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“CS-Spitze Dougan und Rohner zu Recht noch im Amt”

Auf Urs Rohner als Ex-Chefjurist der Credit Suisse könnten noch unangenehme Fragen zukommen, sagt Peter V. Kunz unibe.ch

Trotz Busse von 2,8 Mrd. Dollar und Schuldeingeständnis im Steuerstreit mit den USA: Mit Rücksicht auf die Märkte müsse das Führungsduo der Grossbank nicht zurücktreten, sagt Wirtschaftsrechtler Peter V. Kunz. Die Rolle Urs Rohners als früherer CS-Chefjurist werfe aber Fragen auf.

swissinfo.ch: CS, Bundesrat, die Bankiervereinigung und auch die Nationalbank begrüssen die Einigung. Wie beurteilen Sie den Schlussstrich? Ist er gut für die Bank und auch gut für den Finanzplatz und Wirtschaftsstandort Schweiz?

Peter V. Kunz: Für die Credit Suisse ist es zwar ein teurer Schlussstrich, aber ein positiver. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit war für sie sehr belastend. Obwohl die Busse sehr, sehr hoch ist, ist mit ihr die Vergangenheitsbewältigung geschafft und man kann nach vorne schauen.

Der Vergleich ist aber auch für den Finanzplatz und die Schweiz gut, weil insbesondere die Thematik von Notrecht nicht zur Anwendung gelangte.

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Credit Suisse konnte einem “GAU” entkommen

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf sieht mit der Vereinbarung, welche die CS mit den US-Behörden getroffen hat, die Rechtssicherheit und damit den Wirtschaftsstandort Schweiz gestärkt. “Für den Bundesrat ist wichtig, dass eine Lösung im Rahmen der Schweizer Rechtsordnung gefunden wurde”, sagte sie am Dienstagmorgen. Die Anwendung von Notrecht sei damit vom Tisch. Der Bundesrat sei nicht Partei…

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swissinfo.ch: Bei der allgemeinen Erleichterung könnten die negativen Folgen fast übersehen werden. Wie gross ist der neuerliche Imageschaden für die Schweiz und ihren Finanzplatz?

P.V.K.: Ein solcher ist schon vor Jahren entstanden. Die Schweiz und die Schweizer Banken haben seit fünf, sechs Jahren das Image gehabt, dass man hier Schwarzgelder bunkern könne. Dieses Image wurde seit Jahren perpetuiert, zuerst bei der UBS, dann bei der CS, schliesslich mit dem US-Bankenprogramm. Ich denke nicht, dass der Schaden mit diesem Vergleich grösser geworden ist.

Ein Ende mit Schrecken für die Credit Suisse (Tagesschau SRF 20. Mai 2014)

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swissinfo.ch: Von aussen ist schwer nachvollziehbar, wieso die CS-Spitze nicht schneller reagiert hat, statt jetzt in den Hammer der US-Justiz zu laufen. Wie erklären Sie sich die Strategie?

P.V.K.: Ich bin nicht sicher, dass die CS wirklich sehr viel Handlungsspielraum gehabt hat. Ihr Zuwarten war nicht ganz freiwillig. Bei der Eskalation im Fall UBS vor fünf Jahren übernahm  der Bund die Führung; die Verhandlungen mit Staatssekretär Ambühl und Finanzministerin Widmer-Schlumpf versetzten die Banken ins zweite Glied zurück. Deshalb war die CS in den letzten drei, vier Jahren gar nicht in der Lage, ihr Problem durch eigene Verhandlungen zu lösen.

Erst im letzten Jahr, nach dem Scheitern der Lex USA, hat sich der Bund zu Recht zurückgezogen und gesagt, die Banken sollten das Problem selber lösen. (Das Parlament lehnte einen Gesetzesvorschlag des Bundesrats zur Beendigung des Steuerstreits mit den USA ab, die Red.)

Unter diesem Aspekt hat die CS ihre Situation innert eines Jahres im Rahmen des Schweizer Rechts gelöst. Von einem Taktieren der Bank, wie auch spekuliert wurde, gehe ich nicht aus.

Die Strafe gegen die Credit Suisse von 2,8 Mrd. Dollar ist jüngster Höhepunkt des seitsieben Jahren schwelenden Streits um amerikanisches Schwarzgeld auf Schweizer Bankkonten.

Die wichtigsten Stationen

April 2007: Ein ehemaliger UBS-Kundenberater liefert der US-Steuerbehörde IRS Informationen über Tausende von Offshore-Konten der UBS, auf denen reiche Amerikaner ihr Vermögen vor dem Fiskus versteckt haben.

August 2009: Die Schweiz muss den USA 4450 UBS-Kundendaten ausliefern. Die UBS zahlt später eine Busse von 780 Mio. Dollar.

Februar 2012: Die USA haben 14 Schweizer Banken im Visier wegen Verdachts auf Beihilfe zum Steuerbetrug, darunter die CS und die Bank Wegelin.

Dezember 2012: Die Schweiz und die USA einigen sich auf die Einführung des “Foreign Account Tax Compliance Act” (FATCA) auf 2014. Künftig werden sämtliche Auslandskonten von US-Steuerpflichtigen besteuert.

Januar 2013: Die Bank Wegelin gibt in den USA ein Schuldgeständnis ab und erhält später eine Busse von 74 Mio. Dollar. Sie muss aufgeben.

Juni 2013: Die “Lex USA” scheitert im Schweizer Parlament. Sie hätte Banken ermöglicht, Kundendaten in die USA zu liefern.

November 2013: Der Bundesrat erlaubt mehreren Banken, mit den US-Behörden im Rahmen eines neu aufgelegten Programms zur Beilegung des Steuerstreits zu kooperieren.

Dezember 2013: 106 Institute nehmen am Programm teil.

Februar 2014: Der Untersuchungs-Ausschuss des US-Senats beschuldigt die Credit Suisse der Beihilfe zur Steuerhinterziehung.

19. Mai 2014: Die Credit Suisse einigt sich mit den US-Behörden. Die Vereinbarung sieht ein Schuldeingeständnis der Bank sowie eine Busse in Höhe von 2,8 Mrd. Dollar vor.

swissinfo.ch: Die CS hat nach der UBS-Busse 2009 sehr offensiv ihre Rolle als saubere Bank herausgestrichen, was das Geschäft mit US-Kunden betrifft. War das eine reine PR-Kampagne?

P.V.K.: Ich war auch sehr überrascht. Vor fünf Jahren, als die Probleme der UBS offensichtlich waren, hat die CS über Monate immer wieder deklariert, sie hätte diese Probleme nicht. Jetzt bin ich schon überrascht über die Zugeständnisse, welche die CS im “Statement of Facts” gemacht hat, denn so klein war ihre Tätigkeit in den USA in diesem Bereich offensichtlich nicht.

Was besonders negativ wiegt, ist die offenbare Vernichtung von Beweismitteln bei der Bank: Es wurden E-Mails gelöscht und Mitarbeiter, welche die Bank verlassen hatten, wurden nicht einvernommen, wie dies ist in den USA nicht nur üblich ist, sondern auch erwartet wird. Die CS hinterlässt den Eindruck, als hätte sie zu Schummeln versucht. Das ist im Rückblick sicherlich keine kluge Taktik.

swissinfo.ch: Hat Verwaltungsrats-Präsident Urs Rohner tatsächlich eine “weisse Weste”, wie er für sich in Anspruch nimmt?

P.V.K.: Ich halte es für richtig, dass er nicht zurücktritt. In erster Linie aus dem Grund, um die Märkte nicht zu beunruhigen. Entgegen der Forderungen von Politikern sind Verwaltungsrats-Präsident Rohner und CEO Brady Dougan momentan zu Recht noch im Amt.

Aber Urs Rohner ist schon seit längerer Zeit für die CS tätig, und zwar nicht im Verwaltungsrat, wo man sagen kann, man sei operativ nicht beteiligt gewesen. Er war über Jahre Chefjurist und General Counsel der CS. Er war also direkt in diese Problemsituationen involviert.

Was seine heutige Funktion als Verwaltungsrats-Präsident betrifft, dürfte er unbestritten sein. Aber sein Vorleben als Chefjurist und General Counsel wirft sicher Fragen auf, die der Verwaltungsrat und die Aktionäre schon irgendeinmal anschauen sollten.

swissinfo.ch: Neben den erwähnten Aktenvernichtungen belastet das US-Justizministerium Dougan und Rohner mit dem Vorwurf der mangelnden Kooperation. Ist das CS-Führungsduo tatsächlich aus dem Schneider?

P.V.K.: Ich denke schon, was das US-Straf- und Aufsichtsrecht betrifft. Die US-Behörden hätten ohne weiteres die Abberufung der beiden verlangen können. Sie haben dies nicht getan, wohl eben auch aus Rücksicht auf die Märkte.

Etwas völlig anderes ist die Frage, ob es allenfalls noch Zivilklagen gegen die CS und Personen im Management geben wird. Es ist durchaus möglich, dass amerikanische Aktionäre und Kunden Schadenersatzforderungen stellen werden.

swissinfo.ch: Wie sieht es für die anderen 13 Schweizer Banken aus, die in Strafverfahren mit US-Behörden involviert sind? Hat die Einigung mit der CS Signalwirkung für sie?

P.V.K.: Man muss zwei Dinge unterscheiden. Zuerst zur Busse: Sie wird Modellcharakter für die Fälle der anderen Schweizer Banken haben. Für die Höhe der Bussen gibt keine Berechnungsgrundlagen, es spielt also auch eine gewisse Willkür der US-Behörden mit. Es wird also auch für die übrigen Banken sicher teurer werden, als man bisher gedacht hat.

Was das “Guilty plea” betrifft, also das Schuldeingeständnis, sollte dies für die 13 anderen Banken kein Problem sein, wenn man deren Einschätzungen glaubt. Die Zürcher Kantonalbank hat seit Jahren gesagt, dass sie nicht selbst im US-Geschäft aktiv war, sondern über unabhängige Vermögensverwalter. Insofern gehe ich heute davon aus, dass diese Banken weniger Probleme haben sollten als die CS.

Radio SRF, Echo der Zeit vom 20.5.2014: Ein Schuldeingeständnis ohne Schuldige

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swissinfo.ch: Also kein Risiko, dass einer dieser Banken dasselbe Schicksal droht wie der Bank Wegelin, die verschwand?

P.V.K.: Nein. Die Bank Wegelin war ein Sonderfall, weil sie dieses Geschäft ganz bewusst betrieben hatte, wie die Verantwortlichen selber sagten. Die anderen Banken waren zwar auch in den USA präsent, betrieben das Geschäft aber nicht so proaktiv wie Wegelin.

swissinfo.ch: Die CS hat ihre Schuld eingestanden. Können US-Kunden jetzt aufatmen oder kann die US-Steuerbehörde IRS deren Namen noch in die Hände kriegen?

P.V.K.: Ein Aufatmen für die US-Kunden gibt es überhaupt nicht. Zwar werden die Bankkundendaten nicht notrechtlich ausgeliefert, aber es besteht selbstverständlich die Möglichkeit von Amtshilfeverfahren. Der Bundesrat hat zugesichert, dass er zügig Amtshilfe leisten werde und dafür das Personal aufstocke. Nicht heute, aber vermutlich in den nächsten zwei oder drei Jahren werden den US-Behörden die Namen fast aller US-Kunden bekannt gegeben werden.

swissinfo.ch: Ist die hohe Busse und das Schuldeingeständnis der CS von heute der Anfang vom Ende des Steuerstreits mit den USA?

P.V.K.: Ich habe vor drei Wochen in einer Kolumne geschrieben, dass der Steuerstreit im Prinzip erledigt sei. Das einzige, was noch fehle, sei die Rechnung für die pekuniären Verfehlungen der Schweizer Banken. Ich denke, dass sich dies bestätigen wird. Der Steuerstreit ist erledigt, was die Thematik Notrecht und politische Unterstützung durch den Staat anbelangt. Offen ist einzig noch die Schlussrechnung, die sehr teuer ausfällt.

Auch für die 106 Banken, die sich gemeldet haben, werden die Rechnungen sehr hoch ausfallen. Aber sie sollten ohne Weiteres überleben können.

Probleme könnte es in den nächsten zwei Jahren aber für jene Banken geben, die sich nicht am Programm beteiligen, aber in den USA im Schwarzgeld-Geschäft tätig waren. Es kann durchaus sein, dass die eine oder andere kleine Schweizer Bank das Schicksal von Wegelin erleiden wird.

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