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Comeback der FDP in jurassische Kantonsregierung

Ph. Receveur, Ch. Juillard, L. Schaffter, E. Baume-Schneider, M. Probst (v.l.n.r.) - die neue jurassische Kantonsregierung. jura.ch

Im Kanton Jura kehren die Freisinnigen nach vierjähriger Abwesenheit in die fünfköpfige Regierung zurück. Der Sitzgewinn der FDP erfolgte auf Kosten der Sozialdemokraten.

Die Überraschung des zweiten Wahlgangs ist der Spitzenrang des FDP-Kandidaten Michel Probst mit über 12’000 Stimmen. Die Wahlbeteiligung betrug 47,8%.

Der Kandidat der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP), Michel Probst, verwies die Bisherigen Laurent Schaffter von den unabhängigen Christlichsozialen und Elisabeth Baume-Schneider von der Sozialdemokratischen Partei (SP) überraschend auf die Ehrenplätze.

Auf den 46-jährigen Lehrer und bisherigen Kantonsparlamentarier entfielen 12’469 Stimmen. Bau- und Umweltdirektor Schaffter erhielt 11’998, Erziehungsdirektorin Elisabeth Baume-Schneider 11’876 Stimmen.

Persönlichkeiten wichtiger als Parteienvetreter

“Die FDP ist die einzige Partei, die in allen kantonalen Exekutiven vertreten ist”, erklärte FDP-Vizepräsident Léonard Bender, der in Delémont zu Gast war, erfreut. In den letzten Jahren hätten die Freisinnigen in der Schweiz Rückschläge erlitten, gestand Bender. Der FDP-Sieg im Kanton Jura ist für ihn vor allem der Persönlichkeit von Michel Probst zu verdanken. “Er verkörpert das Neue”, so Bender.

“Ich bin mit meinem Wahlresultat zufrieden”, sagte SP-Regierungsrätin Elisabeth Baume-Schneider. Sie sei nicht geschwächt aus der Wahl hervorgegangen.

Für den CVP-Regierungsrat Laurent Schaffter sind die knappen Wahlresultate ein Zeichen dafür, dass die Wähler eine kollegiale Politik des Konsens wünschen. “Die Jurassier haben mehr für Persönlichkeiten als für Vertreter der politischen Parteien gestimmt”, so Schaffter.

CVP verteidigt ihre zwei Sitze

Der eine der beiden Kandidaten der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP), der 44-jährige Jurist und derzeitige Präsident des Kantonsparlaments Charles Juillerat, schaffte 11’573 Stimmen. Der andere CVP-Kandidat, der 43-jährige Jurist und CVP-Kantonalsekretär Philippe Receveur, machte deren 10’854.

Damit verteidigten die beiden die durch die Rücktritte von Jean-François Roth und Gerald Schaller frei gewordenen CVP-Sitze.

Chancenlos waren wie erwartet die Aussenseiterkandidaten: Pierluigi Fedele von der Arbeiter-Volkspartei erhielt 7483, der Unabhängige Alain Gebel 1091 Stimmen.

Spannungslose Ausgangslage

Die Ausganslage für die Stichwahl war spannungslos, da die SP nach dem schlechten Resultat im ersten Wahlgang kampflos auf den 2002 gewonnenen zweiten Sitz in der Kantonsregierung verzichtete. Er wird nach dem Rücktritt von Claude Heche nun vom Freisinnigen Probst eingenommen, dem bereits im ersten Durchgang mit dem drittbesten Ergebnis eine Überraschung gelungen war.

Nicht mehr angetreten war zur Nachwahl auch die Schweizerische Volkspartei (SVP), die mit ihrem Bewerber am 22. Oktober an zweitletzter Stelle gelandet war.

Auf die spannungslose Ausgangslage wird auch die Wahlbeteiligung zurückgeführt, die erstmals seit 1993 in einer Regierungsratswahl unter 50% lag.

Kantonsparlament: CVP bleibt stärkste Partei

In der ersten Wahlrunde vom 22. Oktober lag die Stimmbeteiligung bei 51,9%, wobei gleichzeitig auch die Wahlen ins Kantonsparlament stattfanden. Dabei blieb die CVP mit 19 Sitzen die stärkste Partei, obwohl sie ein Mandat verlor.

Zweitstärkste Partei ist weiterhin die SP mit 13 Sitzen (-2), vor der FDP mit 11 (-1) und den unabhängigen Christlichsozialen mit 9 (+1). Neu im Parlament vertreten sind die Grünen mit zwei Abgeordneten.

Auch die SVP konnte zulegen und verfügt nun über drei Mandate. Unverändert bleiben die Partei der Arbeit (PdA) mit zwei Sitzen und Combat Socialiste mit einem Sitz.

Premiere für Ausländer

Erstmals konnten die Ausländer im Kanton Jura an Wahlen teilnehmen, dies nachdem das Kantonsparlament im letzten Mai ein entsprechendes Gesetz angenommen hatte.

Zuvor hatte die ausländische Bevölkerung nur bei kantonalen Abstimmungen und Wahlen auf Gemeinde-Ebene mitmachen dürfen.

swissinfo und Agenturen

Am Wiener Kongress 1815 wurde der französischsprachige und katholische Jura vom Bistum Basel zum Kanton Bern geschlagen, der deutschsprachig und protestantisch ist.

Die autonomistische Bewegung für einen eigenen Kanton (Separatisten) gewann in den 1960er-Jahren an Gewicht. 1978 hiess das Schweizer Stimmvolk die Abspaltung vom Kanton Bern zugunsten eines eigenständigen Kantons Jura gut. Gegründet wurde er 1979.

Berntreue Bezirke wählten aber den Weiterverbleib beim Kanton Bern. Der Kanton Jura strebt den Anschluss dieser Bezirke an (Jurafrage).

Die ehemals grossen Spannungen unter den Bevölkerungsgruppen haben sich grösstenteils gelegt, auch dank der Interjurassischen Versammlung, die ihnen als Dialogplattform dient.

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