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CH/Bundesrat setzt “Cassis-de-Dijon-Prinzip” per Anfang Juli in Kraft

Bern (awp/sda) – Geht es nach den Wünschen von Bundesrat und Parlament, kommen ab Anfang Juli die Preise für Import-Produkte aus EU- und EWR-Ländern unter Druck. Der Bundesrat hat am Mittwoch beschlossen, das Bundesgesetz über technische Handelshemmnisse und damit das “Cassis-de-Dijon-Prinzip” in Kraft zu setzen.
Fortan sollen somit Produkte, die in der EU beziehungsweise im EWR rechtmässig in Verkehr gesetzt wurden, auch in der Schweiz ohne zusätzliche Kontrollen vertrieben werden dürfen. Bislang unterschiedliche Anforderungen etwa an die Produktesicherheit oder an die Produkteinformation sollen so künftig in der Regel den Verkauf dieser Produkte in der Schweiz nicht mehr verunmöglichen.
Wer ein in der EU zugelassenes Produkt in der Schweiz verkaufen will, muss so zum Beispiel die Produkteinformationen nicht mehr in drei Landessprachen aufführen – eine reicht. Von der neuen Regeln die ab 1. Juli gelten, dürften insbesondere Kosmetika, Textilien und Möbel profitieren.
Regierung und Parlament versprechen sich von der autonomen Übernahme des “Cassis-de-Dijon-Prinzips” eine Belebung des Wettbewerbs. Dank sinkender Importpreise soll so die Hochpreisinsel Schweiz unter Druck geraten. Der Bundesrat rechnet damit, dass sich die Importe um rund 2 Mrd CHF verbilligen.
Verschiedene Ökonomen stellen hinter diese Zahlen ein Fragezeichen. Gemäss einer Studie der Credit Suisse etwa, sind dem “Cassis-de-Dijon-Prinzip” wegen der zahlreichen Ausnahmen die Zähne gezogen worden.
Grundsätzlich sind Ausnahmen nur zum Schutz überwiegender öffentlicher Interessen möglich. Welche Produkte nach diesem Prinzip geschützt werden sollen, war umstritten. Zu den Ausnahmen gehören etwa 60 Produktegruppen. Sie sind auf Negativlisten aufgeführt.
20 davon betreffen Produkte mit Zulassungspflichten – etwa für Medikamente. 20 weitere sind auf Produkteverbote zurückzuführen – etwa das Verbot von Phosphat in Waschmitteln.
Eine letzte Gruppe von Ausnahmen geht auf einen Bundesratsentscheid vom Oktober 2007 zurück. Die Regierung hatte damals 18 von 128 Ausnahmeanträgen zugestimmt, die die Antragssteller mit höheren Standards der Schweiz im Gesundheits-, Umwelt-, Konsumenten- und Tierschutz begründeten.
So hielt der Bundesrat daran fest, dass bei Süssgetränken der Alkoholgehalt ausgewiesen werden muss oder in Farben und Lacken Blei verboten bleibt. In der Zwischenzeit hat der Bundesrat noch eine Reihe weiterer Ausnahmen beschlossen.
So muss Kaninchenfleisch auch künftig deklariert werden, das aus einer Tierhaltung stammt, die in der Schweiz verboten ist. Eine Deklarationspflicht verlangt die Schweiz in Bezug auf die Energieeffizienz gewisser Elektrogeräte (etwa Kühlschränke, Tumbler, Backöfen oder Set-Top-Boxen).
Für Lebensmittel kommt eine Sonderregel zur Anwendung. Lebensmittel, welche die schweizerischen Produktevorschriften nicht erfüllen aber in einem EU- oder EWR-Land zugelassen sind, können in der Schweiz nur verkauft werden, wenn eine Bewilligung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) vorliegt.
Die CS-Ökonomen begründen ihre gedämpften Erwartungen auch mit den vergleichsweise hohen Ansprüchen der Schweizer Konsumenten. So sei kaum zu erwarten, dass die Grossverteiler ihre Produkte fortan im grossen Stil nur noch einsprachig beschrifteten.
Der Bund will die Auswirkungen des “Cassis-de-Dijon-Prinzips” genau im Auge behalten. Über mehrere Jahre hinweg will er die allgemeine Preisstatistik auswerten und die Folgen der Gesetzesrevison auch dank gezielter Erhebungen evaluieren.
Die autonome Anwendung des “Cassis-de-Dijon-Prinzips” war politisch umstritten. Kritik übten vor allem Landwirtschaftskreise. Ein von der SVP und den Grünen unterstütztes Referendum des Genfer Winzers Willy Cretegny kam jedoch nicht zustande.

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