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Das Model, das nicht für die USA hungert

Sie hat geschafft, wovon Millionen junger Mädchen träumen: Ronja Furrer pendelt als Model zwischen Paris, Düsseldorf und New York. Dazwischen tankt sie Energie im Ponyhof Bätterkinden, wenn sie auf dem Pferd Korina ausreitet.

Von einem anderen Planeten der Catwalk in Paris oder das Shooting auf Long Island. Der kleine Bach, an dem Ronja Furrer steht, hielt einst das grosse Wasserrad der Mühle Bätterkinden in Schwung.

Verstummt die Anweisungen der Fotografen. Den Rhythmus gibt das verträumt dahinfliessende Wasser vor, das sanfte Kühle verströmt.

Erloschen die Blitzlicht-Kaskaden und wattstarken Leuchten. Warmes Licht der Morgensonne verleiht dem gefragten Gesicht unbeschwerte Natürlichkeit.

Ronja Furrer will nicht ungeteilte Aufmerksamkeit: Korina muss mit aufs Bild. Ein halbes Jahr ist’s her, seit sich das 17-jährige Model aus dem Nachbardorf Lüterkofen und das 22-jährige deutsche Halbblut vom Reitzentrum Ponyhof Bätterkinden gefunden haben.

“Sie sucht sich die Menschen aus, ist sehr gut erzogen und sehr umgänglich”, charaktierisiert Ronja Furrer die Stute.

Beide hoch aufgeschossen, elegant und mit ausdrucksstarkem Blick aus dunklen Augen, wirken sie dennoch ganz anders: Stolz und gesetzt die Pferdedame, lausbubenhaft dank Kurzhaarschnitt das Model.

Dieser ist sowohl praktisch als auch clevere Geschäftsstrategie. Die 17-Jährige weiss die Marke “Ronja Furrer” gewinnbringend zu vermarkten. “80 bis 90 Prozent der Models haben lange Haare, deshalb habe ich fast keine Konkurrenz”, sagt sie.

Die Garçonne

Von Visagistinnen gestylt und Fotografen an den ungewöhnlichsten Locations rund um den Globus inszeniert, gibt Furrer die Garçonne, welche die Betrachterin oder wohl eher den Betrachter mit einer Melange aus männlicher Strenge und mädchenhafter Unbekümmertheit, kühler Distanz und einem Hauch Frivolität verführt.

Malmö und Mallorca heissen die Arbeitsplätze Ronja Furrers. Das Flugzeug ist für sie Transportmittel wie das Stadtvelo für den Schreibenden. Am liebsten ist sie aber daheim bei Eltern und den drei Geschwistern. “Da bin ich immer noch Ronja, nicht das Model.”

Für Korina sowieso. Die gemeinsamen Ausritte gehören zum Leben auf dem Land wie das jährliche Feldschiessen. Ronja streitet mit der älteren Schwester um die Familienvorherrschaft in Sachen Volltreffer.

Kehrseiten des Hochglanzes

Das rastlose Leben für die Präsenz in Hochglanz fordert seinen Tribut – ihre besten Freundinnen sind die ältere Schwester, die Mutter und eine Cousine. Mit ihnen spricht Ronja über die Kehrseiten ihres Berufs: Endlose Arbeitstage, wenig Schlaf, ermüdende Reisen.

Und Einsamkeit. “Ich lerne die Welt kennen, aber es ist schwierig, Menschen kennen zu lernen, viele haben Vorurteile gegenüber dem Beruf Model”, sagt sie. “Sobald ich die Tür zum Hotelzimmer öffne, herrscht Einsamkeit.” Fernseher und Telefonieren im Internet und mit dem Handy lautet ihr Rezept dagegen.

2007 kam die damals 15-Jährige am Weltfinale des Elite-Model-Look-Wettbewerbs in Marrakesch unter die besten 15 von 75 Teilnehmerinnen – es war der Start ihrer internationalen Karriere.

Tränen

Nach ihrer Rückkehr folgte der Schock – Ronja schlug Neid und Missgunst entgegen. “In meiner Klasse an der Oberstufe Schnottwil haben mich neun von elf Klassenkolleginnen gemobbt, indem sie böse Mails über mich im Internet veröffentlichten”, erzählt Ronja Furrer. Nur zwei hätten zu ihr gehalten, beides Bauerntöchter.

Ronja Furrer hat gelernt. Sie macht es wie Korina und sucht sich ihre Menschen aus. “Heute bin ich froh, dass ich weiss, wer meine richtigen Freunde sind.”
Als sie bei ihren ersten Castings in Paris auch Ablehnung erfuhr, gab es bittere Tränen. “Die Booker sind nur am Körper interessiert, nicht an Ronja. Ich musste lernen, damit umzugehen.”

Heute hat sie akzeptiert, dass dies Teil des Business ist. Wie der Griff an Hüfte und Gesäss, der zum Ritual gehört, wenn einem ein Agent oder Booker begrüsst, “um zu kontrollieren, wie dünn man ist”.

Ronja Furrer ist 181 Zentimeter gross und wiegt 55 Kilo. Mit Umstellung der Ernährung – “weniger Nutella, mehr Broccoli”, so die Ratschläge einer Beraterin – senkte sie ihr Gewicht um fünf Kilo.

Bereit für die USA

Für New York, wohin sie Ende August übersiedelt ist, sind das immer noch zwei Kilo zu viel. Hungern für die USA kommt für sie aber nicht in Frage. Auch wenn sie weiss, dass sie an der Fashion Week wohl nur kleinere Shows wird “laufen” können.

Millionen von jungen Mädchen, denen die allgegenwärtigen TV-Castingshows suggerieren, es eines Tages schaffen zu können wie Ronja aus Lüterkofen, würden hier wohl keine Sekunde zögern.

“Sie träumen vom Beruf Model und wissen nicht, wie es wirklich ist. Die TV-Shows vermitteln Bilder einer Scheinwelt voller Klischees”, kritisiert die Insiderin.

Fehlen wird Ronja nicht nur ihrer Familie, sondern auch der guten Korina in ihrem heimeligen Stall neben der Mühle Bätterkinden.

Ronja Furrer bedankt sich für das Gespräch und steigt in den Zug nach Solothurn, zum Schwimmen in der Aare. “Aber nicht in die Badi, dort hat’s mir zu viele Leute!”

Renat Künzi, swissinfo.ch, Bätterkinden.

2006 landet die 14-jährige Ronja Furrer beim Elite Model Look, dem wichtigsten Nachwuchs-Wettbewerb der Schweiz, auf Platz zwei. Sie erhält einen Vertrag von der Schweizer Agentur Option.

Am Weltfinale des Elite Model Look in Marrakesch, für den 75 junge Frauen qualifiziert sind, schafft sie es unter die besten 15 – der Beginn ihrer internationalen Karriere.

Nach Beendigung der Schule lebt und arbeitet Ronja Furrer ein Jahr in Paris.

Zu ihren Kunden gehören Vogue (Ausgabe Brasilien), Style (Online-Auftritt von Vogue), Marie-Claire (Cover Oktober 2009), Glamour, Elle, Annabelle, Schwarzkopf oder C&A.

Seit Anfang September lebt und arbeitet Ronja Furrer in New York.

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