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Das Rennen für ein nachhaltiges Wachstum

Die Athletin Magali Di Marco-Messmer scheut sich nicht, ihre politischen Ideen bekannt zu machen. EQ Images

Die meisten Spitzensportler ziehen es vor, sich politisch nicht zu exponieren, auch nicht bei Wahlen. Eine Ausnahme ist Magali Di Marco-Messmer, die sich nicht scheut, für Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit einzustehen.

Magali Di Marco-Messmer, bald 40-jährig, hat noch lange nicht im Sinn aufzuhören. Auf der Suche nach weiteren Höchstleistungen hat die Bronzemedaillengewinnerin im olympischen Triathlon 2000 in Sydney eine neue Herausforderung gefunden: den Laufsport.

Sie will sogar den Marathon an den olympischen Spielen von London bestreiten. “Das wäre eine schöne Herausforderung, doch dafür müsste ich meine Werte noch erheblich steigern”, meint sie. Wenn es darum geht, sich für Ideen einzusetzen, engagiert sich Magali Di Marco-Messmer mit der gleichen Leidenschaft wie für den Spitzensport.

swissinfo.ch: Würden Sie sich als politisch engagierte Person bezeichnen?

Magali Di Marco-Messmer:  Ich habe eine Meinung, die ich auch vertrete. Was ich am meisten hasse, ist die Ungerechtigkeit. So sehr ich das Debattieren über Ideen schätze, so wenig interessieren mich jedoch die politischen Ränkespiele.

Als Sportlerin habe ich Gelegenheit, mich öffentlich zu äussern und vielleicht sogar die Meinung der Leute etwas zu beeinflussen. Dies ist bereits der Anfang eines Engagements.

swissinfo: Sie sind eine der wenigen Persönlichkeiten aus dem Sport, die sich frei zu politischen Themen äussert. Warum sind Andere so zurückhaltend?

M.D.: In unserem Land haben alle das Glück, sich frei äussern zu können, nutzen wir dies! Dieses Zögern ist eine typisch schweizerische Haltung. Ja keine hohen Wellen werfen und möglichst den Kopf einziehen aus lauter Angst vor Kritik.

Für andere Spitzensportler spielen die kommerziellen Interessen eine wichtige Rolle. Denn nur mit einem makellosen Image behält man die Gunst der Konsumenten.

swissinfo.ch: Welches sind die politischen Themen, die Ihnen besonders am Herzen liegen?

M.D.: Die Sozial- und Steuerpolitik sind mir besonders wichtig. Ich habe Mühe zu verstehen, warum eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung immer wieder Steuererleichterungen für grosse Unternehmen zustimmt und das Bankgeheimnis verteidigt.

Ich wünschte mir auch, dass die Politiker sich mehr um den Zustand unseres Planeten kümmerten. Trotz all den Katastrophen denkt man immer noch, dass die Wirtschaft wichtiger als der ganze Rest sei. Bei der Ausländerpolitik bin ich entschieden gegen die Vereinfachungen, die bestimmte Parteien portieren.

swissinfo.ch: Der Gang an die Urne – Bürgerpflicht oder Zeitverschwendung?

M.D.: Ich gebe zu, ich gehe nicht sehr oft abstimmen, ich bin keine beispielhafte Bürgerin. Manchmal ist es sehr schwierig, den Inhalt einer Abstimmungsvorlage zu begreifen.

Oft versteht bloss eine Minderheit mit intellektuellen Fähigkeiten den Sachverhalt und kann sich entsprechend entscheiden. Schliesslich habe ich den Eindruck, dass der Bürger häufig von den politischen Parteien instrumentalisiert wird.

swissinfo.ch: Trotzdem, was erwarten Sie von den nächsten eidgenössischen Wahlen?

M.D.: Nicht allzu viel. Bei jeder Wahl geht es letztlich immer nur um politische Machenschaften und Strategien und die Debatten sinken auf ein bedenkliches Niveau. Zudem steht eine grosse Mehrheit der Gewählten unter dem Einfluss von Wirtschaftskreisen. Darüber ärgere ich mich.

swissinfo.ch: Nach der nuklearen Katastrophe von Fukushima haben sie auf Facebook für nachhaltiges Wachstum plädiert. Haben Sie als Sportlerin eine besondere Beziehung zur Natur entwickelt?

M.D.: Ich habe eine besondere Beziehung zur Natur, doch das steht nicht direkt in einem Zusammenhang mit meiner sportlichen Tätigkeit. Meine Familie und ich haben uns bewusst weitab von der Zivilisation niedergelassen.

Im ökologischen Bereich muss ich jedoch noch vieles unternehmen, vor allem beim Energieverbrauch. Wer sich selber vernünftig verhält, kann andere Menschen beeinflussen, ein Schneeballeffekt entsteht und die Politik kann nicht anders als nachzuziehen. Denn Nachhaltigkeit ist die einzige Lösung, um zu retten, was noch zu retten ist.

swissinfo.ch : Kommen wir auf ihre Leidenschaft zurück. Wie sehen Sie den Sport im 21. Jahrhundert?

M.D.: Wegen den wirtschaftlichen und ökonomischen Herausforderungen werden die Sportler bei Grossereignissen wie den olympischen Spielen oder der Fussballweltmeisterschaft keine grosse Rolle mehr spielen.

Doch daneben existiert noch eine andere Welt des Sports. Es sind Athleten und Vereine, die mit wenig Mitteln auskommen müssen, aber mit grosser Leidenschaft ihren Sport betreiben.

swissinfo.ch: Wünschen Sie sich eine breitere Unterstützung der Randsportarten durch den Staat?

M.D.: Natürlich, eine staatliche Unterstützung würde das Leben der Spitzensportler und -sportlerinnen vereinfachen, wie das in Frankreich, Deutschland und Italien der Fall ist.

Die Politiker lieben zwar den Sport und lassen sich gerne mit Siegern ablichten, aber wenn es um die Förderung der Basis geht, lassen sie sich nicht mehr blicken. Ein Sportler vertritt eine Nation, er ist ein Sympathieträger und verkörpert positive Werte.

swissinfo.ch: Die Sportarten, die Sie ausüben, verlangen Ausdauer, Opfer und einen eisernen Willen. Haben Sie manchmal den Eindruck einer Diskrepanz zwischen Ihnen und der Gesellschaft?

M.D.: Ich vergleiche mich gern mit Kadermitgliedern oder Politikern, die für den Erfolg grösste Anstrengungen auf sich nehmen. Hingegen fühle ich mich fremd unter Leuten, die meinen, dass einem einfach alles in den Schoss fällt.

Leistung und Wille müssen besser honoriert werden, und zwar schon in der Schule. Wir brauchen mehr soziale Gerechtigkeit, doch die Sozialpolitik kostet etwas und ich finde es richtig, dass Anstrengungen von jedem Einzelnen anerkannt werden.

Magali Di Marco-Messmer wurde am 9. September 1971 in La Chaux-de-Fonds,  im Neuenburger Jura, geboren.

Sie ist verheiratet und Mutter eines neunjährigen Jungen. Sie lebt in Troistorrents im Kanton Wallis.
 
Mit 21 Jahren verschreibt sie sich dem Triathlon, nachdem sie zuvor im Schwimmsport aktiv war.

1995 nimmt sie zum ersten Mal an den Europa- und den Weltmeisterschaften teil.  

 Ein Jahr später erreicht sie den dritten Rang beim Weltcup, drei Jahre später gewinnt sie ihn.
 
Magali Di Marco Messmer war zweimal Vize-Europameisterin und verschiedene Male Schweizermeisterin.

Bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney holt sie für die Schweiz die Bronzemedaille.
 
Nach diesem Resultat tritt sie zum zweiten Mal in ihrer Karriere zurück, um dann 2003 ihr Comeback zu geben.

Eine Rückkehr mit Erfolg: Sie sichert sich noch dreimal den Schweizermeistertitel (2005, 2006, 2007) und klassiert sich mehrere Male unter den ersten zehn am Weltcup.
 
2010 tritt sie endgültig als Triathletin zurück und wendet sich dem Marathon zu.

Neben dem Sport arbeitet Magali Di Marco-Messmer im Unternehmen ihres Mannes, der Zeitmessungssysteme für den Amateursport vertreibt.

(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)

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