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CH/Missbräuchliche Kündigung: Schärfere Sanktionen sind umstritten

Bern (awp/sda) – Die vom Bundesrat vorgeschlagenen höheren Entschädigungen nach missbräuchlichen oder ungerechtfertigten Kündigungen sind umstritten: Während die Gewerkschaften sie befürworten und noch weiter gehen wollen, lehnt die Wirtschaft sie kategorisch ab.
Der Entwurf für eine Teilrevision des Obligationenrechts (OR) sieht vor, dass die maximale Entschädigung bei missbräuchlichen Kündigungen von sechs auf zwölf Monatssaläre angehoben wird. Sechs Monatssaläre seien für schwere Fälle eine zu wenig harte Sanktion.
Mit der Erhöhung auf zwölf Monatsgehälter sollen Richter die gesamten Umstände eines Falles würdigen können und über genügend Spielraum verfügen. Vorgesehen ist zudem mehr Schutz bei gewerkschaftlicher Tätigkeit: Arbeitnehmervertreter sollen aus wirtschaftlichen Gründen nicht entlassen werden können.
Ziel ist, dass Personalvertreter, die mit dem Arbeitgeber über einen Sozialplan verhandeln, nicht die Kündigung erhalten. Der Gewerkschaftsbund (SGB), Travail.Suisse, der Verband KV Schweiz und auch die Grünen begrüssen diesen verstärkten Schutz, namentlich für Personalvertreter.
Die vorgeschlagenen Sanktionen genügen ihnen aber bei weitem nicht. Betriebe – vor allem die grössten – könnten einige Monatslöhne aus der Tageskasse begleichen.
Die unter 30’000 Franken, die etwa Tamedia nach der Kündigung des Präsidenten der Personalkommission des “Tages-Anzeigers” habe bezahlen müssen, seien gemessen am Umsatz von 766 Millionen Franken (2009) lächerlich, schrieb der SGB. Das Unternehmen hat den Entscheid angefochten.
Die Grünen und die Gewerkschaften möchten, dass gekündigte gewählte Personalvertreter und Opfer von “antigewerkschaftlichen” Entlassungen wieder eingestellt werden können. Nur so wirke der Kündigungsschutz genügend. Wollten Betroffene nicht zurück in den Betrieb, müssten sie Recht auf eine Entschädigung haben.
Wirtschaftsvertreter, FDP und SVP lehnen den Vorschlag rundweg ab. Die Massnahmen gingen zu weit und schadeten der Wirtschaft. “Die Doppelfunktion der Entschädigung als Wiedergutmachung und Sanktion kann mit dem Höchstbetrag von sechs Monatslöhnen durchaus erfüllt werden,” schreibt der Arbeitgeberverband (SAV).
Der SAV und auch der Gewerbeverband (SGV) befürchten, dass eine Forderung von zwölf Monatssalären einen kleinen Betrieb gefährden könnte. Auch mehr Schutz für gewerkschaftliche Tätigkeit wollen sie nicht. Für den SGV greift die Massnahme zu weit: Es gebe Fälle, wo es objektiv keine andere Lösung gebe als die Kündigung, schreibt er.
Die FDP befürchtet, dass die OR-Teilrevision die Arbeitnehmer in zwei Kategorien aufteile: die Gewerkschafter und der Rest. “Aus wirtschaftlichen Gründen muss jedem Arbeitnehmer gekündigt werden können”, hält sie fest. Sie hält den derzeitigen Kündigungsschutz bei gewerkschaftlicher Tätigkeit für ausreichend.
dl

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