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Christoph Blocher, und die Kontroverse geht weiter

Keystone

Der Ex-Minister hat sich am Freitag an der 20. Albisgüetli-Tagung der Zürcher SVP als Held seiner Partei dargestellt. Gegen die anstehenden Abkommen mit der EU drohte er mit dem Referendum.

Gleichzeitig erregt Blochers Präsenz in den öffentlich-rechtlichen Medien der Deutschschweiz immer mehr Ärger.

“Weiterfahren wie bisher”: Alt Bundesrat Christoph Blocher hat am Freitagabend an der 20. Albisgüetli-Tagung in Zürich den Oppositionskurs der Schweizerischen Volkspartei (SVP) umschrieben.

Seine Rede unter dem Titel “Auf der Seite des Volkes” erhielt immer wieder grossen Applaus.

Bereits beim Eintreffen Blochers im Schützenhaus Albisgüetli hatte es von den über 1400 Parteimitgliedern und Gästen spontanen Applaus gegeben – begleitet von “Christoph”-Rufen.

Seine Rede begann der alt Bundesrat und designierte SVP-Vizepräsident Christoph Blocher mit einem Rückblick auf die Zeit nach der Abwahl vom 12. Dezember. Er habe stossweise Briefe bekommen, sagte Blocher. Das Volk habe gemerkt, dass es nicht recht sei, dass er aus dem Bundesrat gejagt worden sei.

Blocher sieht für die Zukunft der SVP keine grossen Änderungen gegenüber bisher. “Wir machen die gleiche Politik weiter. Einfach an einem anderen Ort. Und mit anderen Mitteln”, sagte er. Der Auftrag der Partei sei identisch mit dem Wahlkampfprogramm “Mein Zuhause – unsere Schweiz”.

Blocher will “Licht ins Dunkel bringen”

Unter Opposition versteht Blocher “Licht in das Dunkel der Unfähigkeit und Misswirtschaft” zu bringen. Wo dieses Licht fehle, entstehe “Vetterliwirtschaft, Sauhäfeli-Saudeckeli-Mentalität, Misswirtschaft, Korruption”.

Die Ankündigung der Opposition habe bereits reichlich Früchte getragen, sagte Blocher weiter. Die anderen Parteien seien unter Druck. Vielleicht müsste die SVP gar nicht viel machen in der Opposition, sondern nur fordern und die Hand aufstrecken – “dann wäre es ja dumm, wenn wir noch in den Bundesrat gingen”.

Der designierte SVP-Vizepräsident bezeichnete die Neustrukturierung der SVP-Parteileitung als “ganz moderne Parteistruktur”. Bern werde in Zukunft mehr von der SVP hören, als ihm lieb sei, sagte Blocher. Die SVP würde nicht mehr einfach warten, was der Bundesrat bringe, sondern mit Initiativen kommen.

Referenden angekündigt

Blocher kündigte am Freitagabend zudem die Referenden für das erweiterte Personenfreizügigkeits- und Elektrizitätsabkommen mit der EU an, falls die EU ihre Forderungen für das Schweizer Steuergesetz nicht ein für allemal fallenlassen werde.

Neben den Kernthemen will sich die SVP auch anderen Themen zuwenden – Blocher nannte als Beispiele die Bildungs- und Energiepolitik. Er sprach sich zudem für den Bau neuer Atomkraftwerke aus.

Rauchpetarde in Lüftung

Der alt Bundesrat genoss seine Rede sichtlich, er redete über eine Stunde. Er liess sich auch nicht aus der Ruhe bringen, als plötzlich das Licht ausging und es eine Rauchentwicklung auf der Bühne gab.

Zuerst war von einem technischen Defekt die Rede – im Nachhinein wurde bekannt, dass es sich um einen Rauchpetardenanschlag handelte. Die Petarde sei von aussen in die Lüftung geworfen worden, sagte OK-Präsidentin Barbara Steinemann.

Kritik an Blochers Medienpräsenz

Arbus, die Vereinigung für kritische Mediennutzung, und die Sozialdemokratische Partei (SP) protestieren gegen die Übertragung von Christoph Blochers Rede auf Radio DRS.

Als “Entgleisung” bezeichnet Arbus Schweiz die Live-Übertragung der Rede an der SVP-Albisgüetlitagung auf DRS 4. Damit stelle sich ein SRG-Medium “in den Propaganda-Dienst der SVP”, unterstütze einseitig die Ziele der SVP, schreibt die Vereinigung in einem Communiqué.

Die SP ihrerseits kritisiert, dass – zusammen mit der Arena am Schweizer Fernsehen – zwei SRG-Sender Christoph Blocher eine derartige Plattform gäben.

Die Parteien SP, CVP, FDP und die Grünen wollen nicht mit Blocher in der Arena aufteten und haben sich von der Diskussionssendung zurückgezogen.

swissinfo und Agenturen

Seit 20 Jahren findet alljährlich im Januar die Albisgüetli-Tagung der Zürcher SVP statt. 19 Mal als Redner dabei war Christoph Blocher.

Blocher wetterte meistens gegen die Regierung, der jeweils eingeladene Bundesrat oder Bundespräsident konnte dagegen halten.

Als Blocher 2003 zum Bundesrat gewählt wurde, änderte die Zürcher SVP das Konzept: Parteipräsident Ueli Maurer übernahm Blochers Rolle.

Erstmals als Bundesrat im Albisgüetli hielt Blocher denn auch eine weniger angriffige Rede. Unter anderem forderte er, dass der Bundesrat sich nicht in den Abstimmungskampf einmischen dürfe.

Zwei Jahre später warb Blocher an der gleichen Stelle für drei Abstimmungsvorlagen des Bundesrates, darunter das neue Ausländergesetz und das revidierte Asylgesetz.

Das Parlament bestätigte 6 der 7 Minister, aber wählte Christoph Blocher nicht wieder. An seiner Stelle wurde Eveline Widmer-Schlumpf gewählt.

Dem streitbaren SVP-Politiker wurde zum Verhängnis, dass er sich während seinen vier Jahren in der Regierung oft wenig konsenswillig zeigte und einen rüden Umgangston anschlug.

Die SVP protestierte gegen die Abwahl Blochers. Weil sie sich durch ihre beiden Vertreter in der Regierung nicht mehr gut repräsentiert sah, beschloss sie den Rückzug in die Opposition.

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