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Credit Suisse hat Aura des Musterknaben verloren

Nicht nur wegen den Gewinneinbrüchen der Grossbanken herrscht derzeit wenig Sonnenschein auf dem Bankenplatz. AFP

In der Finanzkrise alles richtig gemacht, im Aufschwung aber aufs falsche Pferd gesetzt: Das Image der Credit Suisse und deren Chef Brady Dougan als Musterknabe sei dahin, lautet das übereinstimmende Fazit der Schweizer Presse.

Den beiden Schweizer Grossbanken brechen die Gewinne ein: Zwei Tage nach der UBS hat diese Woche auch die Credit Suisse schwache Quartalszahlen vorgelegt. Um den hohen Kosten Herr zu werden, haben beide den Abbau von Tausenden von Stellen angekündigt.

Im ewigen Duell zwischen den beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse laute die Frage nicht, wer besser, sondern wer weniger schlecht dastehe, schreibt der Blick.

Oswald Grübel habe nach dem Fast-Bankrott zwar die schnelle Wende geschafft, doch beim Aufbruch in eine neue Ära habe er versagt. “Kaum zu fassen, aber die CS wirkt plötzlich noch angeschlagener als der Erzrivale”, diagnostiziert die Boulevardzeitung. “Brady Dougan stand noch vor kurzem als Musterknabe da. Einige Monate mit Schuldenkrise und unruhiger Börse genügten – schon wird auch bei der CS abgebaut.”

Horrende Kosten 

Die Schwachstelle ist klar identifiziert: “Investmentbanking verhagelt der CS das zweite Quartal”, schreibt die Südostschweiz. “Die CS leidet am Investment Banking”, doppelt die Basler Zeitung nach.

Bund und Tages-Anzeiger unterlegen dies mit Zahlen: Im Investmentbanking gingen von 100 Franken Ertrag gut 90 Franken für die Kosten drauf, im Konzern sind es über 82 Franken. Keine andere Grossbank weit und breit weise einen derart horrenden “Kostenblock” auf. “Die Credit Suisse ist abgestürzt – anders lässt sich die Entwicklung der Grossbank in den letzten vier bis fünf Quartalen nicht umreissen”, urteilen die beiden Zeitungen.

Damit sei das Kalkül von Konzernchef Brady Dougan, nach der Krise im gelichteten Konkurrenzfeld das Investmentbanking auszubauen, nicht aufgegangen, “die Credit Suisse segelt mit zu viel Ballast an Bord”. Statt den erhofften grossen Ertrag einzufahren, müsse die Bank nun abspecken, denn etwa 2000 Stellen stünden zur Disposition.

Märkte falsch eingeschätzt

“Die beiden Grossbanken werden heute für ihre unflexible Kostenstruktur bestraft”, schreibt Le Temps. Am Ende der Krise hätten beide den Fehler begangen, den Fixanteil der Löhne zu erhöhen, mit desaströsen Auswirkungen, als sich die Märkte wieder abschwächten.

Auch das weitere Abtauchen des Euro gegenüber dem Franken im Juli verheisse für die Credit Suisse nichts Gutes, befürchtet die Zeitung aus Genf.

Ausbau – Rückbau 

“Enttäuschter Musterknabe – Schlecht belohnte Credit Suisse”, titelt die Neue Zürcher Zeitung. Die CS habe vieles richtig gemacht: Sie habe die Finanzkrise besser als die meisten Konkurrenten gemeistert, habe sich auf die Nachkrisenzeit vorbereitet und anderswo freigestellte Spitzenkräfte antizyklisch eingestellt und sich ohne grosses Murren darangemacht, alle möglichen regulatorischen Vorgaben mustergültig umzusetzen.

“Und nun das: Statt wie erhofft die Früchte all dieser Anstrengungen ernten zu können, muss die Bank ihre vorsorglich erweiterten Strukturen teilweise wieder zurückbauen”, so die NZZ.

Das St. Galler Tagblatt greift zum selben Bild: “Es ist eine harte Landung, die der einstige Musterknabe unter den beiden Schweizer Grossbanken hinlegt. Vorbei sind die Zeiten, in denen die CS ihrer Konkurrentin UBS einen Schritt voraus war und sich der erfolgreichen Bewältigung der Finanzkrise rühmen konnte.”

Auch die CS habe die aktuellen Turbulenzen an den Märkten nicht oder nur ungenügend antizipiert. Die Grossbanken büssten nun für ihre überdurchschnittlich hohen Lohnkosten.

Sturm aus USA 

Doch neben der Rosskur droht der CS weiteres Ungemach, stehe sie doch in den USA wegen möglicher Beihilfe zu Steuerdelikten im Visier der Justiz. “Der Fall UBS hat gezeigt, dass das nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist”, warnt das St. Galler Tagblatt. “Vielmehr ist zu befürchten, dass die CS das Musterknaben-Image bald vollends los sein wird.”

Angesichts des Sturms, der in den USA aufziehen könnte, sei der jetzige Gegenwind ein relativ laues Lüftchen, schreibt das Oltner Tagblatt. “Die Untersuchungen der US-Justiz gegen die Bank im Zusammenhang mit US-Steuerhinterziehern könnten darin münden, dass die Bank eine Busse in hoher dreistelliger Millionenhöhe bezahlen müsste. Sie könnte locker einen Quartalsgewinn auffressen.”

Bankgeheimnis am Ende?

“Hat sich die Bank aus Zürich, der Sonne zu nahe gekommen, die Flügel verbrannt?”, fragt La Liberté. Die Zeitung aus Freiburg schiebt gleich die nächste Gretchenfrage nach: “Ist der Bankensektor in der Schweiz überdimensioniert?” und meint damit das Bankgeheimnis, das praktisch in Agonie liege.

Die aktuelle Währungskrise, die den Franken auf ein Podest stelle und die Schweiz isoliere, spiele den Bankmanagern in die Hände, die nicht den Mut hätten, “eine Katze eine Katze zu nennen”, schreibt La Liberté.

Enttäuschende Quartalsergebnisse, verhaltene Geschäftsaussichten und negative Konjunkturdaten haben am Donnerstag die Schweizer Börse belastet.

Im Blickpunkt der Anleger stand die Credit Suisse. Wegen dem Gewinneinbruch und dem angekündigten Personalabbau büsste die Aktie 3% ein.

Auch der Konkurrenz UBS erging es nicht viel besser. Ihr Aktienpreis schwächte sich um 1,5% ab.

Die UBS hatte am Dienstag ein ebenfalls enttäuschendes Resultat vorgelegt.

Besser erging es der Bank Sarasin, deren Aktien um 3,5% stiegen. Der Gewinn wuchs um 13% und lag im Rahmen der Erwartungen.

Das Absacken des Euro macht auch der Schweizerischen Nationalbank zu schaffen: Die Intervention der SNB rissen von Januar bis Juni ein Loch von insgesamt 10,8 Mrd. Franken in ihre Bücher.

Der Dollar ist gegenüber dem Franken in der ersten Jahreshälfte 9,6% billiger geworden, der Euro 2,4%.

Eine allfällige Wirkung der milliardenschweren Euro-Stützkäufe von April und Mai letzten Jahres durch die SNB scheint verpufft.

Die SNB verzeichnet wegen der Dollarschwäche auch einen Bewertungsverlust von 1,6 Mrd. Franken auf ihren unverändert hohem Goldbestand.

Etwas vermindert wird der Verlust der SNB einzig durch den Stabilisierungsfonds, welcher während der Finanzkrise eingerichtet wurde, um der damals arg ins Strudeln geratenen Grossbank UBS wertlos gewordene Anlagepapiere abzunehmen. Im ersten Semester hat die SNB das Darlehen an diesen Fonds von 11,8 Mrd. auf 8,0 Mrd. Fr. verringern können.

Das letzte Jahr schloss die SNB mit einem Verlust von 19,2 Mrd. Fr. ab. Dies hat spürbare Konsequenzen auf die Kantone: Sie können die in den nächsten Jahren mit keinen Gewinnausschüttungen seitens der SNB mehr rechnen.

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