikamente bis 18% weniger kosten. Ex-press

Der Bundesrat will noch immer nichts von einer Zulassung von Parallelimporten wissen. Für ihn würde der Nutzen einer Zulassung die Nachteile eines Wechsels nicht aufwiegen.

Gezwungen durch Parlamentsmotionen hat die Landesregierung einen Bericht mit Varianten zum Patentrecht bis zum 30. Juni in die Vernehmlassung geschickt.

Linke Kreise haben wiederholt gefordert, Parallelimporte zu gestatten um damit die Preise für Medikamente, landwirtschaftliche Produkte oder Konsumgüter zu senken.

In ihrer Gesamtschau zur Frage der Erschöpfung des Patentrechts – das Recht des Patentinhabers, zu bestimmen wann wo und zu welchem Preise er sein Produkt auf den Markt bringen will -, erläutert die Landesregierung aus ihrer Sicht die Vor- und Nachteile der drei möglichen Systeme der nationalen, internationalen und regionalen Erschöpfung.

Damit will der Bundesrat die Meinung aller Interessierten einholen und sich in einem zweiten Schritt für einen Ansatz entscheiden, wie das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) am Mittwoch mitteilte.

Bundesrat sieht mehr Nachteile

Der Bundesrat hat bisher am Verbot von Parallelimporten patentgeschützter Güter und damit am Prinzip der nationalen Erschöpfung festgehalten.

Danach kann sich der Patentinhaber der Einfuhr seiner exportierten Güter auf dem Rechtsweg widersetzen, wobei er der kartellrechtlichen Kontrolle untersteht.

Werden diese Parallelimporte zugelassen, kann ein Händler Waren dort einkaufen, wo diese am billigsten sind.

Der Bundesrat ist der Meinung, dass der Patentschutz für den Forschungs- und Entwicklungsstandort Schweiz von erstrangiger Bedeutung ist. Der Nutzen der Zulassung von Parallelimporten würde die Nachteile des Wechsels nicht aufwiegen. Die Hochpreisinsel Schweiz habe ihre Hauptursache nicht im Patentrecht, hiess es.

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Vernehmlassung

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Vernehmlassung oder das Vernehmlassungsverfahren ist die Konsultation von betroffenen und interessierten Kreisen (auch Mitwirkungsverfahren). Sie ist eine wichtige Phase im schweizerischen Gesetzgebungsverfahren. Bei der Vorbereitung wichtiger Gesetze und anderer Vorhaben von grosser Tragweite sowie bei wichtigen völkerrechtlichen Verträgen werden die Kantone, die politischen Parteien und die interessierten Kreise zur Stellungnahme eingeladen.

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Berechtigte Innovationsrendite

Die Haltung der Landesregierung ist klar: Sie ist gegen die Zulassung von Parallelimporten, ist aber bereit, Massnahmen gegen Missbräuche des Patentrechts zu treffen.

Der Bundesrat hat nichts dagegen, dass der Patentinhaber nach Absatzländern differenzierte Preise durchsetzen kann, um die unterschiedliche Kaufkraft abzuschöpfen und seine “Innovations-Rendite” einzustreichen. Mit diesen Gewinnen könnten Forschung und Entwicklung finanziert werden.

Für Justizminister Christoph Blocher würde die Schweiz bei einer Aufgabe des Verbotes von Parallelimporten auf dem Niveau von “afrikanischen und Piratenländern” landen. Zudem würde er eine Volksabstimmung begrüssen, “damit die Leute wissen, worum es geht”.

Weko-Präsident widerspricht

Der Präsident der Wettbewerbskommission, Walter Stoffel, widerspricht Blocher.

Das Eigentum würde bei einer Öffnung nicht angetastet, sagte er in einem Interview der Zeitungen Südostschweiz und Aargauer Zeitung vom Donnerstag.

Die Aussage Blochers sei deshalb absolut unrichtig, dass jene, die gegen die nationale Erschöpfung des Patentrechts seien, auch sonst wenig vom Eigentum hielten. Der Entscheid des Bundesrats, an der nationalen Erschöpfung festzuhalten, sei der Verzicht auf einen Schritt vorwärts, der sehr leicht umsetzbar wäre. “Das ist sehr schade”, sagte der oberste Wettbewerbshüter.

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Weko

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Wettbewerbskommission (Weko) ist dafür zuständig, dass die Schweizer Wettbewerbsregeln nicht missbraucht werden, beispielsweise von Kartellen. Sie wird von einem ständigen Sekretariat in Bern unterstützt, das verdächtige Kartelle prüft und Untersuchungen für die Kommission vornimmt. Die Weko besteht aus 15 vom Bundesrat (Landesregierung) ernannten Mitgliedern. Ihre Aktivitäten sind in drei Kammern aufgeteilt: Produktemärkte, Dienstleistungen und…

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Bis zu 18% Preisreduktion

Die Effekte der Zulassung von Parallelimporten wertet der Bundesrat in ihrem Ausmass als bescheiden. Es sei wichtiger, technische Handelshemmnisse abzubauen, was durch die Übernahme des “Cassis-de-Dijon-Prinzips” möglich wäre. Danach wäre auch in der Schweiz zugelassen, was in der EU frei zirkuliert.

Im Vernehmlassungs-Bericht werden die Effekte eines Systemwechsels beziffert. Bei der internationalen Erschöpfung wäre eine Preisreduktion für Unterhaltungs-Elektronik, Computer, Küchengeräte, Fahrzeuge und Uhren zwischen 6 und 11%, bei Arzneimitteln zwischen 8 und 18% zu erwarten.

Beim Wechsel zur regionalen Erschöpfung betrüge die Preisreduktion für die Konsumentinnen und Konsumenten zwischen 3,5 und 7,5%, bei den Medikamenten zwischen 5 und 11,5%.

Dadurch stiege der private Konsum. Profitieren würde laut Bundesrat in erster Linie der Gross- und Detailhandel.

Vorreiterin Landwirtschaft

Das Parlament will Parallelimporte in der Landwirtschaft zulassen. Bauern können künftig Dünger, Futtermittel, Saat- und Pflanzgut, aber auch Traktoren und Melkmaschinen dort einkaufen, wo diese am billigsten sind.

Das begünstige indes nicht die Landwirte, sondern den Zwischenhandel, stellt der Bundesrat dazu fest.

Unterschiedliche Reaktionen

Die Reaktionen auf die negative Haltung des Bundesrates zu Parallelimporten patentgeschützter Produkte fielen unterschiedlich aus. Wirtschaftsnahe Kreise wie economiesuisse, Gewerbeverband, FDP und SGCI Chemie Pharma Schweiz begrüssen das Nein.

Auf der anderen Seite wünschten sich die grossen Detailhändler, der Konsumentenschutz sowie SP und CVP eine Lockerung. Noch keine Stellung nahm die SVP.

swissinfo und Agenturen

Ein Beispiel: In den meisten Ländern der Welt – so auch in der Schweiz – gilt im Patentrecht das Prinzip der nationalen Erschöpfung.

Die Firma A erfindet eine neue superleichte, wieder verwertbare Flasche, welche sie patentieren lässt. Die Firma A verkauft das neue Produkt sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz zu dem Preis, den sie bestimmt.

Als Folge der nationalen Erschöpfung ist es nicht möglich, dass ohne Zustimmung der Firma A ein Detailhändler X in Deutschland die Flaschen einkauft, um sie in der Schweiz “parallel” einzuführen und (billiger) zu verkaufen.

In der Schweiz kostet ein Produkt im Durchschnitt 20% mehr als in den angrenzenden Ländern der Europäischen Union. Das hat wenig mit den Produktionskosten als mit den Schweizer Vorschriften zu tun, welche die Importe behindern und die Konkurrenz verfälschen.

Der Parallelimport von patentierten Produkten ist verboten.

Bei anderen, nicht patentierten Produkten, sind Parallelimporte gestattet. Aber auch da gibt es Hindernisse wie Rechts-Schwierigkeiten und Beschreibungen auf Beipackzetteln.

Im bäuerlichen Sektor werden Importe durch Grenzzölle verteuert.

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