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Das Phänomen des neuen Nationalstolzes

Swissness ist hype! Sind Schweizer Eier besser aus ausländische? Keystone

Schweizer sind sich des "Swiss made" wieder bewusster. Der Begriff "Patriotismus" gehört nicht mehr allein der politischen Rechten.

Laut einer GfS-Studie sehen 70% der Befragten einen Trend zu mehr Swissness. Inbegriff der Schweiz sind Folklore-Firmen und Produkte.

Weniger als ein Viertel der vom Forschungsinstitut GfS-Zürich im Auftrag der Fluggesellschaft Swiss befragten Schweizer und Schweizerinnen kann sich vorstellen, in einem anderen Land als dem eigenen zu leben.

Zwei Drittel sind stolz auf ihre Nationalität. Deutschland wird als das unsympathischste Nachbarland erachtet.

Und: Einheimische Produkte und Dienstleistungen werden als qualitativ besser eingestuft als importierte. So löst eine Flugzeug-Heckflosse mit dem Schweizer Kreuz bei 80% der Befragten positive Gefühle zur Heimat aus – ein Indiz auf die Symbolkraft des Schweizer Kreuzes.

Unterschiede im Nationalstolz zwischen Sprachregionen, Alter, Geschlecht und Parteinähe lassen sich laut GfS kaum feststellen.

Kein Röschtigraben in der Deutschland-Sicht

Auch die Aversionen gegenüber Nachbarstaaten sind statistisch zwischen den Sprachregionen ähnlich verteilt: 23% aller Deutsch-, 24% aller Westschweizer und 33% der Tessiner nennen Deutschland als “unsympathischstes Nachbarland”.

Bei der Sympathie gibt es grössere Unterschiede zwischen den Sprachregionen: 43% aller Deutschschweizer nennen Deutschland als sympathischstes Nachbarland, 55% aller Romands Frankreich und gar 64% aller Tessiner Italien.

Die Schweizer schätzen, was sie haben. Sie mögen an ihrem Land vor allem die politische Stabilität mit den Elementen Sicherheit, Demokratie, Ruhe und Freiheit, gefolgt von der Lebensqualität an sich, der Landschaft und der Sauberkeit.

Als Drittes wird die soziale Sicherheit mit dem Element Sozialsystem genannt, was aufgrund der unterstützten Fragestellung laut GfS “eigentlich überraschend” ist.

Zuverlässig und konservativ

Die Antworten auf die Frage, was die typisch schweizerischen Eigenschaften seien, lauteten (in Prozent): zuverlässig (17), konservativ im negativen Sinn (13), bodenständig (10), naturverbunden (8), engstirnig (8), qualitätsbewusst (6), fleissig (5), egoistisch (5), etc.

Die Romands sehen sich als weniger zuverlässig, aber dafür naturverbundener. Die Tessiner nehmen die Schweiz vor allem als konservativ im negativen Sinn wahr – andererseits identifizieren sie sich überdurchschnittlich mit der Schweiz.

Was das Ausland vermehrt wahrnehmen sollte

Dass man im Ausland den schweizerischen Fleiss, die Zuverlässigkeit und die Bodenständigkeit nicht gebührend wahrnimmt, glaubt ein Drittel der Befragten. Allerdings: Die Schweizer glauben auch, dass wir im Ausland als nicht so konservativ angesehen werden, wie wir uns im Inland selber sehen.

Laut GfS zeichnet sich in dieser Umfrage eine Art “neuer Patriotismus” ab. Besonders bei der jüngeren Generation habe der Begriff immer weniger mit dem gängigen, ideologisch behafteten Rechts/Links-Schema der 70er Jahre zu tun.

“Patriotismus” werde als Begriff von der Hälfte der Befragten als positiv angesehen. Wobei die Tessiner als “am patriotischsten” abschneiden.

Die Soziologin Cintia Meier von der Universität Freiburg setzt diesen Neo-Nationalstolz aber in einen anderen Bezug. “Es handelt sich bei dieser Einstellung um einen spezifischen, nicht einen normalen Patriotismus”, sagt sie gegenüber swissinfo.

“Die Befragten sind nicht einfach stolz auf ihr Land, sondern sie glauben, sie seien besser als die anderen.”

Reaktion auf die vielen negativen Ereignisse

Die Freiburger Soziologin analysiert, dass die Schweiz als “kleines Land ohne Bodenschätze und Ressourcen” zwar stolz auf das Geleistete sein könne. Das habe zu einem gewissen Nationalstolz geführt. Nur: Die Schweiz sei heute nicht mehr, was sie einmal war.

Für Cintia Meier ist dieser Neo-Nationalstolz keine Überraschung, sondern eine “Folge der zahlreichen negativen Ereignisse, mit denen die Schweizer in letzter Zeit fertig werden mussten”.

“Die Schweiz ist ein Land mit einem guten Renommé und wir sind gut positioniert”, fährt die Soziologin fort. “Doch das Problem besteht darin, dass wir nicht aus den begangenen Fehlern lernen wollen. Das braucht noch viel Zeit.”

Wirtschaftlich präsentiere sich die Situation nicht besser als in anderen Ländern. Die gesellschaftlichen Probleme nähmen zu, die Politik rutsche nach rechts und die Frauen fehlten in der Regierung.

Ist Swiss made besser?

Ein positives Image geniessen laut der GfS-Umfrage auch die Schweizer Firmen. Die Hälfte der Befragten glauben, dass die Pharma-, Uhren- und Metallindustrie, Nestlé, Swiss und die Grossbanken einen besseren Ruf geniessen als andere Unternehmen.

Entsprechend geben fast zwei Drittel der Befragten an, Schweizer Produkten den Vorzug zu geben. Noch mehr sind gar bereit, dafür mehr zu bezahlen. 70% Prozent der Befragten glauben auch, dass die Schweiz im Trend liegt oder trendy ist.

swissinfo und Agenturen

Die Schweizer bleiben dem Klischee der Schweiz verbunden. Heimat wird sehr kleinräumig erlebt.

Fast 60% leben sehr gerne in der Schweiz, nur 23% können sich ein Leben in einem anderen Land vorstellen.

Das zentrale Cluster ist die politische Stabilität. Dann folgen Lebensqualität, und schliesslich soziale Sicherheit.

70% der Befragten sehen einen Trend zu Swissness.

Vor allem im Food-Bereich wird auf Schweizer Herkunft geschaut, man ist bereit, bis 14% mehr für “Made in Switzerland” zu bezahlen.

Patriotismus ist zumindest für die Jungen kein politischer Links/Rechts-Begriff mehr.

Das Forschungsinstitut GfS-Zürich machte im Dezember 2003 eine Umfrage zum Thema “Swiss made” und “neuer Patriotismus”.

Die Umfrage wurde im Auftrag von Swiss International Air Lines Ltd. durchgeführt.

Befragt wurden 1006 Schweizer Stimmbürger und Stimmbürgerinnen aus allen Landesteilen.

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