Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Clariant zieht Notbremse

Der Basler Chemie-Konzern Clariant will mit Hilfe von Verkäufen und weiteren Restrukturierungen wieder schwarze Zahlen schreiben. Keystone

Der Basler Chemie-Konzern Clariant hat im ersten Halbjahr 2003 rote Zahlen geschrieben und steht vor einem radikalen Umbau. Es kommt zu einem Stellenabbau.

Nach einem Gewinn von 145 Mio. Franken im ersten Halbjahr 2002 verbuchte Clariant nun einen Verlust von 49 Mio. Franken.

Unter Ausklammerung der Restrukturierungskosten ergebe sich aber ein Konzerngewinn von 93 Mio. Franken, hiess es in einer Mitteilung von Clariant am Dienstag.

Um die Ertragssituation zu verbessern, kündigte Clariant-Chef Roland Lösser den Verkauf von Geschäftseinheiten sowie weitere Restrukturierungs-Massnahmen an. Die Halbjahres-Ergebnisse unterstrichen die Notwendigkeit den Konzern neu auszurichten, wurde Lösser zitiert.

Die Finanzlage sei angespannt, aber unter Kontrolle, so Lösser weiter. Die Liquidität sei nach erfolgreichen Verhandlungen mit den Banken gesichert. “Rom wurde nicht an einem Tag erbaut, und der Umbau von Clariant dauert auch etwas länger”, sagte der seit März amtierende Lösser weiter.

Die Aussichten für 2003 stuft Clariant als “verhalten” ein. Man erwarte “wenig oder gar keine Hilfe” vom derzeitigen Marktumfeld, das nach Einschätzung von Clariant schwierig bleiben dürfte.

Der Griff zum Verkauf



Die Ertragssituation müsse sowohl kurz- als auch langfristig erheblich verbessert werden. Der Konzernumbau sieht den Verkauf der Geschäftseinheiten Cellulose Ether und Elektronikchemikalien vor.

Clariant erhofft sich aus den Veräusserungen Erlöse von 1,5 Mrd. Franken. Käufer hätten bereits Interesse gezeigt. Diese Bereiche würden von Clariant zu hohe Investitionen fordern oder könnten keine führende Marktposition erreichen, hiess es.

Zudem wird die Geschäftseinheit Custom Synthesis restrukturiert, indem vier Agrochemikalien-Betriebe in den USA und in Deutschland geschlossen werden. Dabei gehen gemäss den Angaben 200 Stellen verloren.

Kosten senken, Cash-flow erhöhen

Kostenreduktion und Erhöhung des Cash-flows seien zur Zeit die Hauptziele des Konzerns, der sich in Zukunft vor allem auf Oberflächen- und Farbtechnologien ausrichten werde.

Bis 2004 soll das Programm eine Verringerung der Kostenbasis von über 100 Mio. Franken bringen. Zielgrösse beim Betriebsgewinn seien mittelfristig 400 Mio. Franken.

Die verschiedenen Massnahmen hätten bereits Einsparungen von 60 Mio. Franken gebracht, hiess es weiter. Der Halbjahresverlust von 49 Millionen Franken sei vor allem Folge eines Abschreibers von 142 Milo. Franken im Zusammenhang mit einer bereits früher beschlossenen Betriebsschliessung. Der Umsatz reduzierte sich um 7% auf 4,273 Milliarden Franken.

Wieviele Stellen gehen verloren

Diese Ziele könnten aber nicht ohne den Verlust von Arbeitsplätzen erreicht werden, heisst es bei Clariant. Welche Bereiche genau betroffen sind und wieviele Mitarbeiter wurde am Dienstag vorerst nicht bekannt.

Clariant hatte nach zwei aufeinanderfolgenden tiefroten Jahresergebnissen im vergangenen Februar bereits ein Restrukturierungs-Programm verbunden mit einem weltweiten Abbau von 1700 Stellen begonnen. Zur Zeit beschäftigt Clariant rund 28’000 Mitarbeiter.

Kritik der Gewerkschaften

Die Gewerkschaft GBI kritisierte, dass das Ausmass des Stellenabbaus weiterhin unklar sei. Die GBI fordert von der Clariant in der Frage des Personalabbbaus eine transparente Informationspolitik und den sofortigen Einbezug der Arbeitnehmer-Organisationen.

Und der Verband Schweizerischer Angestellten-Organisationen der chemischen Industrie (VSAC) erklärte, die Rentabilität der Firma dürfe nicht auf Kosten der Arbeitnehmer verbessert werden. Der Stellenabbau müsse vor allem über Fluktuation und Frühpensionierungen erreicht werden.

Vorerst keine Kapitalerhöhung geplant

Obwohl die Nettoverschuldung des Konzerns sich im vergangenen Quartal nochmals leicht auf 3,686 Mrd. Franken erhöhte und die Eigenkapitaldecke mit 1,061 Mrd. Franken weiterhin dünn ist, wird bei Clariant kurz- und mittelfristig keine Kapitalerhöhung ins Auge gefasst.

Die finanzielle Situation des Konzerns sei stabil, sagte Lösser. Die Bilanz werde duch die Verkäufe der Geschäftseinheiten gestärkt.

Lösser greift beim Umbau auf ein erneuertes Management-Team mit vier frisch ernannten Divisionsleitern zurück. Ergänzt werde das Team durch den früheren Chef von Credit Suisse Financial Services, Thomas Wellauer, der als externer Berater tätig sein wird.

Börse reagiert positiv

Die Aktien reagierten mit einem Höhenflug auf die Ankündigungen der Konzernleitung. Bis Börsenschluss kletterten sie um 17,6% auf 18 Franken. Analysten sahen Clariant auf dem richtigen Weg.

swissinfo und Agenturen

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft