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CIA-Affäre: Gute Noten für zwei Ministerien

Zu Recht verlangte die Schweiz von den USA Auskunft über CIA-Überflüge. Keystone

Die Aufsichts-Kommission des Schweizer Parlaments taxiert das Vorgehen von Verteidigungs- und Aussenministerium in der CIA-Affäre als richtig.

Dick Marty, der Schweizer Ermittler des Europarats, hatte dagegen die Schweizer Behörden kritisiert, sie verhielten sich angesichts der CIA-Aktivitäten zu passiv.

Die Geschäftsprüfungs-Delegation (GPDel), die Aufsichts-Kommission des Schweizer Parlaments über die zivilen und militärischen Geheimdienste, hat keine Beweise für Geheimaktionen des US-Geheimdienstes CIA in Europa. Ihr Präsident, Ständerat Hans Hofmann, lobte am Dienstag vor den Medien in Bern das Verhalten des Aussenministeriums in der so genannten CIA-Affäre.

Der vom Nachrichtendienst des Verteidigungsdepartementes (VBS) abgefangene ägyptische Fax sei ein Zufallstreffer, sagte Hofmann. Die Bearbeitung des Fax durch den Strategischen Nachrichtendienst (SND) sei Routine gewesen. Ungewöhnlich sei nur die Publikation durch den SonntagsBlick gewesen.

Der Fax sei Teil eines aus offenen Quellen gespiesenen Tagesbulletins für die ägyptischen Botschaften gewesen, so Hofmann weiter. Sein Inhalt bilde keinen Beweis für die Existenz von geheimen CIA-Gefängnissen in Europa, von Folterverhören oder Gefangenentransporten durch den Schweizer Luftraum.

Hartnäckiges EDA

Das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) habe richtig gehandelt, als es wiederholt an die amerikanischen Behörden gelangt sei. Es habe klar gemacht, dass illegale Gefangenentransporte gegen das Völkerrecht verstiessen, und habe “hartnäckig” von den USA Erklärungen verlangt. Eine Antwort fehle. Keine Antwort sei auch eine Antwort, sagte Hofmann.

Den Schweizer Behörden liegt laut GPDel gegenwärtig kein Beweis vor, dass der Schweizer Luftraum oder Flughäfen von der CIA illegal benützt worden seien. Einzig im Falle des ägyptischen Imams Abu Omar gebe es Hinweise für eine Verletzung des Schweizer Luftraums. Deshalb habe die Bundesanwaltschaft auch Ermittlungen eingeleitet.

Warten auf Erklärungen

Von den vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) registrierten 74 Überflügen zwischen Dezember 2001 und Dezember 2005 hätten die vier verdächtigen Flugzeuge alle eine Überflugbewilligung gehabt. Keines dieser Flugzeuge habe sich im Direktflug von oder nach dem US-Gefangenenlager Guantànamo in Kuba befunden.

Weil die Schweiz immer noch auf Erklärungen aus den USA warte, sei die bis anhin geltende Jahresbewilligung für Überflüge von US-Staatsflugzeugen nur bis Ende Januar verlängert worden, erklärte der Kommissions-Präsident. Der Bundesrat werde am Mittwoch entscheiden, ob die Bewilligung erneuert, befristet oder mit Auflagen erteilt werde.

Gespräch mit Bundesrat

Schliesslich erklärte Hofmann, die Geheimklassifizierung des ägyptischen Faxes sei gerechtfertigt gewesen, weil eine Veröffentlichung Aufklärungsverfahren der Schweizer Nachrichtendienste preisgebe. Die Publikation im SonntagsBlick sei eine strafbare Handlung.

Die GPDel hatte dem Bundesrat zur CIA-Affäre 24 Fragen gestellt und am letzten Mittwoch während mehreren Stunden mit Aussenministerin Micheline Calmy-Rey, Verteidigungsminister Samuel Schmid und Justizminister Christoph Blocher diskutiert. Sie sprach auch mit Europarats-Berichterstatter Dick Marty.

Sollten sich die Vorwürfe gegen die CIA bewahrheiten, würde das bestimmt ernsthafte Proteste und eine energische Reaktion der Schweiz auslösen, sagte Hofmann. Die Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Partnerdienst wäre getrübt. Ein Abbruch der Beziehungen könnte aber auch ein Eigentor sein.

Marty anderer Meinung

Der Tessiner Dick Marty, der Ermittler des Europarats über die vermuteten CIA-Geheimgefängnisse in Europa, war zu einem anderen Schluss als die Aufsichts-Kommission gekommen.

Es gebe in dieser Frage keinerlei Zweifel mehr, dass der US-Geheimdienst in Europa Menschen verschleppt und gefoltert habe. Marty warf Europa und damit auch indirekt der Schweiz “Heuchelei” vor. Konkret bezichtige er die Schweizer Behörden der Passivität und rief sie auf, sich klar für die Respektierung der Menschenrechte einzusetzen.

swissinfo und Agenturen

10.11. 05: Der Schweizer Geheimdienst fängt einen Fax der ägyptischen Regierung ab. Inhalt: Angebliche Beweise für Geheimgefängnisse des US-Geheimdienstes CIA in Europa.

8.1.06: Der SonntagsBlick publiziert den als “Geheim” taxierten Fax. Dick Marty, Europarats-Ermittler in der CIA-Affäre, wertet das Dokument als Indiz für die Existenz von CIA-Gefängnissen.

In der Schweiz entstehen heftige Diskussionen, ob die Publikation den militärischen Geheimdienst kompromittiert oder nicht.

Laut neueren Zeitungsberichten ist der abgefangene Fax weder geheim noch liefere er irgendwelche Beweise. Der Inhalt stamme von einem rechtsextremen rumänischen Politiker.

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