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Bundesratswahl: Warten auf Widmer-Schlumpf

Keystone

Nach der Nichtwahl von Justizminister Christoph Blocher bleibt die Spannung bestehen. Die in den Bundesrat gewählte SVP-Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf hat sich Bedenkzeit ausbedungen.

Die anderen sechs amtierenden Bundesräte wurden bestätigt. Ob Widmer-Schlumpf die Wahl annimmt, wird sie morgen erklären. Ihre Partei will, dass sie verzichtet.

Die Diskussion um die Wiederwahl von Christoph Blocher hat die Bundesratswahl bis zum letzten Moment geprägt – und für Überraschungen gesorgt: Das Parlament hat am Mittwoch die Bündner Regierungsrätin der Schweizerischen Volkspartei (SVP), Eveline Widmer-Schlumpf, an Stelle von Christoph Blocher in den Bundesrat gewählt.

Bei einem absoluten Mehr von 122 Stimmen erhielt die fast über Nacht ins Rennen geschickte Widmer-Schlumpf im zweiten Wahlgang 125 Stimmen, während SVP-Bundesrat Blocher mit 115 Stimmen geschlagen blieb.

Die Tochter des früheren Bundesrates Leon Schlumpf war von der Sozialdemokratischen Partei (SP), der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) und den Grünen kurzfristig lanciert worden. Offiziell wurde ihre Kandidatur in der Vereinigten Bundesversammlung am Mittwoch nicht mitgeteilt.

Entscheidung fällt morgen

Offen bleibt zunächst, ob die Finanzministerin des Kantons Graubünden die Wahl annehmen wird. Widmer-Schlumpf hatte sich am Mittwochmorgen auf den Weg nach Bern gemacht, um ihren Entscheid vor der Vereinigten Bundesversammlung bekanntzugeben.

Vor der Wahl des Vizepräsidenten des Bundesrats, für die Christoph Blocher nominiert war, beantragte SVP-Fraktionschef Caspar Baader einen Unterbruch der Sitzung.

Nach dem Unterbruch gab der Nationalratspräsident, André Bugnon, bekannt: Widmer-Schlumpf verlangt eine Bedenkzeit bis morgen um 8 Uhr.

Der vor vier Jahren in die Regierung eingezogene Bundesrat Blocher ist damit noch nicht definitiv abgewählt.

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Zauberformel

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Zauberformel schlüsselt die sieben Sitze im Bundesrat (Landesregierung) auf die wichtigsten Parteien in der Schweiz nach ihrer Wählerstärke auf. Sie ist eine Usanz und gründet auf keinem Gesetz. Sie respektiert auch das sprachliche Gleichgewicht. Sie kam erstmals 1959 zum Einsatz: Je zwei Sitze erhielten die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP), die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) und die…

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Gezeichneter SVP-Parteipräsident

SVP-Parteipräsident Ueli Maurer hofft, dass Eveline Widmer-Schlumpf ihre Wahl nicht annehmen werde.

Eine schriftliche Erklärung der Bündner Regierungsrätin besitze er jedoch nicht, wie ein gezeichneter Maurer gegenüber dem Schweizer Fernsehen sagte.

Die SVP sei es sich nicht gewohnt, derartige Dinge schriftlich zu regeln. Am Mittwochmorgen sei für ihn jedoch (noch) klar gewesen, dass Widmer-Schlumpf Nein zu einer Wahl sagen würde.

Maurer bekräftigte ebenso wie der Aargauer Nationalrat Ulrich Giezendanner, dass die SVP in die Opposition gehen werde, falls Widmer-Schlumpf die Wahl annimmt.

Wer an Stelle der beiden offiziellen SVP-Kandidaten Blocher und Samuel Schmid die Wahl annehme, könne nicht Mitglied der SVP-Fraktion sein.

Gang in die Opposition

Die SVP hatte schon vor Blochers Nichtwahl erklärt, bei ihrer Strategie zu bleiben und kündigte für den Fall einer definitiven Nichtwahl ihrer offiziellen Kandidaten den Gang in die Opposition an.

Er hoffe, die CVP sei sich bewusst, was sie mit der Nichtwahl von Blocher in der Schweiz anrichte, sagte Fraktionschef Caspar Baader.

Sie trage dann allenfalls die Verantwortung dafür, dass die Konkordanzregierung von einer Mitte-Links-Regierung nach ausländischem Muster abgelöst werde.

Alle anderen Bundesräte bestätigt

Ausser Blocher wurden alle Mitglieder des Bundesrates für vier Jahre klar bestätigt.

Das absolut beste Ergebnis erzielte Finanzminister Hans-Rudolf Merz mit 213 Stimmen. Sein freisinniger Parteikollege, Innenminister Pascal Couchepin, kam auf 205 Stimmen. Ihm gelang damit ebenfalls ein äusserst glanzvoller Einstieg in seine voraussichtlich letzte Amtsperiode.

Nur wenig schlechter fiel auch das Ergebnis für den weitgehend unbestrittenen zweiten SVP-Vertreter im siebenköpfigen Bundesrat, Verteidigungsminister Samuel Schmid, aus. Er erhielt 201 Stimmen.

Das amtsälteste Mitglied der Landesregierung, Moritz Leuenberger, wurde bei einem absoluten Mehr von 90 Stimmen ebenfalls deutlich bestätigt, seine SP-Parteikollegin Micheline Calmy-Rey kam bei einem absoluten Mehr von 91 Stimmen auf 153 Stimmen. In beiden Fällen hatte die SVP-Fraktion wegen des linksgrünen Widerstands gegen Blocher leer eingelegt.

Die einzige CVP-Vertreterin im Bundesrat, Volkswirtschaftsministerin Doris Leuthard, schaffte die Wiederwahl ebenfalls klar mit 160 Stimmen.

Die neue Bundeskanzlerin heisst Corina Casanova. Die Vereinigte Bundesversammlung hat die 51-jährige Rechtsanwältin und gegenwärtige Vizekanzlerin zur Stabschefin des Bundesrates gewählt.

swissinfo und Agenturen

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Konkordanz

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Unter Konkordanz versteht man die unablässige Suche eines Gleichgewichts oder eines Kompromisses sowohl zwischen Parteien wie auch zwischen den verschiedenen sprachlichen, sozialen und politischen Kulturräumen, welche die Schweiz ausmachen. Einer der offensichtlichsten Aspekte des Konkordanzsystems ist die Aufteilung der sieben Bundesrats-Sitze auf die wichtigsten Parteien nach ihrer proportionalen Wählerstärke, unter Respektierung des sprachlichen Gleichgewichts der…

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In den Bundesrat gewählt wurden:
Moritz Leuenberger mit 157 Stimmen
Pascal Couchepin mit 205 Stimmen
Samuel Schmid mit 201 Stimmen
Micheline Calmy-Rey mit 153 Stimmen
Hans-Rudof Merz mit 213 Stimmen
Doris Leuthard mit 160 Stimmen
Eveline Widmer-Schlumpf mit 125 Stimmen
(offen bleibt, ob sie die Wahl annimmt)

Corina Casanova wurde mit 124 Stimmen zur neuen Bundeskanzlerin gewählt.

Grundsatz: Die Regierungsbildung ist garantiert. Am Schluss jedes Wahlgangs ist eine Person zum Bundesrat gewählt.

Gewählt ist, wer das absolute Mehr erreicht oder am Schluss übrig bleibt.

Zu den ersten beiden Wahlgängen können alle wählbaren Schweizer Bürger antreten.

Gewählt ist, wer das absolute Mehr erreicht.

Verfehlen alle Kandidaten das absolute Mehr, scheidet die Kandidatin oder der Kandidat mit den wenigsten Stimmen aus. Das gilt für jeden weiteren Wahlgang.

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