CH/Steuerstreit: Keine Bankkundendaten an die USA geliefert (AF)
(Neu: Keine Stellungnahmen aus den USA)
Bern (awp/sda) – Die Schweiz hat im Steuerstreit mit den USA laut Angaben von Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey keine Bankkundendaten an die USA geliefert. Dies erklärte die Aussenministerin im Anschluss an die Bundesratssitzung vom Mittwoch.
Sie trat damit Gerüchten entgegen, wonach die Schweiz wegen eines Ultimatums der USA kurz davor stehe, wie im Jahr 2009 im Fall der UBS, erneut Kundendaten von mutmasslichen Steuersündern an die USA weiterzugeben.
Die Schweiz könne Amtshilfe nur im Rahmen der heutigen Gesetze leisten, sagte Calmy-Rey. Kundendaten seien keine an die USA geliefert worden. Nicht geschützt seien aber statistische Daten über Beziehungen von Schweizer Banken mit US-Kunden.
In diesem Zusammenhang wollte die abtretende Bundesrätin aber weder bestätigen noch dementieren, dass – wie von diversen Medien vermeldet – solche statistische Daten den USA ausgehändigt worden seien.
Schweizer Sonntagszeitungen hatten berichtet, Staatssekretär Michael Ambühl habe vom stellvertretenden Staatsanwalt James Cole ein Schreiben erhalten, in dem die Amerikaner deutliche Forderungen stellten, die bis Mitte dieser Woche hätten erfüllt sein müssen.
Dass ein solches Ultimatum gestellt wurde, wollen die US-Behörden nicht bestätigen. Zu diesem Zeitpunkt gebe das US-Justizdepartement in dieser Sache keinen Kommentar ab, sagte Charles Miller, Sprecher der Justizbehörden, am Dienstag (Ortszeit) auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Auch die Steuerbehörde IRS und das Aussenministerium waren zu keiner Stellungnahme bereit.
Der Anwalt Scott Michel der Kanzlei Caplin&Drysdale in Washington, welche in den USA steuerpflichtige Personen mit Schweizer Bankkonten berät, glaubt, dass die Verhandlungen zwischen den USA und der Schweiz einen kritischen Punkt erreicht haben. «Das US-Justizdepartement ist nicht zufrieden mit dem bis jetzt Erreichten», sagte Michel der sda.
Bevor aber drakonische Massnahmen ergriffen würden, sei zu erwarten, dass sich auch andere Regierungsorgane in der Sache zu Wort melden.
Beim Brief der US-Staatsanwaltschaft an die Schweiz dürfte es sich laut Michel nicht um eine juristische Eingabe handeln, sondern um einen Forderungsbrief, in dem die US-Justiz bestimmte Daten auf einen konkreten Abgabetermin hin fordert und darauf hinweist, dass andernfalls juristische Schritte eingeleitet werden könnten.
Gemäss dem Anwalt haben die US-Behörden verschiedene Möglichkeiten, rechtlich vorzugehen: Gegen Banken, die auf dem US-Markt tätig sind – zum Beispiel die Credit Suisse -, könnte ein sogenannter John Doe Summons, eine Vorladung an Unbekannt zur Einforderung von Kontendaten, eingereicht werden, wie dies im Steuerstreit mit der UBS geschah.
Gegen Finanzunternehmen und Einzelpersonen, die nicht in den USA tätig sind, könnten sowohl zivil- wie strafrechtliche Klagen eingereicht werden. Die US-Notenbank könnte ausserdem regulatorische Massnahmen ergreifen.