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Credit Suisse Group erleidet Rekordverlust

Die Wolken über der Credit Suisse haben sich noch nicht verzogen. Keystone

Die Credit Suisse Group erwartet für das Jahr 2002 einen Rekordverlust von 3,4 Milliarden Franken.

Noch im letzten November meinte die Bank, die Talsohle erreicht zu haben. Doch auch die Analysten haben sich verschätzt.

Der zweitgrösste Schweizer Finanzkonzern, die Credit Suisse Group (CSG), erwartet für 2002 den grössten Verlust ihrer Geschichte. Der Reinverlust dürfte sich gemäss provisorischen Zahlen auf 3,4 Milliarden Franken belaufen.

Damit liegt er rund 1 Milliarde Franken höher, als noch im letzten November erwartet. Der prognostizierte Aufschwung liess damals die Börsenkurse steigen. Auch Analysten erwarteten darauf eine Besserung der finanziellen Lage.

Hilary Cook, Analystin bei Barclays in London, reagiert überrascht: “Diese Zahl ist bedeutend schlechter, als irgend jemand erwarten konnte. Die 3,4 Mrd. Franken sind aber hauptsächlich den Rückstellungen zuzuschreiben.”

Trotz des Rekordverlustes legte der CSG-Kurs am Dienstag an der Schweizer Börse gegenüber dem Vorabend um 2,54% auf 32.30 Franken zu (Stand bei Börsenschluss). Der Höchststand lag am Morgen gar bei plus 5,4%.

Verschiedene Gründe für Verlust

Gründe für den Taucher sind vor allem Aufwendungen für US-Prozesse und Restrukturierungen. Allein im vierten Quartal soll der Reinverlust 1 Mrd. Franken betragen.

Während das hohe Minus von 2,1 Mrd. Franken im dritten Quartal hauptsächlich auf den Verlust der Versicherungstochter Winterthur zurückzuführen war, entstanden die hohen Verluste des letzten Quartals wegen Aufwendungen für Rechtsstreitigkeiten der Geschäftseinheit Credit Suisse First Boston (CSFB) in den USA.

Rechtsstreitigkeiten gehen ins Geld

Für die CSFB wird im gesamten Jahr mit einem Reinverlust von 1,8 Mrd. Franken gerechnet, für das vierte Quartal gehe man von einem Verlust von 1,2 Mrd. Franken aus, teilte die CSG am Dienstag mit.

Für die Rechtsstreitigkeiten in den USA will die CSFB neben den schon bekannten 234 Mio. Franken zusätzliche 702 Mio. Franken bereit stellen. Zu Buche schlägt auch der Nachsteuerverlust von 390 Mio. Franken aus dem Verkauf der US-Clearing-Gesellschaft Pershing.

Es geht dabei um das Verhalten von CS-Analysten rund um unrechtmässige Zuteilungen von Aktien bei Börsengängen. Aber auch um die Pleite des US-Energieriesen Enron vom letzten Jahr, in welche die Credit Suisse verwickelt ist.

Weniger rot bei Financial Services

Das zweite Standbein, die Geschäftseinheit Credit Suisse Financial Services (CSFS), rechnet mit einem Reinverlust von 220 Mio. Franken im Jahr 2002. Hier haben vor allem Restrukturierungen in Europa zu Buche geschlagen.

Im letzen Quartal soll allerdings ein Reingewinn von 650 Mio. Franken resultieren, der den Verlust beträchtlich vermindern könnte.

Auch für den Bereich “Private Banking” wird im vierten Quartal ein besseres Ergebnis erwartet.

Winterthur bleibt bei CSG

Das Versicherungsgeschäft (Winterthur) hat im vierten Quartal laut Mitteilung wieder schwarze Zahlen geschrieben. Beide Versicherungssegmente, Leben und Nichtleben, hätten bessere Anlage-Ergebnisse erwirtschaftet als erwartet.

Verkaufsabsichten für die Winterthur gebe es vorerst nicht, sagt CSG-Finanzchef Phil Ryan und widersprach damit entsprechenden Spekulationen, welche in letzter Zeit die Runde machten.

Wieder in die schwarzen Zahlen

Die CS Group will nach dem Rekordverlust im laufenden Geschäftsjahr in die Gewinnzone zurückkehren – dies obgleich der Konzern für 2003 “von anhaltend anspruchsvollen Marktbedingungen” ausgehe.

“Wir arbeiten daran, die Gruppe zurück in die Profitabilität zu führen”, sagt John J. Mack, der die CSG zusammen mit Oswald J. Grübel leitet. Auch Grübel ist der Meinung, dass das gute vierte Quartal der CSFS zuversichtlich stimme.

Der Konzern werde an der bestehenden Geschäftstruktur einschliesslich der Investmentbank Credit Suisse First Boston festhalten, sagt Ryan.

Noch immer herrsche eine grosse Unsicherheit, meint Analystin Cook. “Doch ich denke, mit den getroffenen Massnahmen besteht eine gute Chance, dieses Jahr wieder Profit zu machen – es sei denn, wir hätten eine weitere Baisse.”

Auch François Savary, unabhängiger Analyst, zeigt sich gegenüber swissinfo zuversichtlich: “Für die Zukunft bin ich optimistisch. Denn das Gros des Verlustes ist Anfang Jahr entstanden.”

swissinfo, Christian Raaflaub

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